Ein unrühmlicher Rekord: Fast 140 Gramm Kohlendioxid (CO2) pro Kilometer stossen Neuwagen durchschnittlich aus, die in der Schweiz verkauft werden. Das ist beinahe doppelt so viel wie bei den Neuwagen in Norwegen – und 14 Prozent mehr als im europäischen Durchschnitt. Die Schweiz ist europaweit das Schlusslicht.
Lange Zeit sank der CO2-Ausstoss der Neuwagen in der Schweiz. Doch 2017 stieg er plötzlich wieder – und zwar um 0,4 Prozent. 2018 betrug die Zunahme bereits 2,8 Prozent. Für vergangenes Jahr liegen noch keine Daten vor.
Die unerfreulichen Zahlen erstaunen nicht. Denn die Schweizer kaufen gerne grosse, schwere und luxuriöse Autos. Das zeigt ein Vergleich mit der EU:
2017 wog ein Neuwagen in der EU im Durchschnitt knapp 1400 Kilo, in der Schweiz hingegen 1600 Kilo.
Ein Neuwagen in der EU leistete 130 PS, in der Schweiz 180 PS.
Aufschlussreich auch: Das durchschnittliche Gewicht der Neuwagen ist in der Schweiz seit 1990 um 40 Prozent gestiegen. Die Folge: Ein Viertel der Neuwagen, die in der Schweiz verkauft werden, ist mit der Energieetikette G versehen – das ist die schlechteste (K-Tipp 20/2019). Die Etikette soll Autokäufern zeigen, wie klimafreundlich ein Wagen ist.
Dass zwischen Preis und CO2-Ausstoss ein Zusammenhang besteht, zeigen die Zahlen des Bundesamts für Energie: Es untersuchte, wo die schwersten Autos gekauft werden. Ergebnis: im Kanton Zug. Auch die teuersten und die schmutzigsten Autos werden im Kanton Zug erworben.
46 Prozent in der Effizienzklasse G
Warum kaufen die Schweizer solche Dreckschleudern? Das dürfte auch mit der Geschäftspolitik des Autogewerbes zu tun haben. Beispiel Garagisten: Der K-Tipp hat 27 Garagen im Kanton Bern besucht. In den Ausstellungsräumen standen 219 Autos. 100 waren mit der schlechtesten Energieetikette G versehen. Das sind 46 Prozent. Mit der besten Energieetikette A waren nur 13 Autos ausgestellt – 6 elektrische, 7 mit Verbrennungsmotor.
Am einseitigsten war das Angebot in der Mercedes-Garage Merbag in Bern: Von 18 Autos trugen 14 die Energieetikette G. Und die vier anderen waren auch nicht viel besser – sie waren mit E und F versehen. «Unser Angebot im Ausstellungsraum richtet sich hauptsächlich nach der Nachfrage unserer Kunden», schreibt die Merbag dazu dem K-Tipp.
Ähnlich das Bild in den Audi-Ausstellungsräumen der Amag in Bern. Die Amag wollte nicht sagen, warum sie so viele Autos mit hohem CO2-Ausstoss ausstellt. Keine Antwort gab es auch auf die Frage, ob Audi gar keine attraktiven Modelle mit niedrigem CO2-Ausstoss im Sortiment habe.
Auch im Verkaufsgespräch informieren Garagenangestellte einseitig. Das zeigte im vergangenen Frühjahr eine K-Tipp-Stichprobe bei zehn Garagen der Marken VW, Skoda, Mercedes, BMW, Seat und Ford. Der K-Tipp-Redaktor interessierte sich jeweils für Autos in günstiger Ausführung. Aber alle Verkäufer versuchten ihn von einem kräftigeren Motor zu überzeugen, von einer edleren Ausstattung und von allerlei aufpreispflichtigem Firlefanz. Denn damit verdient die Garage mehr.
Importeure beeinflussen Medien
Auch die Importeure werben ungeniert für ihre schmutzigsten Autos. Der K-Tipp hat während eines halben Jahres Inserate in Zeitungen und Zeitschriften untersucht. 41 Prozent der beworbenen Autos trugen die Energieetikette F, weitere 27 Prozent sogar die Energieetikette G. Zusammen also 68 Prozent. Dabei machen diese schmutzigen Autos «nur» 28 Prozent der in der Schweiz angebotenen Modelle aus.
Die Importeure schalten nicht nur Inserate – ihr Einfluss reicht bis zu den Autozeitschriften. Diese testen diejenigen Autos, die ihnen die Importeure gratis als Testwagen zur Verfügung stellen. So auch die «Automobil-Revue». Der K-Tipp wertete die Tests von Mitte Oktober bis Mitte November aus. Dabei zeigte sich: Von den neun getesteten Autos waren sieben mit der schlechtesten Energieetikette G versehen. Hinzu kamen Fahrberichte über einen Aston Martin für 185 000 Franken und einen Bentley für 240 000 Franken.
Wer ein Auto kaufen will, sollte sich von der Werbung nicht beeinflussen lassen, sich aber folgende Fragen stellen:
- Reicht auch ein kleinerer Motor?
- Tut es auch eine einfachere Ausstattung?
- Gehts auch ohne Allradantrieb?
Wer alle drei Fragen mit einem Ja beantwortet, ist auf dem besten Weg, viel Geld zu sparen – beim Kauf, bei den Motorfahrzeugsteuern und an der Zapfsäule. Das zeigt ein K-Tipp-Vergleich der drei meistverkauften Autos – Skoda Octavia, VW Tiguan und VW Golf.
Beispiel Octavia: Den Familien-Kombi gibts in 18 Ausführungen. Die Preise reichen von 26 000 bis 43 000 Franken, die Leistung von 116 bis 245 PS und der Verbrauch von 5,7 bis 8,7 Liter pro 100 Kilometer. Der K-Tipp hat drei Ausführungen verglichen – die günstigste, eine durchschnittliche und die teuerste (siehe Tabelle im PDF).
Dabei zeigt sich: Der kleinste Motor ist mehr als ausreichend. Er beschleunigt den Familien-Kombi in zehn Sekunden von 0 auf 100. Und vor allem: Der günstigste Octavia braucht am wenigsten Benzin. Er stösst auch am wenigsten CO2 aus.
Er ist deshalb auch bei den Motorfahrzeugsteuern der Günstigste – egal, ob sich diese nach dem Gewicht oder dem Hubraum bemessen. Und erst recht in Kantonen, in denen es einen Rabatt für Fahrzeuge mit der Energieetikette A gibt, zum Beispiel Bern oder Thurgau.
CO2 und der Verbrauch von Treibstoff
Kohlendioxid (CO2) ist das Abgas, das am stärksten zur Erderwärmung beiträgt. Es entsteht bei der Verbrennung von Treibstoffen wie Benzin, Diesel oder Kerosin sowie von Brennstoffen wie Heizöl oder Erdgas.
Bei Autos eignet sich der CO2-Ausstoss gut als Vergleichsgrösse. Denn er ist proportional zum Benzinverbrauch (2,3 kg pro Liter) respektive zum Dieselverbrauch (2,6 kg pro Liter). Das heisst: Ein Auto mit hohem Verbrauch stösst auch viel CO2 aus.