Jedes Jahr verunfallen in der Schweiz rund 400 Kinder unter 14 Jahren auf dem Schulweg. Am grössten ist das Unfallrisiko für 5- bis 9-jährige Fussgänger und 10- bis 14-jährige Velofahrer – so die Angaben der Beratungsstelle für Unfallverhütung.
Gemäss Bundesverfassung haben alle Kinder Anspruch auf ausreichenden und unentgeltlichen Grundschulunterricht. Daraus folgt: Der Schulweg darf keine unzumutbare Erschwernis bedeuten. Der Verkehrs-Club der Schweiz deutscht das auf seiner Website aus: «Ist der Schulweg zu weit, zu beschwerlich oder mit unzumutbaren Gefahren verbunden, haben die Kantone und Gemeinden Abhilfe zu schaffen.»
Schulweg muss «zumutbar» sein
Der Luzerner Anwalt Sandor Horvath bestätigt: «Schul- und Gemeindebehörden haben für einen zumutbaren Schulweg zu sorgen.» Horvath sitzt im Vorstand von Fussverkehr Schweiz. Die Organisation setzt sich für die Sicherheit der Fussgänger ein.
Kostenlose Schultransporte mit dem Schulbus oder mit dem öffentlichen Verkehr sind laut Sandor Horvath meist nur dann vorgesehen, wenn der Weg zur Schule länger als 1,5 Kilometer ist.
Für Kindergartenkinder sollte der Weg allerdings kürzer sein. Zudem ist es für sie nicht zumutbar, den öffentlichen Verkehr unbegleitet zu benutzen. Sie müssen entweder von einem Erwachsenen begleitet werden oder im Schulbus fahren können. Das hat das bernische Verwaltungsgericht vor zwei Jahren entschieden.
Erfolgsaussichten für Eltern sind gut
Schulwege sorgen immer häufiger für Streitigkeiten zwischen Eltern und Behörden. Horvath selber bearbeitet rund zehn Fälle pro Jahr. Dabei zeigt sich: Die Erfolgsaussichten für Eltern, die gegen die Schulbehörden vorgehen, sind gut. So hat Horvath in folgenden Fällen mit Eltern erfolgreich für einen zumutbaren Schulweg gekämpft:
Ebikon LU: Mit einer Petition verlangten Eltern vom Gemeinderat eine sichere neue Fussgängerverbindung über eine gefährliche Strasse. Der Gemeinderat hielt sich für nicht zuständig. Er reagierte auch nicht auf ein Gutachten der Beratungsstelle für Unfallverhütung, das zum Schluss kam: Die Überquerung der Strasse sei für Kindergartenkinder und Erstklässler trotz Fussgängerstreifen und Mittelinsel wegen des hohen Verkehrsaufkommens zu gefährlich.
Horvath reichte beim Bildungsdepartement Beschwerde ein. Es entschied, der Gemeinderat müsse den Schulweg beurteilen und Massnahmen treffen. Darauf schlug dieser eine neue Schulwegvariante vor. Doch das Departement kam zum Schluss, Kinder bis zu 8 Jahren könnten diesen Weg nicht alleine bewältigen. In der Folge richtete die Gemeinde einen Verkehrsdienst ein – und baute schliesslich eine Fussgängerpasserelle über die Strasse.
Gebenstorf AG: Im Frühjahr 2016 beschloss der Gemeinderat, einen Quartierkindergarten zu schliessen. Die Kinder im Alter von 4 bis 6 Jahren mussten in einen Kindergarten wechseln, der rund zwei Kilometer entfernt war. Zuvor hatte ihr Schulweg durch eine ruhige Tempo-30-Zone geführt. Neu verlief er durch eine Tempo-50-Zone, über eine stark befahrene Durchgangsstrasse und vorbei an einem Entsorgungsunternehmen, an einer Kiesgrube und an der Zufahrt zum Gelände einer Lastwagenfirma. Mit einer Petition forderten die betroffenen Eltern die Gemeinde Gebenstorf darum auf, einen Schulbus einzurichten.
Die Gemeinde reagierte zunächst nicht. Anwalt Horvath reichte dann im Auftrag der Eltern ein Gesuch für einen Schulbus ein. Ein von den Eltern veranlasstes Gutachten der Stadtpolizei Baden ergab, der Schulweg sei als unsicher einzustufen. Die Gemeinde setzte sich mit dem Anwalt an einen Tisch. Seit August ist ein Schulbus unterwegs.
Altstätten SG: Die Schulbehörde gab im Frühjahr bekannt, der Schulbus von einem Aussenquartier in den Kindergarten und in die Primarschule werde auf Ende des Schuljahres abgeschafft. Begründung: Der Busbetreiber stelle den Dienst ein, eine Nachfolgelösung würde zu teuer. Die Kinder sollten neu zu Fuss zum Bahnhof gehen und dort den öffentlichen Bus benutzen.Dagegen legte Horvath im Auftrag der Eltern beim Kanton Rekurs ein. Kurz vor Beginn des neuen Schuljahres entschied die Rekursstelle: Der Schulbus darf nicht abgeschafft werden.
Schulweg: Das können Eltern tun
- Den Schulweg durch eine Fachperson beurteilen lassen.
- Das Gespräch mit den zuständigen Behörden suchen.
- Falls nötig Rechtsweg beschreiten. Das heisst: Bei der Schulbehörde ein formelles Gesuch um Massnahmen für einen sichereren Schulweg einreichen. Im Falle -einer Abweisung: Beschwerde/Rekurs an die übergeordnete Instanz einreichen.