Macht man auf der SBB-Website eine Fahrplanabfrage, wird zuoberst nicht die nächste Zugsverbindung angezeigt, sondern Werbung. Und die ist nicht zufällig ausgewählt. Oft ist sie haargenau auf die Vorlieben des Bahnkunden zugeschnitten.
Beispiel: Ein K-Tipp-Leser aus Schötz LU schaute sich am Mittag auf der Website von Fust Stereoanlagen der Marke Yamaha an. Zwei Stunden später machte er eine Fahrplanabfrage. Da tauchte Werbung auf – von Fust und für Yamaha-Stereoanlagen (siehe Screenshot im PDF).
SBB senden viele Daten an Werbefirmen
Die SBB behaupten zwar, sie nutzten nur bei «eingeloggten Benutzern Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht sowie Reiseinformationen wie etwa Abfahrtsort und -zeit». Damit könne einem Kunden, der nach Zürich fahre, zum Beispiel eine Restauranteröffnung in Zürich angezeigt werden.
Doch der K-Tipp weiss: Die SBB senden viel mehr Kundendaten an Werbefirmen: Zum Beispiel ungefähre GPS-Koordinaten, Computeradresse, Browser- und Betriebssysteminformationen sowie Gerätehersteller und -modell. Und das nicht nur von eingeloggten Kunden. Das zeigt das Beispiel des Lesers.
Auch Fust liefert Kundendaten an Werbefirmen. Diese gleichen die Daten ab. So kam es, dass die französische Werbefirma Criteo erfuhr: Der Leser aus Schötz, der gerade eine Fahrplanabfrage macht, interessierte sich kurz zuvor auf der Fust-Website für Yamaha-Stereoanlagen. Und schon tauchen auf seinem Bildschirm nebst der nächsten Zugsverbindungen die Stereoanlagen von Fust auf.
Die SBB rechtfertigen die Werbung damit, dass ihre digitalen Plattformen Geld kosten: «Ein Teil dieser Kosten wird dadurch gedeckt, dass die SBB den interessierten Unternehmen die Möglichkeit bieten, die Kunden mittels Werbung anzusprechen.»
Die SBB gehen mit den Daten ihrer Kunden sorglos um: Sie übermitteln zum Beispiel Google-Analytics, was ein Nutzer auf
www.sbb.ch tut, wie lange er verweilt, wo er sich aufhält, was für ein Gerät er benutzt inklusive Daten zu Typ, Version, Auflösung, Breite und Höhe des Browserfensters. Dabei machen die SBB einen ziemlich blauäugigen Eindruck. Zum Beispiel wenn sie schreiben: «Gemäss Google Inc. wird in keinem Fall die IP-Adresse mit anderen, den Nutzer betreffenden Daten in Verbindung gebracht.» Der K-Tipp wollte wissen: Kontrollieren die SBB das? Und falls ja: Wie? Die Antwort der SBB: «Vielen Dank für die Hinweise, denen unsere Fachleute nachgehen werden.»
Datenschutzerklärung mit vielen Mängeln
Die SBB publizieren auf ihrer Website eine Datenschutzerklärung. Doch die ist für Interessierte wenig hilfreich. Denn sie umfasst 27 000 Zeichen. Das entspricht etwa acht Seiten des K-Tipp. Die Datenschutzerklärung weist zudem Mängel auf:
Sie ist fehlerhaft: Angeblich übermitteln die SBB nur die «anonymisierte IP-Adresse» an Google-Analytics. Doch das stimmt nicht. Google-Analytics anonymisiert die Daten selber. Und zwar laut Google erst «kurz nachdem sie zur Erfassung an das Analytics-Datenerfassungsnetzwerk gesendet wurden».
Sie ist lückenhaft: In der Datenschutzerklärung sind eine ganze Reihe von Firmen aufgelistet, die Daten der SBB-Kunden absaugen. Der K-Tipp weiss: Auch Adobe, ein grosser Datensammler und -auswerter, gehört dazu. In der Datenschutzerklärung ist die Firma nicht erwähnt.
Sie ist unverständlich: In der Datenschutzerklärung ist zum Beispiel von «den Kreiselsensor-/Gyroskopwerten, den Magnetometerdaten, der Bewegungsaktivität aus dem Betriebssystem sowie deren Konfidenz» die Rede. Kein Laie versteht diese Fachausdrücke.
Immerhin: Laut den SBB «wird die Datenschutzerklärung zurzeit überarbeitet».