Ob im Zürcher Weinland, im Toggenburg, im Aargau oder im Walliser Berggebiet: In vielen kleinen Orten bangen die Einwohner um ihren Dorfladen. Zwischen 1995 und 2016 verschwanden gemäss dem Marktforschungsinstitut GfK 2500 solcher Läden. Und das Lädelisterben hält an. Fast wöchentlich vermeldet eine Lokalzeitung das Ende eines Dorfladens.
Darunter leidet das Dorfleben. Die Einwohner müssen weite Strecken zurücklegen, um etwas einzukaufen. Das ist vor allem für ältere Leute ein Problem. Betroffen sind in erster Linie Dörfer, um die Migros, Coop & Co. wegen zu tiefer Umsätze seit jeher einen Bogen machten. In die Bresche sprangen meist Volg-Läden. Doch auch diese sind von einer Schliessung bedroht, wenn sie nicht genug Geld abwerfen.
Brunegg: Gemeinde übernahm den Laden
Es gibt aber auch Lichtblicke. Gemeinden oder Einwohner versuchen, ihre Lädeli zu retten. Dabei werden sie zum Teil sehr kreativ.
Zum Beispiel Brunegg im Kanton Aargau: Die Gemeinde zählt 850 Einwohner und liegt eingeklemmt zwischen der Autobahn A1 und dem Jura. Ende 2013 schloss der Volg. Damit verschwand die letzte Einkaufsmöglichkeit. Die Brunegger mussten mit dem Auto in die Nachbarorte zu den Grossverteilern fahren.
Dies wollten Gemeinderat und Bevölkerung nicht akzeptieren. «Ein Laden ist für die Standortattraktivität des Dorfes entscheidend», sagt Gemeindepräsidentin Ruth Imholz Strinati. Ohne Dorflädeli sei kein lebendiges Zentrum möglich. Dort könnten sich die Neuzuzüger mit den Alteingesessenen treffen. Das diene der Integration.
Für die Gemeindepräsidentin wurde das Lädeli «zur Herzensangelegenheit». Sie gründete eine Arbeitsgruppe, zog einen Detailhandelsexperten bei, holte Hilfe bei der Fachhochschule Aargau und erarbeitete ein Markthallen-Konzept. Dieses umfasste eine Bäckerei mit integriertem Café und erweitertem Lebensmittelangebot, eine Bücher-, Kinder- und Geschenkecke sowie einen Bancomaten. Bald war klar: Ohne finanzielle Hilfe der Gemeinde würde es nicht funktionieren.
Die Liegenschaft mit dem Laden gehörte bereits der Gemeinde. Nach dem Volg-Auszug renovierte Brunegg das Haus für 400 000 Franken und kaufte für den gleichen Betrag ein Grundstück für Parkplätze und einen neuen Dorfplatz dazu.
Die Bäckerei sollte von einem günstigen Mietzins profitieren. Ein Problem war der Bancomat – keine Bank wollte nach Brunegg kommen. Die Gemeindepräsidentin konnte schliesslich mit der Valiant-Bank einen Vertrag aushandeln. Die Gemeinde zahlt der Bank einen Beitrag, abhängig von der Anzahl der Bargeldbezüge. Für dieses Jahr hat Brunegg 15 000 Franken budgetiert. «Der Laden ist wichtig für die Standortförderung. Und der Bancomat ist eine wichtige Marketingmassnahme für den Laden», sagt die Gemeindepräsidentin.
Brunegg ist auf dem richtigen Weg. Das beweisen die Geschäftszahlen: Bereits im ersten Jahr konnte der Laden das Budget übertreffen und schreibt damit seit Mai 2018 schwarze Zahlen.
Die Gemeinde Sennwald im St. Galler Rheintal ging einen anderen Weg. Sie kaufte im vergangenen Februar den Volg-Laden für 750 000 Franken, betrieben wird er von einer Genossenschaft. Wenig später zog der Nachbarort Grabserberg mit dem Kauf des Prima-Ladens (freier Detaillist mit Volg-Produkten) nach. Seitdem stellt der Ort das Geschäft dem Einwohnerverein gratis zur Verfügung. Dieser führt den Laden erfolgreich in Eigenregie.
In Thalheim an der Thur ZH rief der Gemeinderat Anfang Jahr die Einwohner auf, sie sollten mehr im Volg einkaufen. Die Filiale müsse den Umsatz um 50 Prozent steigern, sonst würde sie geschlossen. Laut den Betreibern ist eine Schliessung zurzeit nicht in Diskussion.
In Greppen LU genehmigten die Stimmbürger ebenfalls eine finanzielle Beteiligung am Volg-Laden – mit der Auflage, dass die Gemeinderäte einen Teil ihres Lohns in der Höhe von je rund 1800 Franken pro Jahr als Einkaufsgutscheine beziehen müssen. Wie viele Volg-Läden von öffentlichem Geld profitieren, sagt die zum Agrarkonzern Fenaco gehörende Volg Konsumwaren AG nicht.
Laden mit privaten Spenden erhalten
Fast ohne Steuergelder kommt der Dorfladen in Stüsslingen SO aus. Anfang 2017 gab die langjährige Betreiberin des Mini-Marché-Ladens bekannt, sie ziehe sich aus Altersgründen zurück. Nicole Leuzinger witterte ihre Chance. Die bisherige Angestellte wagte den Alleingang. Innerhalb von 100 Tagen kam über eine Sammelaktion im Internet das Startkapital von 10 000 Franken zusammen. Die Gemeinde spendete weitere 3000 Franken. Man unterstütze den Laden vor allem ideell, sagt Gemeindepräsident Georges Gehriger.
Zusätzlich erhält Leuzinger als Verkaufsstelle der Abfallmarken eine Entschädigung. Und um Kunden anzulocken, hat die Gemeinde die Entsorgungsstelle für Altglas neben dem Laden aufgestellt.