«Sie sagten immer nur Invalido»
Ungültige Boardingpässe, geschlossene Schalter: Vier Sprachschülerinnen kamen fast zwei Tage zu spät ans Ziel. Doch die Lufthansa kümmerte das erst, als der K-Tipp intervenierte.
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K-Tipp 11/2004
02.06.2004
Thomas Müller - tmueller@ktipp.ch
Die erste grosse Auslandreise wird den vier jungen Frauen wohl ewig in Erinnerung bleiben. Nicht nur wegen der vielen eindrücklichen Erlebnisse während ihres Sprachaufenthalts in Venezuela. Sondern vor allem wegen der Anreise.
Die deutsche Lufthansa sollte sie von Zürich via Frankfurt nach Caracas fliegen. Doch die Reise stand von Anfang an unter einem schlechten Stern: «Wir flogen mit viel Verspätung in Zürich ab - und verpassten dadurch in Frankfurt den Anschluss», erzäh...
Die erste grosse Auslandreise wird den vier jungen Frauen wohl ewig in Erinnerung bleiben. Nicht nur wegen der vielen eindrücklichen Erlebnisse während ihres Sprachaufenthalts in Venezuela. Sondern vor allem wegen der Anreise.
Die deutsche Lufthansa sollte sie von Zürich via Frankfurt nach Caracas fliegen. Doch die Reise stand von Anfang an unter einem schlechten Stern: «Wir flogen mit viel Verspätung in Zürich ab - und verpassten dadurch in Frankfurt den Anschluss», erzählt Denise Anderegg aus Au ZH.
In Mexiko-Stadt ging gar nichts mehr
Sie und ihre drei Freundinnen wurden deshalb am Flughafen Frankfurt auf den Lufthansa-Flug nach Mexiko-Stadt umgebucht. Von dort sollte die Reise mit der mexikanischen Fluggesellschaft Mexicana weitergehen nach Caracas.
Sollte. Denn die Angestellten von Mexicana akzeptierten den in Frankfurt ausgestellten Boardingpass für den Weiterflug nicht. «Sie sagten immer nur Invalido - also ungültig», erinnert sich Anderegg.
Für die 19-Jährige ist klar: «Der Fehler passierte an einem der Schalter in Frankfurt, zwischen denen wir hin- und hergeschickt wurden, um unsere Tickets umschreiben zu lassen.» Lufthansa wollte zum Sachverhalt nicht Stellung nehmen. Die Airline liess den K-Tipp lediglich wissen, dass sie den Vorfall «ausserordentlich» bedaure.
Das ist wohl das Mindeste, denn die gestrandeten Kundinnen waren gezwungen, in einem Warteraum des Flughafens Mexiko-Stadt zu übernachten. Am nächsten Morgen - der Lufthansa-Schalter war seit ihrer Ankunft geschlossen - suchten sie Hilfe im Büro des Airline-Bündnisses Star Alliance, zu dessen Mitgliedern die Lufthansa gehört.
Der dortige Angestellte verwies sie an die Lufthansa-Filiale im Stadtzentrum, wohin sich die vier Frauen per Taxi bringen liessen. Vergeblich. «Man wusste zwar bereits über unsere Situation Bescheid, konnte uns aber nicht helfen und schickte uns zurück in ein schwer auffindbares Büro am Flughafen», erzählt Anderegg.
Dort endlich hatte die Odyssee ein vorläufiges Ende: Die vier Reisenden erhielten ihre lang ersehnten gültigen Boardingpässe und machten sich auf den Weg nach Venezuela, wo sie mit inzwischen 35-stündiger Verspätung morgens um halb sechs ankamen.
Ende gut, alles gut? Mitnichten. Denn Lufthansa hatte das bereits eingetroffene Gepäck eingeschlossen - und der entsprechende Schalter öffnete erst um 13.30 Uhr, also acht Stunden später.
Was Anderegg am meisten ärgert: «Der Lufthansa-Supervisor in Mexiko-Stadt hatte uns informiert, dass wir in Caracas acht Stunden aufs Gepäck warten müssten. Aber er hielt es nicht für nötig, seine Kollegen in Venezuela zu bitten, den Schalter früher zu öffnen.»
Überhaupt fühlten sich die jungen Frauen von den Mitarbeitern der Lufthansa nicht ernst genommen. Diese Interesselosigkeit zeigt sich auch im Schreiben, mit dem der Kundendienst der Airline auf ihre Reklamation reagierte.
Weder Essens- noch Taxikosten erstattet
Zwar bedauerte man wortreich die entstandenen Unannehmlichkeiten, wollte jedoch nicht einmal die Auslagen für Verpflegung und Taxi während des unplanmässigen Stop-overs der Kundinnen übernehmen. Die schriftliche Bitte des Vaters einer der vier, den Entscheid doch zu überdenken, blieb unbeantwortet.
Erst als sich der K-Tipp einschaltete, erwachte die Lufthansa aus ihrem Dornröschenschlaf - und bot den Frauen insgesamt 1500 Franken an. Denise Anderegg freut sich - und sagt mit einem Augenzwinkern: «Hoffentlich kommen sie jetzt nicht wieder und sagen Invalido.»
Bald besserer Schutz für Fluggäste
Pauschalreisende haben bei Verspätungen andere Rechte als Nur-Flug-Passagiere.
- Pauschalreisende: Wer so reist, also zum Beispiel Flug und Hotel gebucht hat, muss vier Stunden Verspätung entschädigungslos hinnehmen. Ab der fünften Stunde kann er pro Stunde 5 Prozent des Tagespreises (Reisepreis geteilt durch Anzahl Ferientage) zurückfordern.
So haben deutsche Gerichte entschieden. Mangels solcher Urteile in der Schweiz geht auch der Ombudsman der Schweizer Reisebranche von dieser Regel aus.
Wichtig ist, dass betroffene Passagiere sofort reklamieren. Und zwar nicht bei der Fluggesellschaft, sondern beim Reiseleiter am Ferienort (Bestätigung verlangen!) oder schriftlich beim Reiseveranstalter. Gleichzeitig können sie verlangen, dass verspätungsbedingte Zusatzkosten ersetzt werden.
- Nur-Flug-Passagiere: Ihnen gegenüber haften Airlines nur dann, wenn sie die Verspätung verschuldet haben. «Sie sind also von der Haftung befreit, wenn ein Flugzeug wegen überlasteter Luftstrassen oder schlechten Wetters nicht rechtzeitig starten konnte», erklärt der Reiserechts-Spezialist Rolf Metz, Autor mehrerer Fachpublikationen. «Aber auch in solchen Fällen halten die meisten Airlines die Passagiere mit Verpflegungs- und Hotel-Bons bei Laune.»
- Neuerungen: Eine EU-Verordnung, die voraussichtlich ab Februar 2005 auch in der Schweiz angewendet wird, bringt Pauschalreisenden und Nur-Flug-Passagieren einen besseren Schutz. Sie haben dann bei grösseren Verspätungen Anspruch auf kostenlose Verpflegung, zwei Gratis-Telefonate und falls nötig eine Übernachtung im Hotel samt Transport dorthin.
Bei über fünfstündiger Verspätung kann man auf die Reise verzichten und eine Rückerstattung des Ticketpreises verlangen. All das gilt unabhängig von der Ursache der Verspätung - also auch bei höherer Gewalt. Und: Die Airlines müssen die betroffenen Passagiere über ihre Rechte informieren.