Schulbücher – Werbung inkl.
Firmen sponsern Lehrmittel. Entsprechend lesen sich Inhalte mitunter wie Werbeprospekte. Selbst Produktewerbung ist kein Tabu.
Inhalt
K-Tipp 02/2008
28.01.2008
Thomas Heer
Lehrmittel dürfen keine Produktewerbung enthalten. Dies hielt der Dachverband Schweizer Lehrerinnen und Lehrer (LCH) im November in einer schriftlichen Erklärung fest. Der Grund für diese Massnahme: Viele grosse Firmen, wie UBS, Migros und SBB, sind in der Schweiz als Schulstoff-Sponsoren aktiv – und bringen dort auch ihre Werbung unter.
Zum Beispiel im Buch «Recht, Staat, Wirtschaft» vom Schatz Verlag in Rorschach SG. Laut Ver...
Lehrmittel dürfen keine Produktewerbung enthalten. Dies hielt der Dachverband Schweizer Lehrerinnen und Lehrer (LCH) im November in einer schriftlichen Erklärung fest. Der Grund für diese Massnahme: Viele grosse Firmen, wie UBS, Migros und SBB, sind in der Schweiz als Schulstoff-Sponsoren aktiv – und bringen dort auch ihre Werbung unter.
Zum Beispiel im Buch «Recht, Staat, Wirtschaft» vom Schatz Verlag in Rorschach SG. Laut Verleger Emil Schatz sind von der neuesten Ausgabe 26 000 Exemplare gratis an Schüler verteilt worden.
Gesponsert ist das Buch vom Versicherer Mobiliar, vom Energieversorger Axpo sowie von der UBS. «Recht, Staat und Wirtschaft» stösst deshalb selbst bei der Lehrerschaft auf Kritik. Etwa an der Kantonsschule in Sursee LU: «Die Kapitel über die Wirtschaft sind mir zu unausgewogen, und die Interessen der Sponsoren schimmern allzu deutlich durch», moniert Dozent Jürg Regli.
Schüler lernen: Job-Chancen bei der UBS
In der Tat: Im Versicherungsteil wirbt die Mobiliar ungeniert für ein für junge Leute konzipiertes Produkt. Und das Kapitel über Lebensversicherungen liest sich wie ein Werbespot – kein Wort von den Nachteilen gemischter Lebensversicherungen.
Beim Thema Banken heisst es in «Recht, Staat und Wirtschaft» auffallend oft: UBS. Die Grossbank preist sich dabei auch als vorbildliche Arbeitgeberin an. So lässt sie die Schülerinnen und Schüler wissen: «Allein die UBS bietet im Inland jährlich ca. 440 Plätze für Lernende und Praktikanten an, die in der Regel nach der Ausbildung bei ihr angestellt werden.»
Die Zahl der gesponserten und deshalb oft gratis abgegebenen Lehrmittel ist sprunghaft gestiegen. Wie viele es mittlerweile sind, weiss niemand. Denn: Offizielle Schulbücher überprüfen die Lehrmittel-Kommissionen. Bei gesponserten Unterlagen ist dies nicht immer der Fall. Sie werden denn auch oft in Nebenfächern verwendet – wie die Unterrichtshilfe «Vegetarische Ernährung», gesponsert von der Migros. Matthias Vatter, Geschäftsleiter der Berner LerNetz AG, bemängelt: «In dieser Lektion werden Werbung und Lerninhalt vermischt, indem direkt auf die vegetarischen Marken der Migros hingewiesen wird.»
«Produktewerbung an Schulen geht nicht»
Gegen den Grundsatz des Produkteverbots für Lehrmittel verstösst auch die Firma KIK AG in Baden AG. Ihre Online-Lektionen können Lehrer gratis herunterladen. Doch sie sind ebenalls durch Sponsoren finanziert – wie die Lektion «Energie, Verkehr, Umwelt»: Die verschiedenen Modelle von Sponsor Volvo sind prominent abgebildet. Ähnliches findet sich in «Gesunde Ernährung», bezahlt von der Obwaldner Bio Familia. Dem Anblick diverser Sorten Frühstücksflocken kann sich der Betrachter nicht entziehen.
Solche Beispiele ärgern den LCH-Zentralpräsidenten Beat Zemp: «Produktewerbung an Volksschulen geht nicht. Lehrpersonen dürfen im Unterricht nur werbefreie Lektionsvorlagen verwenden und auch nicht indoktrinieren.»
Laut KIK-Chef Meinrad Vieli bietet seine Firma via Internet 80 Lektionen an. Über 8000 Lehrerinnen und Lehrer seien registriert – und die Lektionen allein letztes Jahr 250 000-mal angeklickt worden.