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K-Tipp 12/2017
13.06.2017
Peter Salvisberg
Die Zeilen der 83-jährigen Frau aus Luzern rührten mich. Sie schrieb: «In letzter Zeit haben Sie einige Kopien meiner Briefe an Post und Swisscom erhalten. Ich denke, dass mich so wenigstens 1 Person begreift.» Tatsächlich hatte mir die Luzernerin in den letzten Monaten mehrmals Kopien ihrer Briefe an Service-public-Betriebe geschickt. Grund: An die Frau adressierte Post landete wiederholt in der Nachbarschaft, in der Telefonleitung ist der Wurm ...
Die Zeilen der 83-jährigen Frau aus Luzern rührten mich. Sie schrieb: «In letzter Zeit haben Sie einige Kopien meiner Briefe an Post und Swisscom erhalten. Ich denke, dass mich so wenigstens 1 Person begreift.» Tatsächlich hatte mir die Luzernerin in den letzten Monaten mehrmals Kopien ihrer Briefe an Service-public-Betriebe geschickt. Grund: An die Frau adressierte Post landete wiederholt in der Nachbarschaft, in der Telefonleitung ist der Wurm drin – und nun soll auch noch ihre Postfiliale geschlossen werden.
Ein Jahr nach der Abstimmung über die Initiative Pro Service public vergeht kein Tag, ohne dass neue Postschliessungen bekannt werden. Der Kahlschlag bei der Post ist richtig in Fahrt gekommen. Auffallend: Die dafür letztlich verantwortliche Bundesrätin Doris Leuthard ist in Sachen Post abgetaucht. Sie weiss wohl: Mit dem Serviceabbau sind bei der Bevölkerung keine Sympathien zu gewinnen.
Trotz 600 Poststellen weniger wurde gegenüber der Bundesrätin die Frage nie thematisiert: Warum hat sie das Stimmvolk vor der Abstimmung nicht darüber informiert? Fürchtete der Bundesrat, die Initiative würde dann angenommen? Oder wurde die Bundesrätin von der Post nicht in die Pläne eingeweiht?
Letzteres ist kaum vorstellbar. Sonst hätte die Bundesrätin die Manager nicht im Griff. Sie könnte als Vertreterin der einzigen Aktionärin – der Eidgenossenschaft – den Verantwortlichen der Post nämlich Weisungen erteilen oder den Verwaltungsrat umbesetzen. Das macht Leuthard aber nicht. Sie schaut zu und scheint den Kahlschlag zu unterstützen. Ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Bundesrätin die Information über den Poststellenabbau vor der Abstimmung bewusst zurückhielt. Weil sie befürchtete, dass das Volk die Initiative unterstützen würde.
Übrigens: Gemäss Artikel 9 der Bundesverfassung haben die Schweizer das Recht, von den Behörden «nach Treu und Glauben» behandelt zu werden.