Viele Konsumenten wissen nicht, dass ihr Brot aus einer ausländischen Backstube stammt. Im vergangenen Jahr importierte die Schweiz laut Zollstatistik 142 000 Tonnen Backwaren. Vor zehn Jahren waren es ein Drittel weniger. Bei den importierten Backwaren handelt es sich in erster Linie um Aufbackprodukte und Sandwichbrote, zudem um ausländische Spezialitäten wie Baguettes und Brioches aus Frankreich, Brezeln aus Bayern oder Focaccia aus Italien.
Künftig müssen Läden schriftlich angeben, woher ihre Brote und Backwaren stammen. Das Parlament hat vergangene Woche eine Deklarationspflicht für Brot und Backwaren beschlossen.
Bei Lidl Schweiz machen die ausländischen Backwaren 25 Prozent des Brotsortiments aus. Doch die neue Regelung dürfte dort kaum zu Veränderungen führen, meint der Discounter. Denn Lidl schreibt auf seinen Backwaren bereits heute die Herkunft an.
Bei Coop und Migros sei einheimisches Brot «in den meisten Fällen» bereits gekennzeichnet, schreibt die IG Detailhandel. Coop importiert nach eigenen Angaben deutlich weniger als zehn Prozent der Brotwaren. Bei der Migros sind es weniger als fünf Prozent.
Eingeführt wird die neue Deklarationspflicht auf Vorschlag der Branchenverbände. Der Verein Schweizer Brot will mit der neuen Regelung Absatz und Konsum des Schweizer Brotes fördern – und das Schweizer Brot mit einer Marke schützen. Damit soll ein «Mehrwert» des Schweizer Brotes besser verkauft werden.
Nur: Worin besteht der Mehrwert von Schweizer Brot? Laut Stephan Scheuner, Direktor des Verbandes der Brotbranche Swiss Granum, sind das die lokale Verarbeitung, die höhere Qualität des Schweizer Getreides und Mehls sowie die Geschmacksvielfalt.
Mehl-Qualität ist keine Frage der Herkunft
Laut Lidl trifft es nicht zu, dass Backwaren aus dem Ausland qualitativ schlechter sind. Der Discounter sagt auf Anfrage des K-Tipp: «Die importierten Spezialitäten stehen der Qualität unserer Schweizer Produkte in keiner Hinsicht nach.»
Der K-Tipp hat Weissmehl zuletzt vor fünf Jahren getestet. Ergebnis: Die beiden Testsieger mit der Note «sehr gut» von Migros und Coop stammten aus der EU und aus Kanada. Sämtliche Produkte aus der EU und aus Nordamerika finden sich in der oberen Tabellenhälfte des Tests (K-Tipp 5/2016). Das spricht klar für eine insgesamt bessere Qualität des ausländischen Weissmehls.
Geht es also bei der Deklarationspflicht und der geplanten geschützten Marke eher darum, Schweizer Brot gegenüber ausländischem Brot künftig teurer zu verkaufen – ähnlich wie beim Fleisch? Auf diese Frage angesprochen, weicht Scheuner aus: «Wir sind in die Preisbildung nicht eingebunden.»
Ein Bäcker aus Österreich bestätigt den Verdacht des K-Tipp. Er kennt den Schweizer Markt gut, möchte aber anonym bleiben. «Eine Marke als Verkaufsinstrument geht immer einher mit einem höheren Preis», sagt er.
Tatsächlich sind bereits heute erhebliche Preisunterschiede auszumachen, wo Importbackwaren als solche gekennzeichnet sind – oft bei abgepackten Produkten. Beispiel: Coop verkauft Toastbrot des österreichischen Bäckers Ölz für 49 Rappen pro 100 Gramm. Die eigenen, in der Schweiz hergestellten «Qualité & Prix» Toastscheiben hingegen kosten 78 Rappen pro 100 Gramm – fast doppelt so viel. Pikant: Der Rohstoff ist beide Male der gleiche, nämlich Schweizer Mehl. Coop sagt zum Preisunterschied, es handle sich um einen unterschiedlichen Produktionsprozess. Der eigene Toast enthalte zudem Butter.
Für den Brotexport fliesst Steuergeld
Fakt ist: Die Brot-Lobby belastet bereits heute den Geldbeutel. Gemäss Zahlen des Verbandes der Getreideproduzenten subventionieren die Steuerzahler den Export von rund 50 000 Tonnen inländischem Brotgetreide mit 16 Millionen Franken jährlich. Von diesen Subventionen profitieren Hug, Hilcona, Nestlé und Co.: Sie setzen das Getreide in Form von Schweizer Guetsli profitabel im Ausland ab.