Seitensprung - für manche nur ein Blechschaden
Fremdgehen ist für viele Menschen nur ein Kavaliersdelikt. Tatsache ist aber: Ein Seitensprung setzt die Beziehung einer grossen Zerreissprobe aus.
Inhalt
Haus & Garten 3/2004
30.06.2004
ESTHER DIENER MORSCHER
Einmal (wieder) das Spiel des Flirtens bis zum Ende spielen. Das Kribbeln sexueller Anziehung ausserhalb der Beziehung spüren: Viele Männer und Frauen nehmen es mit der Treue nicht so genau. Doch nach dem kurzen Rausch des Abenteuers brechen in der Paarbeziehung oft Welten zusammen.
Trotzdem ist Fremdgehen für viele Menschen nur ein Kavaliersdelikt - vergleichbar mit einer Beule am Auto: Früher oder später passiert das jedem einmal.
Ganz so präsentiert sich die Anzahl...
Einmal (wieder) das Spiel des Flirtens bis zum Ende spielen. Das Kribbeln sexueller Anziehung ausserhalb der Beziehung spüren: Viele Männer und Frauen nehmen es mit der Treue nicht so genau. Doch nach dem kurzen Rausch des Abenteuers brechen in der Paarbeziehung oft Welten zusammen.
Trotzdem ist Fremdgehen für viele Menschen nur ein Kavaliersdelikt - vergleichbar mit einer Beule am Auto: Früher oder später passiert das jedem einmal.
Ganz so präsentiert sich die Anzahl der Seitenspringer in Wirklichkeit aber nicht. Zumindest wenn man den zahlreichen Umfragen Glauben schenkt. Bei diesen Erhebungen schwanken die Fremdgänger-Zahlen zwischen einem Viertel und der Hälfte aller Befragten, wobei Männer etwas «fleissiger» sind als Frauen. Ein knappes Drittel der Männer und ein knappes Viertel der Frauen haben schon einen Seitensprung gemacht - so ein Umfrageergebnis der «Schweizer Illustrierten».
Eine Befragung im Auftrag des Nachrichtenmagazins «Facts» lieferte höhere Werte: Dort gestanden 36 Prozent der Frauen und 44 Prozent der Männer, Sex ausserhalb der festen Beziehung gehabt zu haben. Interessant: Auch viele, die nicht fremdgehen, würden es gerne tun. 72 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer möchten ein Sexabenteuer erleben, so sie Gelegenheit hätten.
Solche Umfrageergebnisse sind aber mit Vorsicht zu geniessen. Die Psychologin und Buchautorin Julia Onken warnt: «Nirgends wird so viel geschummelt und gelogen wie bei diesem Thema!»
Egal, wie häufig tatsächlich fremdgegangen wird: Eine seltene Ausnahme ist der Seitensprung aus der Beziehungsroutine nicht. Deshalb tauchen schnell einmal Fragen auf, zum Beispiel: Kann man Seitensprüngen eigentlich vorbeugen? Soll man sie beichten? Ist es sogar besser, einander die Freiheit zur Untreue zu lassen? Diese und weitere Fragen stellte Spezial einem Experten für Paarfragen, Professor Guy Bodenmann.
15 Antworten auf Fragen zum Thema liefert Professor Guy Bodenmann, Direktor des Instituts für Familienforschung und -beratung der Universität Freiburg und Experte in Paarfragen.
Warum werden Männer und Frauen untreu?
Es gibt viele Gründe: der Wunsch nach einem sexuellen Abenteuer, persönliche Krisen, Unzufriedenheit in der Partnerschaft, Bedürfnis nach Abwechslung und Aufregung, Selbstbestätigung, Rache für einen Seitensprung des Partners oder sich in jemand Neuen verlieben.
Gehen Frauen aus anderen Gründen fremd als Männer?
Frauen gehen häufiger eine Aussenbeziehung ein, weil sie mit der Partnerschaft unzufrieden sind. Das spielt für die Männer in der Regel weniger eine Rolle. Männer sind häufiger am sexuellen, Frauen am gefühlsmässigen Aspekt einer Aussenbeziehung interessiert.
Gibt es Paare, die sich immer treu sind?
Ja, durchaus. Treu sein kann man aus verschiedenen Gründen: Weil der Sexualtrieb gering ist, weil man hohe moralische oder religiöse Standards hat, weil man in der aktuellen Beziehung zufrieden ist oder - nicht zuletzt -,weil sich keine Gelegenheiten bieten. Viele Menschen kommen aber auch zum Schluss, dass sich ein sexuelles Abenteuer nicht lohnt, weil es die Beziehung gefährden könnte.
Gibt es Frauen und Männer, die besonders anfällig sind für Seitensprünge?
Ja. Personen mit einem starken sexuellen Trieb, liberalen Überzeugungen, vielen sich bietenden Gelegenheiten und einer schwachen Impulskontrolle haben ein erhöhtes Risiko. Hinzu kommt, dass man durch Unzufriedenheit oder eine unbefriedigende Sexualität mit dem aktuellen Partner eher in Versuchung gerät.
Kann man einem Seitensprung vorbeugen?
Häufig ist es entscheidend, sich im rechten Moment der Gefahren bewusst zu werden und heikle Situationen zu vermeiden: Etwa, jemanden nachts nach Hause zu fahren und dann für einen Drink mit in die Wohnung zu gehen.
Gehen Partner im berühmten, verflixten siebten Jahr der Beziehung besonders häufig fremd?
Studien zeigen, dass das Risiko für Seitensprünge und Aussenbeziehungen mit der Dauer der Beziehung steigt. Es gibt jedoch kein verflixtes Jahr in diesem Sinne.
Liegt es in der Natur des Menschen, fremdzugehen?
Es gibt psycho-biologische Theorien, die besagen, dass es in der Natur des Mannes liegt, sich möglichst breit fortzupflanzen. Angesichts seines lebenslangen, schier unerschöpflichen Reservoirs an Spermien wäre das theoretisch auch möglich.
Frauen sind hingegen wegen der beschränkten Anzahl von Eizellen stärker an der Treue des Partners und am Investieren in die Beziehung interessiert. Ich denke aber, dass nicht nur die Biologie, sondern auch die gesellschaftlichen und persönlichen Normen darüber entscheiden, ob jemand untreu wird.
Soll man sich der Versuchung, untreu zu werden, widersetzen?
Wenn jemand hohe moralische Standards hat oder einfach seinem Partner nicht weh tun möchte, kann es besser sein, sich dagegen zu wehren. Es ist nicht einfach, mit den Schuldgefühlen fertig zu werden.
Klappen Beziehungen, in denen man sich die Freiheit zu Seitensprüngen lässt?
Studien zeigen, dass rund 10 Prozent der Partnerschaften sexuell freizügig gestaltet werden. Wenn beide Partner mit diesem Modell einverstanden sind und es nicht auf Kosten des einen oder anderen geht, kann das funktionieren.
Bedeutet ein Seitensprung in der Regel das Ende einer Beziehung?
Nicht unbedingt. Ein Seitensprung kann der Auslöser für eine Trennung oder Scheidung sein, wenn die Beziehung bereits vorher zerrüttet war. Er kann aber auch einen Neubeginn bedeuten.
Kann eine Beziehung nach einem Seitensprung wieder so gut werden wie vorher?
Ja, im Prinzip schon. Falls das Paar aus dem Seitensprung etwas gelernt hat und imstande ist, eine neue, tragfähige und vertrauensvolle Grundlage für die Beziehung zu schaffen.
Soll man einen Seitensprung beichten oder versuchen, ihn zu verheimlichen?
Diese Frage muss jeder sich selber beantworten. Es gibt keine richtige oder falsche Antwort.
Wie soll der betrogene Partner auf ein Geständnis reagieren?
Häufig ist die erste Reaktion Schock, Erschütterung, Enttäuschung. Aber auch Wut oder Hass können hochkommen. Danach stellt sich häufig Traurigkeit und Verzweiflung ein.
Durch die Untreue wird die Illusion zerstört, dass Sexualität und Nähe exklusiv an die eigene Partnerschaft gebunden sind. Deshalb sind heftige emotionale Reaktionen in der ersten Phase normal. Danach sollten beide Partner im Gespräch eine Klärung suchen und Lösungen finden, wie sie gemeinsam die schwierige Situation bewältigen können.
Wie verarbeitet man den Seitensprung des Partners am besten?
Zum einen müssen Betroffene Schmerz und Enttäuschung bewältigen, zum anderen aber auch dem Partner verzeihen können. Ohne dieses Verzeihen ist kein Neuanfang in der Beziehung möglich. Beide müssen sich eingestehen, dass jeder Mensch seine Stärken und Schwächen hat.
Warum ist für die meisten die Untreue des Partners so schlimm?
Weil jeder Mensch ein starkes Bedürfnis nach Liebe, Geborgenheit und emotionaler Sicherheit hat. Bei vielen Menschen steht Treue für diese Aspekte in der Partnerschaft. Hinzu kommt, dass man sexuell exklusiv sein möchte und Sexualität und feste Partnerschaft in unserem Kulturkreis über lange Zeit aufgrund gesellschaftlicher und religiöser Definition zusammengehörten.
«Sexuell ist nichts gelaufen. Sie war liiert und wollte nicht. Aber mein Herz ging fremd» - Peter, 40
«Es war ein Ausrutscher - ohne tiefere Bedeutung. Ich hatte schlicht zu viel Wein» - Ines, 25
Bücher zum Thema
- Guy Bodenmann: «Beziehungskrisen. Erkennen, verstehen, bewältigen», Huber, Fr. 29.80
- Guy Bodenmann: «Stress und Partnerschaft. Gemeinsam den Alltag bewältigen», Huber, Fr. 34.90