Eine christliche Glaubensgemeinschaft macht in einem Bürogebäude im Zürcher Quartier Seebach Werbung für einen «Motivationsvortrag für finanziellen Erfolg». Wer finanzielle Probleme hat, begibt sich allerdings besser in den dritten Stock des gleichen Gebäudes: Dort befindet sich die Schuldenberatung des Kantons Zürich.
«Ich war am Boden zerstört»
Auch Yvonne Berger (Name geändert) aus Zürich landete wegen finanzieller Probleme bei der Zürcher Schuldenberatung. Die kaufmännische Angestellte war im Jahr 2011 nach einem Sprachaufenthalt in Grossbritannien als Co-Geschäftsleiterin zu ihrer früheren Firma zurückgekehrt. Ihr Chef, der Eigentümer der Firma, hatte die damals 27-Jährige dazu überredet.
Berger arbeitete als Disponentin, einen Einblick in die Buchhaltung hatte sie nicht. Dem Unternehmen ging es immer schlechter. Es zahlte die Sozialabgaben für die Angestellten nicht mehr ein, die Löhne wurden nur noch schleppend bezahlt. Im März 2013 ging die Firma Konkurs.
Das Verfahren endete mit einem Totalverlust für alle Gläubiger. Für die nicht abgelieferten Sozialabgaben forderte die Sozialversicherungsanstalt von der Geschäftsführerin rund 240 000 Franken. Yvonne Berger sagt: «Ich war am Boden zerstört und liess alles sausen.» Steuerrechnungen blieben liegen. Die Krankenkassenprämien zahlte sie auch nicht mehr. Es folgten Betreibungen, ihr Lohn wurde seit 2014 ununterbrochen gepfändet. «Ich hatte alles weggeschoben», sagt Berger heute.
Die Wende kam sieben Jahre später: Auf Empfehlung eines Bekannten meldete sich Yvonne Berger Anfang 2021 bei der Zürcher Schuldenberatung in Zürich-Seebach. Dort traf sie Katharina Blessing, Co-Geschäftsleiterin der Beratungsstelle. Im ersten Gespräch verschaffte sich Blessing einen Überblick über die Schulden. Schnell war klar, dass eine Sanierung nicht möglich war. Den Schulden von total 340 000 Franken stand ein monatliches Einkommen von netto 4000 Franken gegenüber.
Gestützt auf Blessings Berechnung wären Berger zum Abzahlen der Schulden nur 391 Franken pro Monat zur Verfügung gestanden. Das war zu wenig. Denn die Rückzahlung sollte nicht länger als drei Jahre dauern. Yvonne Berger hätte ihren Gläubigern nur eine Dividende von rund 5 Prozent des geschuldeten Betrags anbieten können. Das hätten ihre Gläubiger kaum akzeptiert.
Blessing riet Berger zum Privatkonkurs. Dieser ist sinnvoll für Überschuldete, die zu wenig verdienen, um die Schulden abzuzahlen – aber genug verdienen, um keine neuen Schulden zu machen. Im Dezember 2021 beantragte Yvonne Berger beim Bezirksgericht Zürich den Privatkonkurs. Für die Konkurseröffnung musste sie zunächst einen Kostenvorschuss von 1800 Franken hinlegen, für die späteren Verfahrenskosten nochmals 3200 Franken. Im Vergleich zu Gerichten in anderen Kantonen ist das wenig. Im Kanton Jura etwa beträgt der erste Vorschuss bis zu 7000 Franken (siehe Tabelle im PDF).
Das Gericht bewilligte den Konkurs. Danach nahm das Konkursamt ein Inventar auf und forderte die Gläubiger auf, ihre Forderungen beim Amt anzumelden. «Ich wurde von allen Leuten im Konkursamt sehr nett behandelt», sagt Berger rückblickend. Das Verfahren wurde im Mai 2022 abgeschlossen: 16 Gläubiger erlitten einen Verlust von total 340'000 Franken.
Konkurs zaubert Schulden nicht weg
Diese Schulden verschwinden nicht. Sie bleiben in Form von unverzinslichen Verlustscheinen bestehen, die frühestens nach 20 Jahren verjähren. So lange kann die Schuldnerin immer wieder betrieben werden, sofern sie zu neuem Vermögen gekommen ist.
Als Vermögen kann je nach Gerichtspraxis bereits eine Erbschaft von wenigen Tausend Franken gelten – oder ein Einkommen, das es Schuldnern erlaubt, etwas Geld auf die Seite zu legen. Nach üblicher Gerichtspraxis ist dazu in der Lage, wer nach Abzug der Steuern mit seinem Verdienst rund 1000 Franken über dem betreibungsrechtlichen Existenzminimum liegt.
Sanierungsbudget hilft beim Abzahlen
Um solche Verfahren zu vermeiden, ist es sinnvoll, Konkursverlustscheine zurückzukaufen, sobald sich die finanzielle Lage verbessert hat. Das ist auch bei Yvonne Berger der Fall. Ende September traf sie sich erneut mit Schuldenberaterin Katharina Blessing. Zusammen erstellten sie ein Sanierungsbudget. Es umfasst das betreibungsrechtliche Existenzminimum, das um Beträge wie laufende Steuern, voraussehbare Krankheitskosten und einen Freibetrag erweitert wird.
Was nach dem Abzug vom Lohn übrig bleibt, bildet den Betrag, der zum Abzahlen der Schulden zur Verfügung steht. Im Fall von Yvonne Berger sind das 1000 Franken. Damit kann sie ihren Gläubigern eine Dividende von rund 10 Prozent anbieten.
Yvonne Berger wird nun nach und nach ihre Gläubiger persönlich anschreiben und so versuchen, in den nächsten drei Jahren Konkursverlustscheine für einen Bruchteil der Summe zurückzukaufen.