Beat Aebi aus Basel kommt der Geldsegen vor wie Weihnachten mitten im Jahr: «Rund 58 000 Franken sind plötzlich zum Vorschein gekommen.» Das hat der 59-Jährige der Firma Argus Investment zu verdanken: Sie sucht nach vergessenen Pensionskassengeldern. «Wöchentlich erhalten wir 80 bis 100 Anfragen», sagt Firmensprecher Bruno Kälin. Seit Beginn der Corona-Pandemie hätten die Anfragen zugenommen. Die Erfolgsquote beziffert Kälin auf gut einen Drittel. Auch der 51-jährige Michele Sansone aus Spreitenbach AG kam auf diese Weise eher unerwartet zu der schönen Summe von 170 000 Franken.
Aebi und Sansone hatten in den vergangenen Jahren mehrmals die Stelle gewechselt und verloren deshalb den Überblick über ihre PK-Gelder. «Ich arbeitete meist projektbezogen», erinnert sich Sansone. «Daher hatte ich in jedem Jahr mehrere Arbeitgeber.» Die Sache so richtig ins Rollen brachte seine Scheidung: «Der Anwalt meiner Frau wollte wissen, wie viel das Pensionskassenvermögen beträgt. Da ich keine Ahnung hatte, ging ich zu Argus.» Auch Aebi führte während seines Studiums mehrere Nebentätigkeiten aus und arbeitete seither für rund 20 Firmen.
Argus verlangt Finderlohn
Vom Problem der vergessenenen Guthaben sind oft Arbeitnehmer wie Aebi und Sansone betroffen, die im Verlauf ihres Erwerbslebens die Stelle überdurchschnittlich häufig wechseln – oder die temporär, aushilfsweise und zeitlich beschränkt tätig sind. Häufig ist solchen Arbeitnehmern gar nicht bewusst, dass ihnen vom Lohn ein Betrag für die Pensionskasse abgezogen wird. Betroffen sind oft auch Studenten, die während ihrer Ausbildung verschiedenen Jobs nachgehen und diese mit den Jahren vergessen – und Leute aus anderen Ländern, die eine Zeit lang in der Schweiz arbeiteten und später wieder in ihre Heimat zogen. Meist wissen sie gar nicht, dass ihnen eine Pension zusteht.
Die Suche der Firma Argus nach solchen vergessenen Guthaben ist kostenlos. Erst wenn die Firma Geld ausfindig macht und es bei einer erwerbstätigen Person an eine Pensionskasse überweist, verlangt sie dafür bis zu 200 Franken «Spesen». Bruno Kälin sagt: «Wenn wir die gefundenen Gelder auf ein Freizügigkeitskonto bei einer Bank überweisen, erhalten wir für diese Vermittlerdienste von der Bank eine Provision.»
Argus ist nicht das einzige Unternehmen, das sich aufs Aufstöbern von vergessenen PK-Geldern spezialisiert hat. Auch Versicherungsbroker entdeckten diese Suche als neues Geschäftsmodell.
Man kann auch ohne die Unterstützung von Firmen nach vergessenen PK-Geldern forschen: «Für die Suche nach Guthaben ab 1995 ist die Zentralstelle 2. Säule die erste Anlaufstelle», erklärt Claudia Imhasly von der Stiftung Auffangeinrichtung BVG. Alle Einrichtungen der 2. Säule, die Freizügigkeitskonten oder -policen führen, melden der Stiftung jährlich die Namen der Personen, für die im Dezember des Vorjahres ein Konto geführt wurde. Der Grossteil der Guthaben kann den Inhabern oder ihren Nachkommen zugeteilt werden, weil die Adressen aktuell sind.
Die Stiftung sucht aber nicht aktiv nach Inhabern, deren aktueller Aufenthalt unbekannt ist. Denn die Suche wäre laut Imhasly im Ausland zu aufwendig. Ende 2020 lagen bei der Zentralstelle rund 4,8 Milliarden Franken, von denen die Besitzer nichts wissen – verteilt auf 806 924 Konten.
Suche nach Altersgeld kann man beantragen
Wer unsicher ist, ob er die Pensionskassengelder aller bisherigen Arbeitgeber auf seinem Altersguthaben hat, kann sich bei der Zentralstelle erkundigen und mit einem Formular die Suche beantragen (siehe Kasten). Laut Imhasly ist dieser Service kostenlos, auch wenn das gefundene Geld an eine andere Pensionskasse oder Freizügigkeitseinrichtung überwiesen wird. Beim Freizügigkeitsgeld gilt: Man kann die Bank frei wählen und sein Guthaben bei der Bank mit den attraktivsten Zinsen platzieren. Bei Argus hingegen können Kunden die Bank nicht selbst wählen. Das Geld geht an Institute, mit denen Argus zusammenarbeitet.
Das Problem der vergessenen PK-Gelder hatte ursprünglich die Gewerkschaft Bau und Industrie (heute Unia) bekannt gemacht: Im Bausektor kamen im Jahr 1997 insgesamt 68 000 vergessene Vorsorgekonten mit 400 Millionen Franken Guthaben zum Vorschein – vorab von ehemaligen Saisonniers aus verschiedenen Ländern. Die Gewerkschaft forderte damals unter anderem eine Meldestelle, um Betroffenen zu ihrem Geld zu verhelfen. Der Bundesrat kam dem 1999 mit der Gründung der Zentralstelle 2. Säule nach.
Suchauftrag aufgeben: So geht man vor
Das Formular der Zentralstelle 2. Säule lässt sich auf Zentralstelle.ch herunterladen. Interessierte können das Formular auch unter Tel. 031 380 79 75 bestellen – oder per E-Mail an info@zentralstelle.ch.
Das verfügbare Guthaben kann bis zum rechnerischen hundertsten Geburtstag des Inhabers von diesem selber oder seinen Angehörigen beansprucht werden.