Andrea Peroni (Name geändert) aus Schwerzenbach ZH wollte sich nach der Lehre weiterbilden. 2014 unterschrieb sie einen Schulvertrag der Zürcher Hotelfachschule Belvoirpark. Für sechs Semester sollte sie 46 864 Franken Unterrichts- und Verpflegungsgeld bezahlen, um eidgenössisch diplomierte «Hôtelière/Restauratrice HF» zu werden.
Nach dem vierwöchigen «Basiskurs Service» fühlte sich Peroni vom Unterricht zunehmend überfordert. «Mir ging es von Tag zu Tag schlechter», so die junge Frau. Sie litt unter Angstzuständen, Schlafstörungen und Depressionen.
Sie suchte eine Psychiaterin auf und kündigte schliesslich Anfang Jahr auf deren Rat den Ausbildungsvertrag. Zwei Monate später erhielt sie von der Schule eine Schlussrechnung über 26 548 Franken. Mit dem Hinweis auf eine Vertragsklausel, wonach das Schulgeld auch geschuldet sei, wenn der Student die Schule – unabhängig von seinem Verschulden – nicht beenden könne.
Gute Chancen vor Gericht
Peroni wandte sich an ihre Rechtsschutzversicherung Assista TCS. Die dort angestellte Anwältin setzte sich zuerst für sie ein. Der Anwalt der Schule hielt jedoch an der Forderung fest. Da machte die Assista-Anwältin eine Kehrtwende und riet Peroni, einen aussergerichtlichen Vergleich zu unterschreiben, mit dem sie den geforderten Betrag anerkannte. Peroni wollte eine Betreibung verhindern und unterschrieb.
Das hätte sie nicht tun sollen: Laut dem Freiburger Privatrechtsprofessor Franz Werro hätte sie sich vor Gericht erfolgreich gegen die Forderung wehren können: «Sowohl der Gegenanwalt als auch die Assista scheinen klar eine falsche Position zu vertreten.» Gemäss langjähriger Praxis des Bundesgerichts könne man einen Ausbildungsvertrag jederzeit kündigen. Dieses Recht dürfe nicht eingeschränkt werden. Zudem habe Peroni aus gesundheitlichen Gründen gekündigt. Bei einer Kündigung aus wichtigem Grund sei nie eine Zahlung geschuldet.
Die Assista TCS hält laut Pressesprecher Stephan Müller an ihrer Einschätzung der Erfolgsaussichten fest. Ein externer Anwalt habe diese «ebenfalls als gering eingestuft».
Tipp: Ein Schiedsverfahren verlangen
Eine Rechtsschutzversicherung muss bei Rechtsstreitigkeiten die Anwalts- und Gerichtskosten übernehmen, sofern das entsprechende Rechtsgebiet versichert und der Fall nicht aussichtslos ist.
In den letzten Jahren haben die Versicherungen immer mehr Juristen angestellt und versuchen, Streitfälle aussergerichtlich zu erledigen. Dabei stehen sie in einem Interessenkonflikt: Als Unternehmen sind die Rechtsschutzversicherungen an einer möglichst raschen und günstigen Erledigung interessiert, während die Versicherten in einem Gerichtsverfahren ohne Kostenrisiko nichts zu verlieren haben, sondern nur gewinnen können.
Erachtet eine Rechtsschutzversicherung ein gerichtliches Vorgehen als chancenlos, kann der Versicherte ein Schiedsverfahren verlangen. Ein neutraler Schiedsrichter entscheidet dann über die strittige Frage – nicht die Gesellschaft.
Orientiert eine Versicherung den Kunden nicht über die Möglichkeit eines Schiedsverfahrens, muss sie die Prozesskosten so oder so tragen. Wer einen aussergerichtlichen Vergleich unterschreibt, verzichtet jedoch auf diesen Anspruch.