Die Kampagne nennt sich Login-Initiative. Sie belästigt die Leser der Internetseiten und Apps von «Blick», «Tages-Anzeiger», NZZ, «Aargauer Zeitung» sowie rund zwanzig weiteren Medientiteln: Wer eine dieser Internetseiten besucht, wird aufgefordert, sich zu registrieren und fortan bei jedem Besuch einzuloggen.
Hinter der Kampagne stecken die vier grossen Schweizer Verlagshäuser Tamedia, Ringier, NZZ und CH-Media. Auch die SRG hat sich der Gruppe angeschlossen – vorerst aber noch als inaktives Mitglied.
Deklariertes Ziel der Medienhäuser: Sie wollen an zusätzliche Daten gelangen, um ihren Werbekunden zielgenauere Feldzüge auf das Portemonnaie der Leser zu offerieren. Zudem wollen sie dem Publikum «personalisierte journalistische Inhalte» liefern können, also je nach Zielgruppe speziell ausgewählte Nachrichten – nicht mehr das ganze Menü zur Auswahl. Die Nutzer sollen sich mit E-Mail-Adresse und Passwort, bei den Titeln von NZZ und CH-Media zusätzlich mit Vor- und Nachnamen registrieren.
Damit die Leute das tun, ködern die Verlage mit allerlei Kleinkram: Bei Tamedia etwa darf man als registrierter Nutzer pro Woche einen Artikel aus dem sonst kostenpflichtigen Angebot von «Abo+» lesen. Bei Blick.ch von Ringier kann man einen von fünf Goldbarren zu 100 Gramm gewinnen – aber nur, wenn man bei der Registrierung neben E-Mail-Adresse und Passwort auch noch den Vor- und Nachnamen, Geburtsjahr und Adresse preisgibt.
Registrierung wird wohl 2020 zwingend
Noch sind Registrierung und Login freiwillig. Leser können die Appelle der Verlage einfach wegklicken und die Nachrichten trotzdem lesen. Doch ab Herbst 2020 dürfte dies nicht mehr möglich sein: Dann muss sich zwingend registrieren, wer die Internetseiten der Verlage besuchen will. Gleichzeitig soll es ein einziges verlagsübergreifendes Medien-Login geben.
Klar ist: Den Lesern macht man mit der Aufforderung, persönliche Daten abzuliefern, keine Freude. Die Verlage betonen darum, wie wichtig es für sie sei, auf dem Markt möglichst zielgenaue, personalisierte Werbung anbieten zu können. Nur so könnten sie ihre Position im Wettbewerb um Werbekunden mit den grossen Technologiekonzernen wie Google, Facebook und Amazon stärken. Die Login-Initiative sei die «vielleicht letzte Chance für journalistische digitale Plattformen, sich noch im grossen Stil zu monetarisieren», prophezeite Ringier-Geschäftsführer Marc Walder vor kurzem an den Münchner Medientagen. Im Klartext: Die Leser sollen mit der Preisgabe persönlicher Daten dafür sorgen, dass bei den Verlagen der Rubel rollt.
Für die Leserschaft bedeutet dies: Die Verlage sammeln Informationen über ihre Interessen, Gewohnheiten und Befindlichkeiten. Sie bestreiten das zwar. So steht etwa auf Blick.ch: «Die Nutzerprofile werden anonymisiert.» Und: «Ihr Verhalten auf Blick.ch kann nicht auf Ihre Personendaten zurückgeführt werden.»
Doch sind solche Versprechen glaubhaft? Kann man sich darauf verlassen, dass die Medienhäuser die via Nutzung von Websites und Apps gesammelten Daten nicht mit persönlichen Daten verknüpfen? Anwalt Martin Steiger, Sprecher des Vereins «Digitale Gesellschaft», macht ein Fragezeichen: «Mit Blick auf das umfangreiche Tracking der Verlage im Internet werden Nutzerinnen und Nutzer, die datenschutzbewusst oder technisch kompetent sind, den Beteuerungen der Verlage keinen Glauben schenken.»
Wintersportler oder Klassikliebhaber?
Schon heute verfügen Tamedia, Ringier, NZZ und Co. über persönliche Daten vieler Leser – etwa von Abonnenten, Wettbewerbsteilnehmern oder Verfassern von Kommentaren im Internet. Und sie sammeln unzählige Daten über das Verhalten aller Besucher ihrer Internetseiten. So können die Werbekunden bei Tamedia anhand Dutzender Merkmale bestimmte Zielgruppen definieren, etwa wintersportbegeisterte Frauen im Alter zwischen 25 und 34 Jahren oder Rentner mit einer Vorliebe für klassische Musik. Ähnliches offeriert die Werbevermarkterin Admeira unter anderem für die Ringier-Titel. Aber offenbar wollen die Verlage noch an viel mehr Informationen über ihre Kunden kommen, als sie bisher dank Cookies, Logfiles und weiteren Verfolgungs-Instrumenten (siehe Kasten) sammeln konnten.
«Selber auswählen, was ich lesen will»
Viele Leser haben allerdings kein Bedürfnis, künftig immer mehr auf sie zugeschnittene Werbung zu erhalten. Und schon gar nicht wollen sie sich mit vorselektionierter journalistischer Kost begnügen. Das zeigen die vielen Reaktionen in Internetforen auf die Login-Offensive der Verlage. Beispiele: «Ich will selber auswählen, was ich lesen will.» Oder: «Ich brauche keinen Algorithmus, der zu wissen meint, was mich zu interessieren hat.» Und ganz grundsätzlich: «Personalisierter Journalismus polarisiert und steht einer freien Meinungsbildung im Weg.»
Die breite Ablehnung erstaunt nicht. Letztlich wollen die grossen Schweizer Medienhäuser den internationalen Datensammlern Paroli bieten, indem sie sich selbst zu immer grösseren Datenkraken machen.
So schützen Sie Ihre Privatsphäre
Nicht registrieren: Wer seine Daten schützen will, verzichtet darauf.
Apps überprüfen: Viele Handy-Apps greifen auf private Daten zu. Das lässt sich unterbinden: Bei Apple-Geräten kann man unter «Einstellungen» ! «Datenschutz» sehen, welche Apps auf welche privaten Daten zugreifen, und den Zugriff ausschalten. Bei Android-Handys ist dies meist unter «Einstellungen» ! «Apps» möglich: Dort die gewünschte App und dann «Berechtigungen» antippen. Details im K-Tipp 7/2018.
Internetbrowser optimieren: Punkto Schutz der Privatsphäre schnitt der Browser Firefox dieses Jahr in Tests gut ab. «Saldo» zeigte kürzlich im Detail auf, wie man diesen Browser bezüglich Datenschutz und Sicherheit optimal einstellen kann («Saldo» 8/2019).
Cookies und Cache löschen: Öffnet man eine Website, speichert der Browser einige Inhalte dieser Seite im sogenannten Cache. Zudem installieren der Betreiber der Website und häufig auch Dritte – etwa Firmen, die auf der Website Werbung platziert haben – kleine Dateien auf dem Computer, die Cookies. Diese können das Surfverhalten ausspionieren. Darum sollte man Cookies und Cache regelmässig löschen. Details im K-Tipp 17/2018.
VPN benutzen: Geht ein Computer ins Internet, bekommt er eine IP-Adresse. Über sie sind Benutzer auf der angesteuerten Website identifizierbar. Mittels «Virtual Private Network» (VPN) kann man die IP-Adresse verfremden, und der Internet-verkehr wird über einen verschlüsselten Kanal übertragen. VPN-Programme gibt es etwa auf Nordvpn.de oder Cyberghostvpn.de. Details im K-Tipp 10/2017.
Buchtipp: Wer sammelt wo welche Informationen über Sie? Und was können Sie dagegen tun? Antworten dazu liefert der «Saldo»-Ratgeber So schützen Sie Ihre Privatsphäre. Zu bestellen mit der Karte auf Seite 26, über Tel. 044 253 90 70 oder auf www.ktipp.ch ! Shop.