Elvira Lüthi (Name geändert) aus dem Kanton St. Gallen hat wie viele Selbständigerwerbende von heute auf morgen ihr Einkommen verloren. Sie betreibt ein Nagelstudio, das sie auf Geheiss des Bundesrats Mitte März schliessen musste.
Immerhin: Der Bundesrat erliess eine Verordnung, welche die Entschädigung von Selbständigen bei einem Erwerbsausfall regelt. Sie haben während der angeordneten Betriebsschliessung Anspruch auf ein Taggeld. Es beträgt 80 Prozent des durchschnittlichen Erwerbseinkommens, das vor Beginn des Anspruchs auf die Entschädigung erzielt wurde, jedoch höchstens 196 Franken pro Tag. Grundlage der Berechnung ist das Einkommen, auf dem die Ausgleichskasse AHV-Beiträge erhebt.
Lüthi zahlte zuletzt für das Jahr 2018 AHV-Beiträge von rund 2800 Franken. Das entspricht einem Einkommen von rund 33 500 Franken. Sie rechnete daher mit einem Taggeld um 75 Franken. Doch die Kosmetikerin erhielt von der Sozialversicherungsanstalt St. Gallen bloss ein Taggeld von lächerlichen Fr. 2.40. Anderen Selbständigen, die sich an den K-Tipp wandten, ging es ähnlich.
Grund für die tiefen Entschädigungen: Die Sozialversicherungsanstalten stellten auf das Einkommen ab, auf dem die Selbständigen im Jahr 2019 provisorische Akonto-Beiträge zahlten. Lüthi hatte dieses Einkommen vor zehn Jahren auf 800 Franken festgelegt und seither nie geändert. Sie zahlte die fehlenden Beiträge, gestützt auf das effektive Einkommen, Jahr für Jahr nach. Das machen viele Selbständige so, weil das Einkommen Anfang Jahr noch ungewiss ist.
Provisorische Akontozahlungen sind häufig tiefer als die definitiv in Rechnung gestellten Prämien. Das Bundesamt erliess deshalb Ende Mai eine präzisierte Weisung an die Ämter. Selbständige können nun bei der Ausgleichskasse beantragen, dass auf ihr Einkommen in der letzten definitiven Beitragsverfügung abzustellen ist. Elvira Lüthi kann also eine Neuberechnung, gestützt auf ihr Einkommen von rund 33 500 Franken, verlangen.
«Können auch Taxifahrer eine Entschädigung beantragen?»
Die Entschädigung von Selbständigerwerbenden stellt viele Betroffene vor Probleme. Hier eine Auswahl von Antworten der K-Tipp-Rechtsberatung auf häufige Fragen von Lesern.
Taggeld auch für indirekt Betroffene
«Als Taxifahrer durfte mein Mann weiterarbeiten, er verdiente aber viel weniger als sonst. Kann er auch Taggeld beantragen?»
Ja. Auch Selbständigerwerbende, die nur indirekt von den behördlichen Massnahmen betroffen sind, haben Anspruch auf ein Taggeld. Der Anspruch entsteht rückwirkend auf das Datum, ab dem sich das Einkommen verminderte, frühestens auf den 17. März. Er endet spätestens nach zwei Monaten, jedenfalls aber mit der Aufhebung der Corona-Massnahmen. Anspruch haben nur Selbständige mit einem Jahreseinkommen von 10 000 bis 90 000 Franken.
Keine Obergrenze für Direktbetroffene
«Ich bin Goldschmied und musste meinen Laden schliessen. Laut Ausgleichskasse habe ich kein Recht auf
eine Erwerbsersatzentschädigung, weil mein Einkommen über 90 000 Franken liegt. Stimmt das?»
Nein. Es gibt keine Einkommensobergrenze für Selbständige, die ihr Geschäft auf Geheiss des Bundesrates schliessen mussten. Das Taggeld ist aber auf maximal 196 Franken beschränkt. Seit dem 11. Mai durfte Ihr Geschäft wieder geöffnet sein. Bis dahin können Sie auf einem Taggeld bestehen.
Reduziertes Taggeld für Rentner
«Meine Frau ist pensioniert, sie arbeitet aber teilweise noch selbständig. Hat sie Anspruch auf Taggeld?»
Grundsätzlich ja, denn auch Pensionierte haben Anspruch auf ein Taggeld. Aber: Bei der Berechnung der Höhe wird berücksichtigt, dass Rentner AHV-Beiträge erst ab einem Monatseinkommen von über 1400 Franken pro Monat (16 800 Franken pro Jahr) zahlen müssen. Verdiente Ihre Frau weniger, hat sie keinen Anspruch auf Taggelder.
Ohne Einkommen keine Entschädigung
«Ich arbeite Teilzeit als Büroangestellte und baue nebenbei ein Kosmetikstudio auf. Bis jetzt erziele ich damit keinen Gewinn und rechnete noch kein Einkommen ab. Habe ich dennoch Anspruch auf Taggeld?»
Nein. Bei der Berechnung der Entschädigung ist das vor der Betriebsschliessung erzielte Einkommen als Selbständige massgebend. Da Sie mit dem Kosmetikstudio noch kein AHV-pflichtiges Einkommen erzielen, erhalten Sie kein Taggeld.
Taggeld für Eltern
«Meine Frau ist in einem vollen Pensum angestellt, ich arbeite selbständig. Der Kindergarten schloss, die Grosseltern fielen zur Kinderbetreuung aus. Daher mussten wir unsere Tochter je die halbe Woche selber betreuen. Habe ich als Selbständiger für den Erwerbsausfall eineEntschädigung zugut?»
Ja. Sowohl Angestellte als auch Selbständige können ein Taggeld beantragen, wenn sie ihre Erwerbstätigkeit für die Betreuung ihrer Kinder unter 12 Jahren unterbrechen mussten. In Ihrem Fall gilt: Sie haben Anspruch auf 3,5 Taggelder pro Woche.
Kein Mindesteinkommen nötig
«Ich betreibe einen Schmuckladen. Die Ausgleichkasse sagt, ich erfülle die Voraussetzungen nicht, weil mein Einkommen zu tief sei. Muss ich mich damit abfinden?»
Nein. Sie mussten Ihren Betrieb aufgrund der Corona-Massnahmen schliessen, deshalb haben Sie Anspruch auf ein Taggeld. Die Verordnung sieht für Erwerbstätige, die ihren Betrieb schliessen mussten, kein Mindesteinkommen vor. Letzteres gilt bloss für Selbständige, die weiterarbeiten konnten und nur einen indirekten Erwerbsausfall hatten.