Der Zürcher Fred Wittwer (Name geändert) will sich nach 21 Jahren Ehe scheiden lassen. Im Internet ist er auf Onlinescheidung.ch gestossen: «Lassen Sie sich online scheiden!», wirbt dort die CDR divorce.ch aus Collonge-Bellerive GE. Vom K-Tipp wollte Wittwer wissen, was von diesem Angebot zu halten sei.
Vorab: Eine Scheidung per Internet gibt es in der Schweiz nicht. Das Vorgehen ist trotzdem einfach, wenn sich ein Paar einig ist (siehe Unten).
Der K-Tipp hat Ende 2015 bei fünf Internetportalen eine Scheidungskonvention für ein solches Paar bestellt.
Ausgangslage: Ein seit 1991 verheiratetes Berner Ehepaar will sich scheiden lassen. Der Sohn ist erwachsen und kommt für sich selber auf, die erwachsene Tochter ist in Ausbildung. Beide Ehegatten arbeiten Teilzeit. Er verdient knapp 5000 und sie 2300 Franken pro Monat. Der Ehemann will seiner Frau bis zur Pensionierung monatlich 1500 Franken Unterhalt zahlen. Die Frau übernimmt gegen Bezahlung von 100 000 Franken die Eigentumswohnung.
Die anhand dieser Vorgaben ausgefertigten Konventionen hat der K-Tipp dem auf Scheidungsrecht spezialisierten Zürcher Rechtsanwalt Thomas Gabathuler zur Beurteilung vorgelegt. Er ist Autor des Ratgebers «Das Handbuch zu Trennung und Scheidung» (siehe Buchtipp). Hier seine Beurteilung der fünf Scheidungsvereinbarungen bzw. -portale:
Divortis.ch
Offerierte mit 90 Franken die günstigste Konvention – eine Besprechung mit einem Anwalt ist inbegriffen. Die Bezahlung per Telefon mit «Call & Pay» ging jedoch schief, der Betrag wurde zweimal abgebucht. Auf die Bitte um Rückerstattung reagierte niemand. Das Erstellen der Konvention war mühsam, weil der Fragebogen nicht zwischengespeichert werden kann. Wer die Adresse der Pensionskasse oder die Grundbuchnummer der Liegenschaft nicht bereit hat, muss wieder von vorn anfangen.
Laut Gabathuler ist die Konvention lückenhaft: In der Einleitung fehlen einzelne persönliche Daten der Kinder. Beim Teuerungsausgleich des Unterhaltsbetrags steht nicht, von welchem Teuerungsindex ausgegangen wird. In der Konvention fehlt zudem eine Saldoklausel, wonach die Ehegatten mit Erfüllen der Vereinbarung ehe- und güterrechtlich auseinandergesetzt sind.
Erik Johner, Rechtsanwalt und Geschäftsführer der Divortis mit Sitz in Basel sagt dazu: Wegen der doppelten Bezahlung hätte man «sicherlich besser reagieren können». Geburtsdaten der Kinder müssten in der Einleitung nicht genannt werden. Das Speicherproblem sei ein Verbesserungsvorschlag. Und: Nach dem Ausfüllen des Fragebogens könne jeder Kunde die Konvention mit einem Anwalt der Divortis überprüfen und allenfalls ergänzen oder korrigieren.
Einfache-Scheidung.ch
Auf der Website der Easy Divorce.ch in Préverenges VD muss man 760 Franken zahlen, um Zugriff auf die Scheidungsformulare zu erhalten. Der Zahlungsablauf war etwas mühsam: Den Betrag musste das Ehepaar auf ein Bankkonto überweisen mit dem Zahlungszweck «752db2e 6f67110c6a0fe88065e3b9f2b» und dann ein E-Mail mit einem Beleg schicken. Die Fehlermeldungen und Hinweise beim Ausfüllen des Fragebogens sind auf Französisch, ebenso wie die Geschäftsbedingungen und die Datenschutzhinweise.
Auch hier kritisiert Gabathuler die erstellte Konvention als unvollständig. So fehlen zum Bemessen des Unterhalts die nötigen Angaben zu Einkommen und Vermögen der Ehegatten. Bei der Übernahme der Liegenschaft durch die Ehefrau wurde die Ausgleichszahlung an den Mann nicht festgelegt. Deshalb würde die Ehefrau entgegen dem Willen beider Gatten die Wohnung entschädigungslos erhalten.
Die Portal-Betreiberin erklärt dazu, die Konvention werde am Schluss durch einen Juristen überprüft und wenn nötig kostenlos angepasst. Fragen könne man per E-Mail oder Telefon stellen.
Meinonlineanwalt.ch
Der K-Tipp zahlte 400 Franken für die Konvention. Laut Gabathuler wurde sie «formal korrekt abgefasst», und weitere Anliegen der Ehegatten wurden im Fragebogen erfasst. Allerdings sei die Frage, ob mündigen Kindern Unterhalt zu bezahlen sei, übergangen worden. Auch habe der Anwalt trotz entsprechender Bitte keinen Vorschlag zur Höhe von Unterhaltszahlungen gemacht. Hingegen wies er korrekt darauf hin, dass der Unterhalt mündiger Kinder nicht in der Scheidungskonvention zu regeln ist.
Betreiber von Meinonlineanwalt.ch ist Rechtsanwalt Michael Schmid. Er sagt in seiner Stellungnahme, er habe die eingegebenen 1500 Franken für die Alimente überprüft und keinen Anlass für einen abweichenden Vorschlag gesehen.
Onlinescheidung.ch
Hier war die für 560 Franken erstellte Konvention laut Gabathuler in mehreren Punkten mangelhaft. Etwa bei der Regelung zur Übernahme der Wohnung: Die Ehegatten würden so gemeinsam Eigentümer bleiben und zusammen weiterhin für die Hypothek haften. Zudem fehle beim Unterhalt die Angabe, von welchem Einkommen und Vermögen bei jedem Ehegatten ausgegangen wird. Nicht geregelt sei, wann die Unterhaltsbeiträge fällig sind. Auch war kein Teuerungsausgleich vorgesehen.
Geschäftsführer Douglas Hornung von CDR divorce.ch sagt, im Fragebogen werde bei einer Eigentumsübertragung von Liegenschaften darauf hingewiesen, sich an einen Notar zu wenden. Der Fälligkeitstermin von Unterhaltszahlungen sei beim Überarbeiten der Konvention Anfang Februar eingefügt worden. Einen Teuerungsausgleich hätte das Paar bestimmen können, wenn es «Ändern Sie in einen wechselbaren Betrag» ausgewählt hätte. Das werde nun besser erkennbar gestaltet. Das beim Unterhalt anzugebende Einkommen ergebe sich aus dem Budgetblatt, das Kunden beilegen sollten. Ob das einem Gericht genügt, ist fraglich.
Beim Bezirksgericht Zürich würde das nicht ausreichen. Laut Sprecherin Sabina Motta gehören Angaben zu Einkommen und Vermögen zwingend in die Konvention.
Scheidungsagentur.ch
Die Konvention der Scheidungsagentur.ch in Thun BE war mit 2100 Franken die teuerste. Bei dieser hat Gabathuler am wenigsten zu kritisieren. Bewertet wurde hier der Entwurf zur Konvention. Die Firma beauftragte einen Rechtsanwalt mit der Ausarbeitung, liess sich umfangreich über Wertschriften, Konten usw. dokumentieren und verlangte bereits alle nötigen Originalunterlagen wie Familienausweis und Tragbarkeitsbestätigung der Bank für die Übernahme der Eigentumswohnung durch die Ehefrau. Im gekauften Paket Scheidungskonvention ist noch ein Gespräch mit einem Rechtsanwalt inbegriffen, an dem der Entwurf der Konvention besprochen, allenfalls überarbeitet und anschliessend beim Gericht eingereicht wird.
Gabathuler bemängelt allerdings, dass die Ehegatten nicht ausführlich zum Unterhalt für die erwachsene Tochter informiert wurden. Und bei der Bestimmung zum Güterrecht wurde nicht festgehalten, welche Ausgleichszahlung ein Ehegatte dem anderen zu leisten hat.
Laut Lilly Toriola und Sebastian Rufer von Scheidungsagentur.ch werden beim inbegriffenen Gespräch mit dem Anwalt alle offenen Fragen beantwortet. Die güterrechtliche Regelung werde nochmals überprüft. Erst nach diesem Gespräch werde die definitive Konvention erstellt.
Fazit: Internet-Scheidungsportale erstellen die die Konvention grösstenteils ohne Belege, nur auf die Angaben der Ehegatten gestützt. Das können Scheidungswillige aber auch gratis haben. Erhältlich sind Scheidungsformulare per Internet, zum Beispiel auf Gerichte-zh.ch % Suchmaske: «Scheidung Musterkonventionen».
Wer jedoch eine juristische Beratung will, kommt um die Konsultation eines Anwalts oder einer Anwältin nicht herum.
Vorgehen, wenn man sich einig ist
Ist sich ein Paar einig, ist die Scheidung relativ unkompliziert:
- Das Paar muss beim Gericht am Wohnort eine schriftliche Erklärung einreichen, wonach es die Scheidung wünscht. Es braucht dazu keine Angaben zu den Gründen oder zu allfälligen Versöhnungsversuchen.
- Das Paar kann beantragen, dass das Gericht die Scheidungsfolgen wie Unterhaltszahlungen, Kinderbelange und Aufteilung des Vermögens regelt.
- Ist man sich in diesen Punkten bereits einig, wird eine Scheidungsvereinbarung – eine Konvention – erstellt und eingereicht. Das Gericht überprüft dann nach einer Anhörung der Ehegatten, ob die Konvention vollständig und angemessen ist und ob die Abmachungen korrekt sind.