Schlachttiere verbluten bei vollem Bewusstsein, Schweine werden nicht zuverlässig betäubt, Mitarbeiter treiben Rinder und Schweine mit Elektrotreibern in die Boxen und drehen ihre Schwänze um. Das ist gängige Praxis in vielen Schlachthöfen – trotz gesetzlichem Verbot. Der K-Tipp deckte auf, dass in 13 von 19 Schlachtbetrieben, die der Schweizer Tierschutz von Januar 2018 bis Oktober 2020 überprüfte, die Betäubung nicht zuverlässig klappte (K-Tipp 1/2021). Die Enthüllungen zeigen jetzt Wirkung:
Unangemeldete Kontrollen: Acht grosse Schlachtbetriebe lassen in Zukunft unangemeldete Kontrollen des Tierschutzes zu. Darunter sind Schlachthöfe in Zürich, Hinwil ZH, Courtepin FR, Basel und Oensingen SO, die der Coop-Tochterfirma Bell gehören. Laut Cesare Sciarra, dem Chef des Tierschutz-Kontrolldienstes, schlachten die acht Betriebe «weit über die Hälfte aller Rinder und Schweine in der Schweiz». Bislang waren die Kontrollen stets angekündigt. Die Kontrolleure besuchen im Auftrag von Tierschutz- oder Bio-La-bels wie IP Suisse, Demeter und Bio Suisse die Schlachthöfe, die Fleisch mit solchen Labels liefern.
Veröffentlichung der Resultate: Die acht grossen Betriebe sowie drei weitere Schlachthöfe erlauben zudem, dass der Tierschutz die Ergebnisse der Kontrollen veröffentlicht. Sie blieben bisher unter Verschluss.
Betrieb eingestellt: Zugleich kommen diejenigen Schlachthöfe unter Druck, die bei den bisher angemeldeten Kontrollen schlecht abgeschnitten hatten: So stellt der Schlachthof Langnau BE im Frühjahr 2023 das Schlachten ein. Die Betreiberin Ernst Sutter AG, die unter anderem Coop, Migros, Aldi und Lidl beliefert, nennt dafür gegenüber dem K-Tipp keine konkreten Gründe. Cesare Sciarra sagt: «Die Firma hätte viel in den Tierschutz investieren müssen.»
Ein weiterer Fall ist der Schlachthof Clarens VD: Im Waadtländer Betrieb funktionierte bei Kontrollen unter anderem die Betäubung der Schweine und Schafe nicht korrekt. Folge: Tiere bekamen mit, wie sie verbluteten. Der K-Tipp machte das öffentlich.
Migros-Fleischverarbeiter Micarna lässt seit Ende 2021 keine Tiere mehr in Clarens schlachten. Das bestätigt Micarna dem K-Tipp. Bell droht mit dem Abzug der Tiere, wie der Schlachthof auf Anfrage sagt.
Defizite beim Betäuben und Entbluten: Coop und Migros setzen Schlachtbetriebe zwar unter Druck, aber die meisten der rund 550 Schlachthöfe lassen weiterhin keine externen Besuche zu. Kein Wunder: Viele verstossen gegen Tierschutzvorschriften. Das zeigte 2019 eine Überprüfung von 67 Schlachtbetrieben durch das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit. Die oberste Aufsichtsbehörde zog damals in ihrem Bericht das Fazit: «Knapp die Hälfte der grossen und die Mehrheit der kleinen Schlachtbetriebe wiesen beim Betäuben und Entbluten der Tiere Defizite auf: Die verantwortlichen Personen prüften oft nicht, ob sie erfolgreich betäubt hatten und ob die Entblutung schnell genug erfolgt war.»
Auf Anfrage teilt das Bundesamt mit, man habe die Kantone aufgefordert, Mängel in fehlbaren Betrieben zu beheben. Es plant für nächstes Jahr neue Kontrollen.