«Schade, ich hätt euch gerne in Hawaii gesehen»
Spontan ist nichts, wenn die Verkäufer der Club Touristik GmbH in Olten potenzielle Kunden weich klopfen. Alles läuft nach einem detaillierten Drehbuch ab - wie im Theater, nur ohne Happyend für die Kunden.
Inhalt
K-Tipp 15/2003
17.09.2003
Thomas Müller - tmueller@ktipp.ch
Ein ehemaliger Mitarbeiter nennt sie die «Holzhammer-Methode». Entwickelt wurde sie vom Niederländer Charles Budé, einem Gesellschafter der Club Touristik GmbH. Ihr Zweck: Paare, die zuvor mit einem Gewinnversprechen nach Olten SO gelockt wurden, sollen ein Teilnutzungsrecht für eine Ferienwohnung erwerben.
Dafür besorgt sind Verkäufer, die sich selber «Berater» nennen. Sie bearbeiten die Paare einzeln während vier bis fünf Stunden an kleinen Tischen. Was die Betroffene...
Ein ehemaliger Mitarbeiter nennt sie die «Holzhammer-Methode». Entwickelt wurde sie vom Niederländer Charles Budé, einem Gesellschafter der Club Touristik GmbH. Ihr Zweck: Paare, die zuvor mit einem Gewinnversprechen nach Olten SO gelockt wurden, sollen ein Teilnutzungsrecht für eine Ferienwohnung erwerben.
Dafür besorgt sind Verkäufer, die sich selber «Berater» nennen. Sie bearbeiten die Paare einzeln während vier bis fünf Stunden an kleinen Tischen. Was die Betroffenen nicht wissen: Das Gespräch, das so spontan wirkt, läuft nach einem bis ins Detail festgelegten Drehbuch ab, das die Verkäufer zuvor auswendig gelernt haben. Sogar die Skizzen, welche sie vor den Augen der Kunden anfertigen, sind vorgegeben.
Auszüge aus dem 20-seitigen Leitfaden, der dem K-Tipp vorliegt:
1. Persönliche Beziehung aufbauen. Die Aufwärmphase - das so genannte «Warm-up» - dauert mindestens eine Stunde. Ihr Ziel laut Drehbuch: «Freunde gewinnen.» Deshalb spricht der Verkäufer seine Kunden von Anfang an mit «Du» an.
Der Leitfaden gibt die Gesprächsthemen vor, zum Beispiel: «Gemeinsamkeiten herausfinden und sich darüber unterhalten, nach Kindern fragen, über meine Kinder erzählen, eventuell Bilder von den Kindern zeigen.»
2. Einen Pakt schliessen («form a pact»). Das geht so: «Auf dem Weg hierher habt ihr doch sicher gedacht, dass ich euch etwas verkaufen möchte, oder? Da muss ich euch leider enttäuschen. Ich bin nur ein Berater und alles, was ihr heute von mir bekommt, ist eine 120-prozentige Information. Damit ihr seht, dass ich es ehrlich meine, sage ich euch keinen Preis, damit ihr auch nichts kaufen könnt. Wenn ihr den Preis aber unbedingt wissen wollt, müsst ihr mich danach fragen. Das ist doch fair, oder nicht? (Handschlag von beiden.)»
3. Produkterklärung. Der «Berater» erklärt zuerst das Tauschsystem, das es ermöglichen soll, «jederzeit und überall» Ferien zu verbringen. Auf die Kundenfrage, wie das funktioniert, antwortet er standardmässig: «Letzte Woche hat mich ein Bankdirektor, der Herbert, genau das Gleiche gefragt. Da hab ich ihm das so erklärt: Pass auf, Herbert, angenommen du hast zwei Wochen Urlaub erworben und möchtest diese irgendwo anders nutzen. Dann gibst du diese Anteile der Tauschorganisation Interval International und kannst wählen zwischen mehr als 2000 Ferienanlagen in über 80 Ländern (Interval-International-Buch zeigen und kurz fächern, dann wieder weglegen).»
4. «Finanzielle Logik». Der Verkäufer erklärt, weshalb es günstiger ist, 30 000 Franken in eine Ferienanlage zu investieren als jährlich 3000 Franken für eine Ferienunterkunft auszugeben. «Wenn man jedes Jahr in Urlaub fährt: Wie viel hat man dann in zehn Jahren ausgegeben? (Antwort: 30 000 Franken.) Richtig, und was kann man von den 30 000 Franken noch vorweisen? (Antwort.) Ihr müsst mir Recht geben, dass nichts anderes übrig geblieben ist als ein paar Urlaubsfotos, Erinnerungen und Quittungen. Denn wo sind die 30 000 Franken? (Antwort.) Ja, die sind weg (Betrag durchstreichen).»
Und weiter: «Nehmen wir an, man könnte den gleichen Betrag, den man sowieso ausgibt, in so eine Anlage investieren und besitzt den Urlaub für immer: Welches ist dann der bessere Weg? (Antwort: Dieser.) (Merke: Beide Kunden müssen mit dem Finger auf Besitz zeigen.) Warum? (Jeden Kunden einzeln erklären lassen, warum Besitz besser ist als Miete.)»
5. «Hier-und-Heute-Pakt». «Gratuliere, ihr habt das Ganze verstanden. Wenn es also ein finanziell lockerer Preis wäre, dann hätten wir doch heute zwei neue Mitglieder, stimmts? (Muss ein Ja kommen, Handschlag und festhalten und sagen:) Nur eins müsst ihr mir versprechen, wenn der Preis stimmt, dann kommt mir nicht mit irgendwelchen Ausreden wie: Papi und Mami fragen, Kinder fragen, Häusle bauen, überlegen, überschlafen, Metzgermeister fragen, Hund fragen. Weil - Verzeihung - dieser Scheiss steht mir schon bis da oben (in die Augen schauen).»
6. Der Preis. Nach der Vorführung eines Videos mit schönen Ferienanlagen nennt der Verkäufer einen Preis von 42 800 Franken, zahlbar auch durch eine Anzahlung von 14 000 Franken und Monatsraten von 1400 Franken. «Hättet ihr gedacht, dass das Ganze so günstig ist? (Gast: Nein, ist viel zu teuer.) Das ist für euch nicht machbar? Schade, ich hätt euch gerne in Hawaii gesehen. Aber wie schon gesagt, es ist nicht für jedermann. (Alles vom Tisch legen und fünf Minuten Warm-up machen.)»
Dann: «Jetzt würde es mich aber doch noch interessieren. Um wie viel liegen wir bei der Anzahlung eigentlich daneben? Und bei den monatlichen Zahlungen, wie viel liegen wir da daneben? (Die Beträge möglichst noch in die Höhe treiben.) So gut habe ich es also schon erklärt, dass ihr bei einer Anzahlung von X Franken und einer monatlichen Rate von Y Franken zugeschlagen hättet, oder? (Ja!) Schade! (Verkaufsleiter winken und ihm die Gäste vorstellen. Ab jetzt Schnabel halten, den Rest macht der Verkaufsleiter!)»
Was dann kommt, ist dem K-Tipp aufgrund zahlreicher Leserzuschriften bekannt: Der Verkaufsleiter zaubert einen Rabatt und eine Bonuswoche aus dem Hut. Und wer den Betrag immer noch nicht zahlen kann, wird aufgefordert, einen Kredit aufzunehmen.
Zahlen Sie nichts vor Ort und unterschreiben Sie nichts!
Die Time-Sharing-Branche ist ein Tummelfeld für dubiose Geschäftemacher.
Time-Sharing bedeutet Teilnutzung einer Ferienanlage. Der Erwerber sichert sich das meist lebenslängliche Recht, jedes Jahr während einer bestimmten Zeit in einem bestimmten Appartement seine Ferien zu verbringen. Dafür zahlt er im Voraus zwischen 10 000 und 50 000 Franken, plus jährliche Nebenkosten. Wer in einem Jahr an einen anderen Ort will, kann sein Nutzungsrecht gegen Gebühr tauschen. Die Anteile sind praktisch unverkäuflich.
Schwarze Schafe unter den Time-Sharing-Vermittlern sind die Schwester-Firmen Viva Tours im deutschen Jestetten und Club Touristik in Olten SO; Letztere nennt sich auch Swiss Travel Club. Beide haben es darauf abgesehen, Schweizer Konsumenten anlässlich eines mehrstündigen Gesprächs mindestens eine Anzahlung von 2000 Franken abzuknöpfen. Deshalb gilt: Vor Ort nichts unterschreiben und keine Zahlung machen.
Laut einem ehemaligen Mitarbeiter von Club Touristik empfangen die «Berater» pro Tag durchschnittlich sieben Paare, die je einen Einzelabrieb erhalten. «In der Regel unterschreiben zwei bis drei, sonst werden die Chefs nervös», erzählt er. Und: «Die Stornoquote ist riesig.»
Die «Berater» selber arbeiten auf Provision. Obwohl sie in die Firmenorganisation eingebunden sind, beschäftigt sie Club Touristik nicht als Arbeitnehmer, sondern als selbständige Agenten. Damit muss das Unternehmen seinen Angestellten während der Ferien keinen Lohn zahlen und spart Pensionskassen- und Sozialversicherungsbeiträge.