Single-Abzocke: «Das könnte Betrug sein»
Für Zehntausende von Franken telefonierten Partnersuchende mit Callcenter-Angestellten, die ihnen Liebe vorgaukelten. Doch den Opfern blieben nur hohe Telefonspesen. Jetzt muss die Staatsanwaltschaft wegen Betrugs ermitteln.
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K-Tipp 13/2012
17.08.2012
Letzte Aktualisierung:
06.09.2012
Ernst Meierhofer
Es passiert immer wieder: Ein Opfer macht eine Strafanzeige bei der Polizei – doch die Staatsanwaltschaft stellt die Untersuchung ein, weil sie bei den Beschuldigten kein strafbares Verhalten sieht. Gegen eine solche Einstellungsverfügung können sich Betroffene bis vor Bundesgericht wehren.
Der Ostschweizer Urs Romer (Name geändert) hat genau das getan – und Recht bekommen. Das Bundesgericht hat die Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis im Jun...
Es passiert immer wieder: Ein Opfer macht eine Strafanzeige bei der Polizei – doch die Staatsanwaltschaft stellt die Untersuchung ein, weil sie bei den Beschuldigten kein strafbares Verhalten sieht. Gegen eine solche Einstellungsverfügung können sich Betroffene bis vor Bundesgericht wehren.
Der Ostschweizer Urs Romer (Name geändert) hat genau das getan – und Recht bekommen. Das Bundesgericht hat die Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis im Juni angewiesen, die Strafuntersuchung aufgrund von Romers Anzeige fortzuführen. Ein Betrug liege «durchaus im Bereich des Denkbaren».
Romer war Opfer eines fiesen Geschäfts mit einsamen Singles geworden. Durch ein Zeitungsinserat im «St. Galler Tagblatt» hoffte er, eine Partnerin zu finden. Dazu rief er immer wieder eine Kontaktbörse unter einer 0901er-Nummer an, die Fr. 4.99 pro Minute kostete. Dort sprach er stundenlang mit K.T., die sich als «Samira Moser» ausgab.
53 000 Franken vertelefoniert
«Samira» sagte ihm zwar offen, sie sei Mitarbeiterin in einem Callcenter. Doch sie behauptete auch, selber auf Partnersuche zu sein – und brachte den Mann so dazu, sie immer wieder auf der teuren Hotline anzurufen. Das tat sie auch, als der Mann nach einem Unfall wegen einer Hirnverletzung geschwächt war. Innerhalb von drei Jahren hat der Mann rund 53 000 Franken vertelefoniert.
Dass Angestellte von skrupellosen Callcentern ihre Opfer möglichst lange in der Leitung behalten, um sie so abzuzocken – darüber hat der K-Tipp schon in Ausgabe 6/2009 berichtet. Im «Kassensturz» hatte eine ehemalige Callcenter-Mitarbeiterin enthüllt, welche Methoden sie auf Geheiss ihrer Chefs anwenden musste, um Anrufende stundenlang hinzuhalten. Oft wurden die ahnungslosen Anrufer unter den Mitarbeitern hin- und hergereicht.
Deshalb ist Romer auch nicht das einzige Opfer solcher Machenschaften. Sein Anwalt, Simon Kehl aus Heiden AR, vertritt noch weitere Geprellte. «Die Geschädigten können jetzt wieder hoffen», sagt Kehl.
«Rechtswidrige Tätigkeit»
Ob je eine Verurteilung wegen Betrugs erfolgen wird, ist offen. Das Bundesgericht sagt aber, der Verdacht liege nahe, dass die Kontaktanzeige «einzig dazu diente, partnersuchende Menschen mit einem unwahren Angebot zu Anrufen auf eine teure Telefonverbindung zu verleiten». Die Angaben der Callcenter-Betreiberin seien möglicherweise arglistig täuschend gewesen. Für den Anrufenden sei das Lügengebäude nicht zu erkennen gewesen. Zudem bestehe der Verdacht, dass K.T. Urs Romer bezieht heute wegen seiner Hirnverletzung eine ganze Rente der Unfallversicherung.
Beschuldigt sind die Firmen Sarenag AG, Ragunt AG und CSC Communication Service Center im zürcherischen Uitikon Waldegg sowie deren (damals) Verantwortliche, Oliver Paschaweh und Sybille Huber. Sie betrieben ihre fragwürdigen Dienste unter den Markennamen Phonedating und Live-Channel.
Im Februar 2009 entzog das Bundesamt für Kommunikation der Ragunt AG zehn zugeteilte 0901er-Nummern wegen rechtswidriger Tätigkeit. Die Ragunt AG habe die Nummern einzig dazu benutzt, «die Anrufenden möglichst lange in der Telefonleitung zu halten oder zu äusserst kostspieligen Anrufen zu verleiten».
Die Beteiligten haben dazu nicht Stellung genommen.