Es geht in diesem Artikel nicht um Leute, für die eine Gesichtsmaske nur lästig ist. Es geht vielmehr um Menschen, die mit Maske in Atemnot geraten, einen Allergieschock entwickeln oder sogar bewusstlos werden können – und die aus diesen Gründen keinen Mund-Nase-Schutz tragen.
Viele von ihnen trauen sich zurzeit kaum mehr auf die Strasse. Leute, denen sie begegnen, reagieren ängstlich oder aggressiv, weil sie befürchten, sie könnten sich im Vorbeigehen mit dem Coronavirus anstecken. Geschäfte verwehren Kunden ohne Gesichtsmaske den Zutritt. «Sie erleben im öffentlichen Leben Ausgrenzungen und werden beschimpft», sagt Caroline Hess-Klein von Inclusion Handicap, dem Dachverband der Behindertenorganisationen. Vier Betroffene berichten dem K-Tipp, wie sie zurzeit im Alltag behandelt werden.
Fall 1: Kein Zutritt zur Uni-Bibliothek
«Die Leute schauen mich an, als wäre ich der Schädling persönlich», schildert die wegen eines Kreislaufschocks gefährdete Ulla Schmid aus Basel ihr Gefühl im öffentlichen Leben. Sie unterrichtet Philosophie an der Volkshochschule Basel und studiert daneben Medizin an der Uni Basel. Schmid leidet unter allergisch-immunologischen Reaktionen wie Atemnot, Blutdruckabfall und Kreislaufschock. Deshalb darf sie keine Maske tragen. Das bestätigt ein Arztzeugnis.
Die staatliche Uni verwehrt ihr trotzdem den Zutritt zu Hörsälen und Bibliothek. Die Uni-Leitung schreibt dazu, Leuten ohne Maske biete man «zumutbare Alternativen» wie etwa digitalen Unterricht und Einzellösungen an.
Für Ulla Schmid ist das ein Hohn: Sie muss ihren geplanten Studienabschluss um ein Jahr verschieben. Und in der Bibliothek kann sie nach wie vor keine Literatur ausleihen. Nur der teure Postversand ist möglich: Jedes Buch kostet ohne Rückversand 12 Franken.
Fall 2: Kein Einlass bei McDonald’s
Yvette-Marie Schweizer aus Wabern BE wollte in Bern mit ihrem 19-jährigen Sohn Gabriel bei McDonald’s etwas essen. Doch der Türsteher wies sie ab. Die Mutter trug vorschriftsgemäss eine Maske, ihr Sohn hingegen nicht. Er ist ein Asperger-Autist: Das Tragen einer Maske würde bei ihm Angstzustände auslösen. Trotz ärztlichem Zeugnis durfte der Behinderte das Lokal beim Zytgloggeturm nicht betreten. Für Yvette-Marie Schweizer ist das eine «nicht akzeptable Diskriminierung».
Bei McDonald’s bedauert man den Vorfall. Der K-Tipp hakte nach: Haben Leute ohne Maske und mit Attest Zutritt zu den Restaurants? Man bediene alle Gäste, heisst es bei McDonald’s: «Einzelpersonen mit ärztlich attestierter Maskenbefreiung haben Zutritt zu den Restaurants.»
Fall 3: Ikea bleibt bei Maskenpflicht stur
«Sie sind ein Mörder. Warum stecken Sie uns alle an?» Diesen Satz bekam Thomas Knobel aus Schwamendingen ZH auf dem Weg zur Arbeit von einer älteren Person im Zug zu hören. Er wurde sogar von zwei Jugendlichen angespuckt, als er ohne Maske eine Coop-Filiale verliess. «Es ist traurig, wie aggressiv wir tagtäglich angegangen werden», sagt Knobel. Er darf keine Maske tragen, weil er an asthmatischen Anfällen bis hin zu Atemnot leidet – auch das ist ärztlich attestiert. In der Ikea-Filiale in Dietlikon ZH wollte er einen Teppich kaufen. Doch beim Eingang war für ihn Endstation: Kein Einlass ohne Maske – trotz Attest.
Ikea begründet das Verbot damit, man könne nicht unterscheiden, ob ein Attest echt oder gekauft sei. Man räume der «Sicherheit und Gesundheit vieler Menschen einen höheren Stellenwert ein» als dem Maskendispens einzelner Personen.
Fall 4: Kein Zutritt zu Arzt-Wartezimmer
Edith Forch aus Allschwil BL (Name und Ort geändert) leidet an einer starken rheumatischen Krankheit. Wenn sie eine Maske anzieht, gerät sie in Atemnot, beginnt zu hyperventilieren und droht bewusstlos zu werden. Aus diesem Grund stellte ihre Fachärztin ein Zeugnis aus, das sie von der Maskenpflicht befreit.
Dennoch verwehrte ihr die Hausärztin mehrmals den Zutritt zum Wartezimmer. Man könne gegenüber den anderen wartenden Patienten nicht begründen, weshalb sie keine Maske tragen dürfe. Edith Forch musste stattdessen draussen auf der Strasse warten, bis sie an der Reihe war – ohne Sitzgelegenheit, was bei ihrem Rheumaleiden äusserst schmerzhaft war.
Immerhin: Forch wehrte sich erfolgreich. Heute kann sie direkt im Behandlungszimmer auf die Hausärztin warten.
Verstoss gegen die Covid-Verordnung
Zutrittsverbote für Leute, die aus gesundheitlichen Gründen keine Masken tragen dürfen, sind rechtswidrig. Das ist für den Basler Staatsrechtsprofessor Markus Schefer klar: «Wer die Maskenpflicht generell und ausnahmslos durchsetzt, verstösst gegen die Covid-Verordnung des Bundes.» Das gelte für staatliche Einrichtungen sowie für private Betriebe mit öffentlich zugänglichen Bereichen. Denn in der Verordnung seien Personen, die aus medizinischen Gründen keine Gesichtsmasken tragen können, ausdrücklich von der Maskenpflicht ausgenommen. Unternehmen müssten es auch solchen Menschen ermöglichen, physisch Dienstleistungen in Anspruch nehmen zu können.
Neu online: Die Zahlen zu Corona – täglich aktualisiert
Durchschnittlicher Anteil positiver Test-Resultate pro Tag in der Schweiz, durchschnittliche Anzahl Hospitalisierungen von infizierten Patienten pro Tag und durchschnittliche Anzahl Todesfälle von infizierten Patienten pro Tag: Diese und weitere Informationen zum Coronavirus finden Sie täglich aktualisiert unter www.ktipp.ch.