Eine vierköpfige Familie aus Luzern – Vater, Mutter, Sohn (19) und Tochter (17) – möchte einen Skitag in Engelberg OW verbringen. Sie entscheiden sich für die Bahn: Dank der Snow-’n’-Rail-Billette profitieren sie von Rabatten. Trotzdem kostet der Tagesausflug mit Skimiete und Mittagessen über 650 Franken.
Würde sich die Familie für die Fahrt mit dem Auto entscheiden, käme der Skitag ein bisschen billiger. Aber auch so würde er fast 620 Franken kosten. Engelberg ist kein Einzelfall:
- Für eine Zürcher Familie kostet ein Skiausflug nach Flumserberg SG mit der Bahn über 700 Franken.
- Für einen Skitag in Adelboden BE muss eine Berner Familie knapp 780 Franken auslegen.
- Eine Zürcher Familie zahlt für einen Tag in Arosa GR 800 Franken.
- Und für eine Berner Familie kostet ein Tag in Zermatt VS über 1100 Franken. 200 Franken weniger zahlt die Familie, wenn sie mit dem Auto fährt – trotz der hohen Kosten für den Autoverlad am Lötschberg und das Parkhaus in Täsch VS.
Massiv verteuerte Snow-’n’-Rail-Billette
Diese Beispiele zeigen: Normalverdiener können sich einen Skitag in mittelgrossen und grossen Skigebieten kaum mehr leisten. Kein Wunder deshalb, dass die Zahl der Skifahrer in den Schweizer Skigebieten seit Jahren rückläufig ist.
Der K-Tipp hat die Preisentwicklung in den letzten zehn Jahren unter die Lupe genommen:
- Die Teuerung war praktisch inexistent. Vom Oktober 2005 bis zum Oktober 2015 betrug sie insgesamt 1,4 Prozent.
- Die Snow-’n’-Rail-Billette, die Bahnfahrt und Skiabo einschliessen, wurden für die Musterfamilie massiv teurer: Flumserberg plus 12 Prozent, Arosa plus 15 Prozent, Engelberg plus 18 Prozent, Zermatt plus 20 Prozent, Adelboden plus 26 Prozent.
- Die SBB-Einzelbillette wurden rund 12 Prozent teurer.
- Die Skiabos (ohne Bahnfahrt) schlugen in Engelberg um 6 Prozent auf, in Adelboden um 13 Prozent, in Zermatt um 18 Prozent, in Flumserberg um 29 Prozent und in Arosa um 45 Prozent.
Daniela Bär von Schweiz Tourismus kritisiert den Preisvergleich des K-Tipp. Der klassische Tagesskifahrer besitze eine eigene Skiausrüstung. Deshalb müsse er nicht mieten. Und wer kein Auto besitze, verfüge meist über ein Halbtaxabo. Das verbillige den Skiausflug.
Damit hat sie recht. Doch auch mit Halbtaxabos wäre der Skiausflug überall sehr teuer: 600 Franken in Engelberg, 620 Franken in Flumserberg, 660 Franken in Adelboden, 670 Franken in Arosa und 860 Franken in Zermatt.
Daniela Bär weist auch darauf hin, «dass die Margen sehr dünn sind. Deshalb ist es vielen touristischen Anbietern schlicht nicht möglich, unbegrenzt Preisreduktionen anzubieten».
Doch von Reduktionen ist hier gar nicht die Rede. Sondern von Aufschlägen, die die allgemeine Teuerung um ein Vielfaches übertreffen.
Bündner Bergbahnen senkten Alterslimiten
Am krassesten zeigt sich dies in Arosa, wo die Familie für die Skiabos 45 Prozent mehr zahlt als vor zehn Jahren. Stefan Reichmuth von den Arosa-Bergbahnen begründet das unter anderem damit, dass die Skigebiete von Arosa und Lenzerheide inzwischen zusammengeschlossen worden seien. Zudem sei der ÖV zwischen Arosa, Chur, Lenzerheide GR und Tiefencastel GR heute im Skiabo inbegriffen.
Der Aufschlag gründet allerdings auch auf einem Trick, den die meisten Bündner Bergbahnen in den letzten Jahren angewandt haben: Sie senkten die Alterslimiten massiv. 13-Jährige zahlen nun schon den Jugendlichen-Tarif, 19-Jährige den Erwachsenen-Tarif.
Markus Hasler, Chef der Zermatt-Bergbahnen, erklärt die Preisaufschläge mit dem Bau neuer Bahnen und der Installation weiterer Schneekanonen. Insgesamt seien in den letzten zehn Jahren rund 350 Millionen Franken investiert worden.
Auch die Flumserberg-Bahnen verweisen auf die neuen, modernen Anlagen sowie auf die teuren Pistenfahrzeuge und die Schneekanonen.
Wie Seilbahnen bei den Kunden «Zahlungsbereitschaft abschöpfen»
Eine Studie des Schweizerischen Seilbahnen-Verbands und der Uni St. Gallen von 2010 zeigt, wie bei den Kunden der Bergbahnen «Zahlungsbereitschaft abgeschöpft werden» könnte.
Und zwar so: «Im Sommer bestünde ein Potenzial für Preissteigerungen von 25 Prozent.» Dazu müssten die Bergbahnen ihr Angebot nicht einmal verbessern, heisst es in der Studie. Im Winter liege der «akzeptable Preis bei unverändertem Angebot» etwa 10 Prozent höher.
Den Tipp mit den Preiserhöhungen scheinen sich die Bergbahnbetreiber zu Herzen genommen zu haben (siehe Hauptartikel). Die Zeche zahlen die Kunden.
Und das nicht zum ersten Mal: Die erwähnte Studie wurde damals von der Kommission für Technologie und Innovation des Bundes mit über 260 000 Franken subventioniert.
Fazit: Die Steuerzahler finanzierten eine Studie mit, die aufzeigt, wie sie sich als Bergbahnpassagiere am besten «melken» lassen.
Wintersportler: Die Schweiz verliert, Österreich gewinnt
- In der letzten Saison wurden auf Schweizer Skipisten 5,2 Prozent weniger Schneesportler als im Vorjahr gezählt. In Österreich hingegen waren es 2 Prozent mehr, wie die Zeitschrift «Saldo» in der aktuellen Ausgabe berichtet (19/2015). Dies geht aus der Saisonbilanz 2014/15 des Genfer Wintersportanalytikers Laurent Vanat hervor.
- Hauptgrund für diese Entwicklung seien «die vielen Schweizer, die sich heute lieber in Österreich die Bretter anschnallen», so Laurent Vanat.
- Damit setzte sich der langjährige Minustrend fort. Im Vergleich zur Saison 2004/05 zählten die Schweizer Skigebiete in der letzten Saison 17,33 Prozent weniger Besucher. Nirgends sonst in den Alpenländern ging die Zahl der Wintersportler derart stark zurück: In Italien gabs 3,2 Prozent weniger Besucher, in Frankreich plus 5,8 Prozent und in Österreich plus 6,3 Prozent.
- Der Grund: Die Preise für Skiabos sind in der Schweiz mit Abstand am teuersten, wie ein Bericht des Verbands Seilbahnen Schweiz belegt. Die Skigebiete haben den mittleren Preis einer Tageskarte innerhalb von zehn Jahren von 51 auf 58 Franken erhöht. Dieser Anstieg von knapp 12,1 Prozent ist rund dreimal so hoch wie die Teuerung.