Beispiel Chips: Auf dem Lidl-Produkt Crusti Croc Zwiebelringe sieht man eine frische Zwiebel und frittierte Zwiebelringe (Bild unten rechts). Wer den Sack öffnet, findet aber keinen einzigen Zwiebelring. Es handelt sich um ein Gebäck, das hauptsächlich aus Maisgriess und Sonnenblumenöl besteht. Zwiebeln sind bloss als Pulver enthalten und machen nicht einmal 3 Prozent des Snacks aus. Das erfährt man nur im Kleingedruckten auf der Rückseite der Packung. Lidl schreibt, die Abbildung sei keine Täuschung der Konsumenten.
Auch Zweifel bildet bei seinen Snacketti Onion Rings Zwiebeln ab – dabei hats nur Zwiebelpulver drin. Laut Zweifel zeigen die abgebildeten Ringe «eher ein gebackenes Produkt als einen im Teigmantel frittierten Zwiebelring».
Hier weitere Beispiele, bei denen auf der Verpackung unhaltbare Versprechungen gemacht werden:
Mini Babybel au chèvre bei Leshop.ch
Ziegenkäse aus Kuhmilch
Auf der grünen Folie und der Etikette lächelt dem Käufer eine weisse Ziege entgegen. Und auch der Aufdruck «au chèvre» macht deutlich: Hier handelt es sich um Ziegenkäse. Ziegenmilch ist zwar drin, aber nur sehr wenig. 90 Prozent des Inhalts machen Kuhmilch, Wasser und Aroma aus. Nur ein Zehntel besteht aus Ziegenfrischkäse.
Rechtfertigung: Das Produkt hat laut Hersteller Bel Suisse SA eine «veraltete Etikette». Auf der neuen ist der Ziegenkopf tatsächlich nicht mehr abgebildet. Aber auf der Folie der einzelnen Käseportionen prangt nach wie vor die Ziege, «um Verwechslungen zu vermeiden».
Magerjoghurt Saison 1 Ananas-Maracuja von Hirz
Wenig Saft statt vieler ganzer Früchte
Auf dem Deckel und dem Plastikbecher sind neben Ananas auch grosse Passionsfrüchte (Maracujas) abgebildet. Doch der Maracuja-Anteil ist minim – er macht nur gerade 1,1 Prozent des Inhalts aus. Und wer die Passionsfrüchte im Joghurt sucht, wird gleich nochmals enttäuscht: Sie kommen nämlich nur als Saft vor.
Rechtfertigung: Hersteller Nestlé gibt zu, dass die «Maracuja auf der Verpackung überproportional vertreten» ist. Es handle sich um ein saisonales Produkt, das nur noch bis Ende März im Sortiment sei. Darum habe man von einer Verpackungsanpassung abgesehen.
Müesli-Riegel Himbeer von Aldi
Himbeerpaste aus Äpfeln und Weizen
Frische Himbeeren prangen vorne, hinten und auf der Seite der Verpackung. Diese Früchte findet man jedoch nur als Teil einer Fruchtpaste. Diese enthält gemäss Deklaration auch «Äpfel, Fruktose, Glukosesirup, Zucker, Weizenfaser, pflanzliches Fett, färbenden Frucht- und Gemüsesaft, Geliermittel und natürliches Aroma».
Rechtfertigung: Laut Aldi kann die Verpackung gemäss Gesetz als «handelsüblich und verkehrsfähig» eingestuft werden. Bei der Darstellung handelt es sich um einen «marktüblichen Serviervorschlag mit Sachbezeichnung».
Le Petit Dessert Pfirsich-Birne von Milupa
Ein Brei aus dreissig Zutaten
Die Verpackung des Gerichts für Babys wird von Pfirsichen und Birnen in Bild und Text dominiert. Was vordergründig wie ein Früchtebrei aussieht, ist laut dem Kleingedruckten ein Gemisch aus fast 30 Zutaten, wie Magermilchpulver, gegärter Molke, Rahm, Zucker usw. Pfirsiche und Birnen machen nur 5 Prozent des Inhalts aus.
Rechtfertigung: Milupa bezeichnet ihr Produkt als «Milchdessert mit Früchten». Die Abbildung der Früchte ermögliche es Kunden, «die jeweilige Geschmacksrichtung schnell zu erkennen».
Tee Cherry von Coop
Kirschentee mit Apfel- und Orangenschalen
«Cherry» heisst auf Deutsch Kirsche, und solche sind auf der Packung auch zahlreich abgebildet. Doch die angepriesenen Früchte sind in diesem Tee gar nicht enthalten. Statt Kirschen werden Apfelstücke sowie Schalen von Orangen, Hagebutten und Äpfeln beigemengt. Damit der Tee dennoch nach Kirsche schmeckt, mischt der Hersteller «Kirschensaftkonzentratpulver» bei.
Rechtfertigung: Gemäss Coop ist dieses Pulver auch in sehr kleinen Mengen «geschmacksgebend». Zudem enthalte die Verpackung den Hinweis «mit Kirschengeschmack», womit klar sei, dass zusätzlich Aroma beigefügt werde.
Selektion Basilikum Olive von Aldi
Olivenpaste fast ohne Oliven
Auf dem Deckel des Brotaufstrichs sind schwarze Oliven in Olivenöl abgebildet. Über der Zutatenliste steht zudem «Basilikum-Oliven-Brotaufstrich». Für den Konsumenten scheint klar: Hier steckt viel Olive drin. Die Realität sieht anders aus: Der Inhalt besteht nur zu 2 Prozent aus Olivenöl. Der Rest ist unter anderem Sauerrahm, Quark, Kokosfett, Rapsöl, Verdickungsmittel, Zucker usw.
Rechtfertigung: Da das Olivenöl aus Oliven gewonnen werde, sind die abgebildeten Oliven im Olivenöl laut Aldi «auch eine durchaus gängige Beschreibung».
Stocki Express Broccoli mit Crème fraîche von Knorr
Ein halbes Gramm Broccoli-Röschen
Knorr lockt mit ganzen Broccoli-Röschen auf der Verpackung, die in seinem Kartoffelstock vorhanden sein sollen. Im Beutel steckt effektiv aber nur 1 Prozent Broccoli. Das ist nicht einmal ein halbes Gramm. Zum Vergleich: Ein einziges Broccoli- Röschen wiegt schnell das Zehnfache.
Rechtfertigung: Die Grösse der Broccoli-Stückchen könne, so Hersteller Knorr, im zubereiteten Gericht «natürlich variieren».
Farmer Joghurt Crunchy Pecan von der Migros
Nicht einmal eine halbe Nuss
Mehrere Pecannüsse im Bild und der Name Crunchy Pecan erwecken den Eindruck, dass in diesem Joghurt auch wirklich Pecannüsse enthalten seien Die tatsächlich vorhandenen 0,6 Prozent reichen jedoch kaum für eine halbe Nuss.
Rechtfertigung: Für Migros sind die Abbildungen ein sogenannter «Serviervorschlag». Immerhin verspricht der Grossverteiler, dass der Anteil Pecannüsse im zweiten Quartal dieses Jahres auf 1,5 Prozent erhöht werde.
Amtliches Schweigen
Eigentlich sind Kennzeichnung und Anpreisung von Lebensmitteln klar geregelt: Sie «müssen den Tatsachen entsprechen bzw. dürfen nicht zur Täuschung über Natur, Herkunft, Herstellung, Produktionsart, Zusammensetzung, Inhalt und Haltbarkeit (…) Anlass geben». So steht es in der Lebensmittelverordnung.
Für die Kontrolle sind die kantonalen Labors zuständig. Otmar Deflorin, Präsident des Verbands der Kantonschemiker, will sich nicht zu den Beispielen des K-Tipp äussern: «Es entspricht nicht dem Vorgehen der kantonalen Vollzugsbehörden, Etiketten gegenüber Dritten oder gegenüber den Medien zu beurteilen. Entspricht ein Produkt nicht den lebensmittelrechtlichen Vorgaben, interveniert der zuständige Kantonschemiker direkt beim verantwortlichen Betrieb.»
Mit andern Worten: Lebensmittelhersteller, die sich nicht an die Gesetze halten, werden von den Behörden diskret darauf aufmerksam gemacht. Die Konsumenten erfahren nichts.