Sonnencremes - Nebenwirkungen inklusive
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saldo 10/2001
23.05.2001
Eine neue Studie zeigt: UV-Filter in Sonnencremes schaden eventuell dem Menschen und der Umwelt. Das Bundesamt für Gesundheit verlangt nun weitere Tests.
Die dänischen Behörden handelten sofort: Ende April liessen sie bestimmte Sonnencremes aus den Regalen nehmen. Die Massnahme erwies sich als überstürzt und ist mittlerweile wieder aufgehoben.
Forscher am Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Uni Zürich haben die Debatte ausgelöst. Sie fütterten ju...
Eine neue Studie zeigt: UV-Filter in Sonnencremes schaden eventuell dem Menschen und der Umwelt. Das Bundesamt für Gesundheit verlangt nun weitere Tests.
Die dänischen Behörden handelten sofort: Ende April liessen sie bestimmte Sonnencremes aus den Regalen nehmen. Die Massnahme erwies sich als überstürzt und ist mittlerweile wieder aufgehoben.
Forscher am Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Uni Zürich haben die Debatte ausgelöst. Sie fütterten junge Ratten vor der Geschlechtsreife mit sechs der am häufigsten verwendeten UV-Filter. «Drei davon liessen bei den Ratten die Gebärmutter frühzeitig wachsen», so Margret Schlumpf, Leiterin der Studie. Ein Hinweis, dass die chemischen Verbindungen wie weibliche Hormone wirken.
Gleiche Filter auch in Hautcremes und Lippenstiften
Die Forscherin wollte auch wissen, ob die Substanzen durch die Haut wirken. Ratten wurden deshalb in einer mit Olivenöl vermischten UV-Filtersubstanz gebadet. Resultat: Bei zwei UV-Filtern vergrösserte sich die Gebärmutter ebenfalls. Das lässt aufhorchen, denn die Konzentration war gleich hoch wie in vielen Sonnencremes. Störend: Die Industrie setzt UV-Filter auch in Hautcremes, Lippenstiften und Haarsprays ein, wo deren Einsatz viel weniger zu begründen ist als in Sonnenschutzmitteln. Nun wird untersucht, ob diese Substanzen auch für den Menschen ein Risiko darstellen. «Es ist noch zu früh, um ein Verbot bestimmter UV-Filter zu verlangen», sagt Margret Schlumpf.
Die Zürcher Forscher haben weltweit als erste die Hormonaktivität von UV-Filtern getestet. Viele Experten warnen vor solchen hormonaktiven Substanzen. Es ist bekannt, dass sie die Geschlechtsentwicklung im Mutterleib schädigen können. Fortpflanzungsstörungen wurden bei wild lebenden Tieren, die mit Chemikalien belastet waren, sehr gut dokumentiert.
Besorgnis erregend ist die Tatsache, dass UV-Filter in Fischen aus Badeseen und in der Muttermilch gefunden wurden. «Viele dieser Substanzen bauen sich schlecht ab und sammeln sich in Lebewesen an. Die Auswirkungen bekommen vielleicht erst die folgenden Generationen zu spüren», sagt Toxikologin Schlumpf.
Diesen Gefahren ist sich auch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) bewusst. Es setzt fest, welche UV-Filter die Industrie verwenden darf. Anna Barbara Wiesmann vom BAG: «Wir haben die Industrie aufgefordert, ihre UV-Filter auf mögliche hormonelle Veränderungen zu testen. Das BAG nimmt das nicht auf die lockere Schulter.»
Die Hersteller sehen keinen Grund zum Handeln
Die Produzenten der UV-Filter, wie der Basler Roche-Konzern oder die deutsche Merck, sehen keinen Grund, ihre Chemikalien zurückzuziehen. Merck zweifelt sogar die Laborresultate der Zürcher Forscher an. Creme-Hersteller wie Migros, Nivea oder Spirig haben gegenüber Kassensturz betont, dass das Risiko für Menschen noch überhaupt nicht erwiesen sei. Hans-Jürg Furrer, Vizedirektor von Louis Widmer, wartet vorerst die Testergebnisse ab: «Falls sich die Resultate bestätigen, werden wir uns natürlich um einen Ersatz bemühen.»
Unbestritten ist, dass man sich weiterhin vor Sonne schützen und eincremen soll.
Pasquale Ferrara
Sonnenschutz - Es gibt Alternativen
Die Uni Zürich hat sechs UV-Filter-Substanzen untersucht. Vier davon veränderten nach dem Verfüttern an Ratten deren Hormone: 4-Methylbenzylidene Camphor (4-MBC), Octyl Mehtoxycinnamat (OMC); Ethylhexyl Methoxycinnamate; Benzophenon 3. Brisant: die beiden Chemikalien OMC und 4-MBC wirkten bei den Ratten schon via Hautkontakt.
Kassensturz fand die Inhaltsstoffe auf den Packungen fast aller Hersteller. Bestimmte Produkte von Ambre Solaire und die Marken Vichy und La-Roche-Posay verwenden andere UV-Filter. Doch diese UV-Filter sind noch nicht untersucht worden. Es ist also unklar, ob diese Sonnenfilter nicht auch Hormonveränderungen herbeiführen.
Mögliche Alternativen: Sonnencremes ohne chemische Filter. Sie decken die Haut mit einer weissen mineralischen Schicht ab, schützen also durch Reflexion der Strahlen. Sie werden besonders für Kleinkinder empfohlen.