Anfang 2013 sickerte durch, dass die Firma Amag-Import im Frühling die Katalogpreise für VW, Skoda und Seat senken würde. Einige Autohändler, die im Verband der Partner des Volkswagenkonzerns (VPVW) zusammengeschlossen sind, waren alarmiert. Sie fürchteten um ihre Gewinnmargen. Deshalb nahmen sie Gespräche auf, um sicherzustellen, dass kein Händler zu hohe Rabatte gewähren oder zu niedrige Ablieferungspauschalen (siehe Unten) verlangen würde. Das zeigen vertrauliche E-Mails zwischen fünf Händlern, die dem K-Tipp vorliegen.
Allen war klar: Das ist verboten
Mit dabei waren Vertreter der Firma Amag-Retail, der Asag in Basel, der Autoweibel in Aarberg BE, der City-Garage in St. Gallen sowie der Garage Gautschi in Thunstetten BE. Den Beteiligten war von Anfang an klar, dass es nicht leicht werden würde, alle Händler der drei Marken hinter sich zu scharen. «Wir müssen mit Einzelabschlachtungen arbeiten», schrieb die Garage Gautschi. «Was ich klar nicht will, dass wir mit Halbmast an das Thema herangehen.» «Misstritte», zum Beispiel zu hohe Rabatte, seien «offen zu diskutieren».
Offenbar war klar, dass die Absprache illegal sein könnte. Denn die Garage Gautschi schrieb: «Es versteht sich von selbst, dass diese Info heikel ist und wir auch vorsichtig umgehen müssen. Aus diesem Grund habe ich es nur euch gesendet. Lasst mich also nicht am nächsten Tag verhaften.»
Man kam überein, die Rabatte auf der ersten Offerte um zwei Prozent zu reduzieren. «Die Zeit drängt», schrieb Gautschi, und es gehe um «eine ‹Chance› von ca. 24 Mio.». Diskutiert wurde auch eine Mindesthöhe für Ablieferungspauschalen: «Eine Fr. 100.– höhere Ablieferungspauschale ergibt pro 100 Neuwagen plus Fr. 10 000.– in der Kasse!!»
Die Amag-Retail teilte den Geschäftsführern ihrer Filialen mit, die Einhaltung der Vorgaben sei «bonusrelevant». Wer sich nicht daran halte, habe «entsprechende Konsequenzen» zu tragen.
Die City-Garage St. Gallen betonte, es sei wichtig, «dass auch die kleineren Betriebe die Spielregeln einhalten». Die Garage Autoweibel schrieb: «Die Kontrollen in naher Zukunft sind wichtig.» Und die Händler dachten gemeinsam darüber nach, «was wir tun, wenn wir ‹Verfehlungen› feststellen».
Stammtische mit Powerpoint-Vorträgen
Dann wurden sogenannte regionale Stammtische organisiert. Mit einer Powerpoint-Präsentation versuchten die Organisatoren, die Händler auf Kurs zu bringen – «auch diejenigen, welche nicht im VPVW sind». Die Absprache wurde den Händlern so schmackhaft gemacht: «Bei einer Senkung der Konditionen um 2 % entspricht dies Mehreinnahmen von zirka Fr. 75 000.– pro 100 Einheiten.»
Ende März 2013 bekam der VPVW-Präsident, ein Jurist, Wind von der Sache und stellte klar, dass «in kartellrechtlicher Hinsicht keine Absprachen erfolgen» dürften. Und «schon gar kein Druck erzeugt» werden dürfe. Am 3. April 2013 zeigte sich die Amag bei der Wettbewerbskommission (Weko) selber an.
Während der anschliessenden Einvernahmen erinnerten sich die Beteiligten erstaunlich schlecht an die Absprachen. Immer wieder gaben sie sich ahnungslos. Autoweibel verteidigte sich so: «Das ist unglücklich geschrieben. Wenn ich das so jetzt sehe.»
Zudem behinderten die Anwälte der Autohändler die Arbeit der Weko, indem sie zahlreiche Fristerstreckungen verlangten. Die Weko ortet darin denn auch «eine gewisse (gemeinsame) Strategie zur Behinderung eines zügigen Ablaufs des Verfahrens».
Die Wettbewerbskommission stellte schliesslich fest, dass es sich «um eine unzulässige Wettbewerbsabrede» handle. Sie geht davon aus, dass die Händler am 18. März begonnen hatten, die Vorgaben umzusetzen. Die Amag kam wegen der Selbstanzeige ungeschoren davon. Die anderen Händler kassierten Bussen von 10 000 bis 320 000 Franken. Wer welche Busse bekommen hat, ist nicht bekannt. Das war im Herbst 2015.
Die Verfügung wurde aber dreieinhalb Jahre lang nicht veröffentlicht. Denn die Garagisten wollten zahlreiche Stellen schwärzen lassen. Doch sie blitzten vor dem Bundesverwaltungsgericht ab. Kurz nach einer Anfrage des K-Tipp schaltete die Weko die Verfügung am 18. Januar schliesslich auf ihrer Internetseite auf. Daraus geht hervor, dass die Busse gegen die Garage Gautschi inzwischen rechtskräftig ist. Asag, Autoweibel und die City-Garage haben Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht.
Übrigens: Absprachen unter den Händlern soll es laut Zeugen im Weko-Verfahren schon 1995, 2002 und 2004/2005 gegeben haben. Beweise waren aber nicht mehr zu finden. Unter anderem deshalb, weil bei einem Händler 2010 «der Computer von der Amag-Informatik abgeholt worden» war.
Die Ablieferungspauschale
Autohändler haben es sich zur Gewohnheit gemacht, vor der Unterzeichnung des Kaufvertrags noch eine sogenannte Ablieferungspauschale von rund 500 Franken in den Vertrag zu schreiben. Die Ablieferungspauschale soll angeblich Aufwände wie das Einlösen des Autos, die Montage der Kontrollschilder, das Tanken von ein paar Litern Benzin und das Entfernen des Transportschutzes abgelten.