Bei den Lobbyisten sind die Bundesparlamentarier während der Sessionen höchst begehrt. Kontakte schaffen Einfluss. Deshalb laden Verbände und Unternehmen die hungrigen und durstigen National- und Ständeräte zu Mittagessen, Apéros riches und Diners ein.
Der K-Tipp wollte während der Herbstsession im September konkret wissen, wer wen einlädt. Als einziger von 20 angefragten Politikern legte der Berner SP-Nationalrat Corrado Pardini sämtliche Einladungen offen, die er für Lobbyanlässe während der Herbstsession erhalten hatte: Es waren insgesamt 41.
Unter den Absendern waren die Post, die Swisscom, die Wirtschaftslobbys Economiesuisse und Avenir Suisse, der Schweizer Bauernverband, die Schweizerische Vereinigung Edelmetallfabrikanten und -händler, der Expertenverband für Wirtschaftsprüfung, Steuern und Treuhand sowie die Inlandbanken. Pardini sagt, er habe nur an zwei Anlässen teilgenommen.
Lobbyisten müssen die Politiker aber nicht unbedingt in Berner Restaurants einladen – sie haben fast ungehinderten Zugang zum Bundeshaus. Jeder Parlamentarier darf zwei Eintrittskarten vergeben. In einem öffentlichen Register sind Name und Funktion der Zutrittsberechtigten vermerkt – aber nicht, in welchem Auftrag sie arbeiten.
353 Eintrittskarten – viele für Lobbyisten
Der K-Tipp hat das aktuelle Register ausgewertet: Im September waren total 353 Eintrittskarten zugeteilt – etwa an Vertreter von Post, Swisscom, Economiesuisse und Bauernverband.
Die Kommissionen von National- und Ständerat wollen die Transparenz jetzt etwas verbessern. Sie verlangen, dass sich Interessenvertreter für das Bundeshaus akkreditieren lassen und ihre Lobbymandate offenlegen müssen. National- und Ständerat werden wohl nächstes Jahr darüber abstimmen.
Für den Präsidenten der CVP, den Zuger Nationalrat Gerhard Pfister, sind die Politiker selbst die grössten Lobbyisten – nämlich jene Parlamentarier, die auf der Lohnliste eines Verbands, eines Unternehmens oder einer sonstigen Interessenorganisation stehen.
Corrado Pardini sieht dagegen das Hauptproblem beim Filz zwischen Politikern und Unternehmen – also bei Parlamentariern mit Verwaltungsratsmandaten.
«Transparenz der Mandate zählt»
Aus diesen Gründen forderte der ehemalige Walliser SP-Nationalrat Stéphane Rossini letztes Jahr in seiner Zeit als Präsident der Grossen Kammer, Parlamentariern sei die Mitgliedschaft in Verwaltungsräten und in Verbandsvorständen zu verbieten.
Von einer solchen Vorschrift wären sowohl Pfister als auch Pardini betroffen: Pfister sitzt in mehreren Verwaltungsräten, so in der Institut Dr. Pfister AG, in der Ägerisee Schifffahrt AG, in der TSE Real Estate AG und in der Gütsch Immobilien AG. Pardini sitzt unter anderem im Zentralvorstand der Gewerkschaft Unia.
Was sagen die beiden zu einem solchen Verbot? «Das würde definitiv zur Einführung eines Berufsparlaments führen», meint Pfister. Laut Pardini ist die Transparenz der Mandate entscheidend. Er sei als Gewerkschafter in den Nationalrat gewählt worden und mache Politik für die Arbeitenden.
Pardini: «Was die Demokratie zerstört, sind die Banken, Versicherungen, Krankenkassen und Konzerne, die sich scheinbar unabhängige Politiker durch Verwaltungsratsmandate regelrecht einkaufen.»