Bei Alltagsprodukten aus dem Euro-Raum ist es dank des öffentlichen Drucks in den letzten Wochen zu einem Preisrutsch gekommen. Doch es gibt Bereiche, bei denen es um weit höhere Summen geht. Hier zahlen Schweizer nach wie vor viel zu viel. Die zwei Gründe:
- Importeure und Händler geben die Wechselkursgewinne nicht oder nur zum Teil an die Konsumenten weiter. Sie kaufen dank des tiefen Euros deutlich günstiger ein, die Preise in der Schweiz senken sie aber nicht entsprechend. Sie machen damit – bei praktisch gleichbleibenden Kosten für Personal, Miete, Transporte etc. – mehr Gewinn.
- Die Margen in der Schweiz sind nach wie vor sehr hoch. Das heisst: Die Differenz zwischen dem Einkaufspreis für den Verkäufer und dem Preis, den er im Laden verlangt, ist viel grösser als in Nachbarländern, wie K-Tipp und «Saldo» mehrfach nachgewiesen haben.
Besonders drastische Auswirkungen hat diese Preispolitik in folgenden Bereichen:
Überteuerte Computer: Hier gibt es oft nur einen Direktimporteur, der keine lokale Konkurrenz und so auch keinen Grund hat, von sich aus die Preise zu senken. Beispiel Computerhersteller Apple: Der iMac 27’’ 3,1 GHz kostet in den USA 1999 Dollar. Umgerechnet sind das Fr. 1560.–. Apple Schweiz verlangt aber Fr. 2249.–. Das sind rund 690 Franken oder 44 Prozent mehr.
Auch der Computerhersteller Dell langt bei den Schweizern kräftig zu. Für den Laptop XPS 15z zahlen Amerikaner umgerechnet Fr. 1300.–. In der Schweiz kostet dasselbe Modell jedoch Fr. 2080.–. Das ist ein Aufpreis von satten Fr. 780.– oder 60 Prozent. Gleich das Doppelte müssen Schweizer für den ThinkPad T420-4236 des Computerherstellers Lenovo hinblättern. Er kostet in den USA Fr. 1040.–. In der Schweiz verlangt Lenovo Fr. 2119.–.
Weder Apple noch Dell noch Lenovo wollten dem K-Tipp sagen, ob sie ihre Preise in der Schweiz senken werden.
Überteuertes Benzin: Benzin ist in den meisten Haushalten ein wichtiger Ausgabeposten. Als Basis für den Säulenpreis gilt der Preis für die Rohölsorte Brent. Rohöl wird in Rotterdam in Dollar gehandelt. Im April 2011 kostete ein Barrel durchschnittlich 121.87 Dollar. Beim damaligen Wechselkurs waren das Fr. 108.45. Im Juli 2011 betrug der Preis für Rohöl nur noch 115.11 Dollar, umgerechnet Fr. 90.90. Das heisst: Die grossen Ölfirmen konnten das Rohöl rund 16 Prozent günstiger einkaufen.
Die Autofahrer spürten davon nur wenig: Laut dem Bundesamt für Statistik ist der durchschnittliche Preis für Bleifrei 98 in dieser Zeit nur von Fr. 1.84 auf 1.77 gesunken. Zieht man die fix abzuliefernde Mineralölsteuer von rund 75 Rappen ab, wurde der Preis nur um 6,4 Prozent gesenkt. Bei Bleifrei 95 sind es 7,7 Prozent, beim Diesel 9,3 Prozent.
Überteuerte Autos: Der K-Tipp verglich bei Opel, Ford, Peugeot, Renault, Citroën und Mercedes die Listenpreise vom Juli 2010 mit jenen vom Juli 2011.
Der Vergleich zeigt: Zwei Modelle kosten heute mehr (Citroën C3 Picasso 1.4.VTi Attraction, Opel Zafira Enjoy 1), bei drei Modellen blieb der Preis gleich (Ford Kuga Titanium 2.0 TDCi, Renault Espace Dynamique TCe 170, Peugeot 207 Urban/ Access). Nur ein Modell wurde günstiger: Der Mercedes C 350 BlueEfficiency T kostet heute statt Fr. 69 000.– noch 67 900.–.
Fazit: Obwohl der Euro von Juli 2010 bis Juli 2011 16,3 Prozent an Wert verloren hat, haben sich die Preise kaum bewegt.
Die Erklärung der Hersteller: Bei Neuwagen würden die Verkäufer verschiedene Rabatte anbieten. Sehr attraktiv scheinen die nicht zu sein. Denn immer mehr Schweizer kaufen ihren Neuwagen nicht mehr über die offizielle Vertretung, sondern per Direktimport. Laut der Vereinigung der Autoimporteure hat die Zahl der direkt eingeführten Personenwagen von Januar bis Juli 2011 gegenüber dem Vorjahr um 116 Prozent zugenommen.
Kommt hinzu: Die Talfahrt des Euros hat nicht erst dieses Frühjahr begonnen. In den letzten zwei Jahren verlor die Währung gegenüber dem Franken 25 Prozent an Wert. Doch ein Langzeitvergleich des K-Tipp zeigt: Diesen Kursgewinn kassierten Hersteller und Verkäufer.
2009 verglich der K-Tipp die Preise von Euro-Produkten des alltäglichen Bedarfs. Davon sind heute bei den Grossverteilern noch maximal 13 im Regal. So entwickelten sich ihre Preise:
- Coop: Von 13 Artikeln wurden 6 günstiger, 5 blieben gleich, 2 wurden teurer.
- Spar: 3 von 12 Produkten wurden günstiger, 4 blieben gleich, 5 wurden teurer.
- Denner: 3 von 7 Artikeln wurden günstiger, 3 blieben gleich, 1 wurde teurer.
- Migros: Alle 4 Produkte wurden günstiger.
Migros, Coop und Denner sagen, sie würden die bei der Beschaffung erzielten Einsparungen an die Kunden weitergeben. Aber: «Der Beschaffungspreis in Euro ist für uns nur ein Faktor von vielen, die den Verkaufspreis ausmachen», sagt Coop-Sprecherin Sabine Vulic. Dazu gehörten die Lohnkosten, die in Schweizer Franken bezahlt werden müssen.
Ökonom Reiner Eichenberger sieht das anders: «Die Detailhändler versuchen – trotz medienwirksamer Preissenkungen –, möglichst wenig vom Währungsgewinn weiterzugeben.» Durch tiefere Preise gewinne der Grossverteiler zwar etwas Kundschaft, erziele aber gleichzeitig weniger Gewinn, was für ihn nicht rentiere.
Leere Versprechungen
Die IG Detailhandel Schweiz, der auch die Grossverteiler angehören, kündete letztes Jahr an, mit der Ermöglichung von Parallelimporten und der Einführung des Cassis-de-Dijon-Prinzips würden die Preise von Markenartikeln um 10 bis 15 Prozent sinken (siehe «Saldo» 8/10). Doch das sind leere Versprechungen, wie das Beispiel Nutella zeigt.
Coop bezog bis Ende Mai Nutella bei Hersteller Ferrero Schweiz. Preis im Laden: Fr. 3.50 für 400 Gramm. Seit 1. Juni importiert Coop Nutella via Parallelimport günstiger direkt aus Italien, wie der «Tages-Anzeiger» berichtete. Nur: Am Preis hat Coop nichts geändert. Begründung: «Wir kommen zwar günstiger zum Produkt. Aber für die Logistik und die zum Teil neue Etikettierung fallen Mehrkosten an.»