Sie spare «überall, wo es möglich ist», sagt Jana Lang (Name geändert) aus dem St. Galler Rheintal: «Trotzdem reicht das Geld nirgends hin.» Die 40-jährige alleinerziehende Mutter zweier Teenager ist Kassiererin in einem Detailhandelsgeschäft. Sie verdient mit ihrem 80-Prozent-Pensum rund 3500 Franken netto pro Monat.
Aufgrund des tiefen Lohns musste sie für 2021 keine Steuern bezahlen. Dennoch reicht das Geld für Lang kaum aus, um sich, ihre 15-jährige Tochter und ihren 17-jährigen Sohn durchzubringen. Stets droht sie Ende Monat ins Minus zu rutschen, obwohl sie jeden Franken zwei Mal umdreht.
«Beim Einkaufen weiss ich genau, was es wo am günstigsten gibt», sagt Lang: «Waschmittel und Duschgel kaufe ich bei Otto’s, Lebensmittel bei Lidl. Ausser Reis und Teigwaren: Diese Produkte sind bei Coop und Migros und bei Aktionen günstiger.» Bei Poulet greife sie oft zur Migros-Billiglinie M-Budget.
Zahnbehandlung wird zum Problem
Auch im Haushalt nutzt Lang jede Möglichkeit, um weniger Geld auszugeben. So muss etwa ein Abfallsack pro Woche reichen. Das meiste Geschirr spüle sie von Hand ab, um den Strom für den Geschirrspüler einzusparen, sagt Lang
Grosse Sorgen macht ihr eine anstehende Zahnbehandlung der Tochter. Die neue Zahnspange kostet rund 6000 Franken. Wie sie das bezahlen will, weiss Lang nicht.
Fixkosten steigen um 200 Franken
Nebst den gestiegenen Preisen für Lebensmittel und Krankenkasse kommen in diesem Jahr weitere Mehrkosten auf die Familie zu: So haben etwa die St. Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke den Strompreis um rund 35 Prozent erhöht.
Lorenz Bertsch, Leiter der Schuldenberatung bei der Caritas St. Gallen-Appenzell, rechnet im Fall von Lang für das laufende Jahr mit höheren Fixausgaben von mindestens 200 Franken pro Monat – für Mietnebenkosten, höhere Krankenkassenprämien und die Teuerung.
Jana Lang ist kein Einzelfall. Gemäss Zahlen des Bundesamts für Statistik lebten im Jahr 2020 fast 500 000 Erwerbstätige in Armut oder waren armutsgefährdet.
Besonders oft sind ältere Menschen betroffen: Laut der Stiftung Pro Senectute leben rund 300 000 Senioren unterhalb oder an der Armutsgrenze. Eine repräsentative Befragung durch die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ergab: Sie müssen mit maximal 2279 Franken pro Monat auskommen.
So bleiben nach Abzug von Miete, Krankenkasse und Strom gerade einmal 22 Franken pro Tag übrig. Das muss reichen für Essen, Hygieneartikel, Kleider, und Freizeitausgaben sowie für Benzin oder Billette für den öffentlichen Verkehr.
Vergleichen, verhandeln, überprüfen: So kann man Geld sparen
- Günstig einkaufen: Der K-Tipp vergleicht regelmässig die Preise der Detailhändler. Eine Auswertung von vier Warenkörben aus den Jahren 2016 bis 2020 zeigt: Bei Lidl war der Einkauf bisher am günstigsten. Aldi war 2 Prozent teurer, Denner 10 Prozent, Migros 27 Prozent und Coop sogar 37 Prozent. Für den Warenkorb berücksichtigt wurde je das günstigste verfügbare Produkt im Laden. Tipp: Der «Gesundheitstipp» stellt Rezepte vor, die weniger als 5 Franken pro Kopf kosten (Gesundheitstipp.ch).
- Teure Expressläden meiden: Bei Coop to go und Migrolino können dieselben Artikel mehr als das Doppelte des Preises von Coop und Migros kosten (K-Tipp 12/2020).
- Vor Ladenschluss einkaufen: Viele Lebensmittelläden geben Rabatte auf Frischware nahe beim Ablaufdatum.
- Kostenlose Lebensmittel: Der Verein «Tischlein deck dich» gibt kostenlos Lebensmittel an Bedürftige ab. Tischlein.ch.
- Preisvergleichsseiten nutzen: Vor grösseren Anschaffungen helfen Vergleichsseiten wie Toppreise.ch, den günstigsten Händler zu finden.
- Günstiger kann besser sein: Das zeigt eine Auswertung von knapp 700 Labortests von K-Tipp, «Saldo» und «Gesundheitstipp». In der Kategorie Hygiene und Kosmetik etwa schnitten Aldi-Produkte mit der Note 4,94 qualitativ am besten ab (K-Tipp 10/2021). Alle Testsieger der K-Tipp-Qualitätstests findet man unter Ktipp.ch.
- Handy- und Internet-Abo überprüfen: Einige Telecomfirmen geben Neukunden üppige Rabatte. Langjährige Kunden dagegen sind von solchen Aktionen meist ausgeschlossen – es sei denn, sie melden sich oder drohen mit Kündigung. Oft lassen sich so bessere Abopreise aushandeln.
- Spielsachen für Kinder mieten statt kaufen: Rund 400 Ludotheken in der Schweiz vermieten Spielsachen. Eine Familienmitgliedschaft kostet ab 20 Franken pro Jahr. Dazu kommen Ausleihgebühren: Für ein Brettspiel etwa beträgt die Miete 2 Franken (Ludo.ch).
- Bücher, Musik, Filme und Videospiele leihen statt kaufen: Bibliotheken leihen nicht nur Bücher, sondern auch DVDs, Musik-CDs und Videospiele aus.
- Generika wählen: Für viele Medikamente gibt es günstige, aber genauso wirksame Nachahmerpräparate – die Generika.
- Versicherungsprämien verhandeln: Wer verschiedene Offerten einholt, kann mit den Versicherern über die Prämie verhandeln und das günstigste Angebot auswählen.
- Gratisausflüge: Viele Museen sind immer oder teilweise kostenlos. Eine Liste mit hundert Vorschlägen findet man im Internet unter Ktipp.ch/gratis-freizeitangebote.
- Kulturrabatt: Menschen, die am Existenzminimum leben, können bei einer regionalen Caritas-Stelle eine Kulturlegi beantragen. Damit erhält man in 140 Museen bis zu 70 Prozent Rabatt (Kulturlegi.ch).
- Auf Bahn und Bus oder Mobility umsteigen: Ein Skoda Octavia, das meistverkaufte Auto der Schweiz mit Benzinmotor, kostet im Unterhalt gemäss TCS rund 10 000 Franken pro Jahr (bei 15 000 gefahrenen Kilometern, inklusive Reparaturkosten, Versicherung, Treibstoff und Wertabschreibung). Zum Vergleich: Ein SBB-Generalabo der 2. Klasse kostet 3860 Franken pro Jahr. Wer sein Auto nicht regelmässig braucht, kann auch mit einer Mitgliedschaft bei einem Carsharing-Unternehmen viel Geld sparen. Mobility etwa verfügt über 2850 Fahrzeuge an 1530 Standorten in der Schweiz.