Für eine gemütliche Spazierfahrt mit dem Velo sind weder eine Goretex-Jacke noch Velohandschuhe notwendig. Joggen lässt sich auch im Baumwolltrainer, und für eine leichte Wanderung genügen Jeans, Hemd und Pulli, wenn es nicht gerade aus Kübeln giesst.
Anders sieht es bei schlechtem Wetter und intensiveren körperlichen Aktivitäten aus. Regelmässige Sportler schwören auf die Vorteile funktioneller Bekleidung. Bike-Weltmeister Thomas Frischknecht zum Beispiel möchte nicht darauf verzichten. Er empfiehlt denn auch Gelegenheitssportlern: «Wer Spass haben und sich wohl fühlen will, ist auf funktionelle Bekleidung angewiesen.»
Und Markus Weder, der bei der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) die Eigenschaften von Textilien testet, gibt gesundheitliche Aspekte zu bedenken: «Ein klatschnasses Shirt aus Baumwolle kann schnell zu unangenehmem Frösteln führen und damit der Anfang einer Erkältung sein.» Gerade Gelegenheitssportler sollten deshalb nicht auf funktionelle Unterwäsche verzichten.
Die meisten Sportartikelhersteller bieten heute eine Vielzahl von Sportkleidern aus ähnlichen Kunststoffen wie «Climalite», «Dry & Cool» und «Pay Dry» an. Letztlich stehen all diese Namen für den gleichen Anspruch: Der schwitzende Sportler soll trocken bleiben. Die im Gewebe eingesetzten Kunstfasern nehmen den Schweiss vom Körper auf, um ihn - anders als Baumwolle - durch den speziell strukturierten Stoff nach aussen zu leiten.
Mit Basics im Zwiebellook durch alle Jahreszeiten
Doch das Abtransportieren von Schweiss ist nur eine der spezifischen Eigenschaften funktioneller Sportsachen. Wasser- und winddicht, atmungsaktiv und möglichst leicht sollen die Textilien sein - dank mikroporösen Stoffen wie Goretex, Memotex und Texapore. Der Schnitt der Kleidung soll optimale Bewegungsabläufe ermöglichen. Details wie Verstärkungen, Lüftungen, Verstellbarkeit und Taschen sollen zum Komfort beitragen.
Will ein Freizeitsportler von all diesen «Wundern» profitieren, geht das ins Geld. Geradezu ausufernd droht es bei Multisportlern zu werden, die abwechselnd beim Joggen, Biken oder Skaten unterwegs sind. «Es ist nicht notwendig, für jede Sportart eine komplette Kleiderausrüstung anzuschaffen», sagt Frischknecht und rät zum Kombinieren. «Zum Beispiel sind Brille, Unterwäsche, Regenjacke und Fleece vielseitig einsetzbar.»
Das Prinzip für diese Grundausrüstung mit Basics heisst immer Schichten- oder Zwiebellook. Dadurch ist es einfacher, sich nicht nur den Jahreszeiten und dem Wetter, sondern auch den verschiedenen Sportarten anzupassen.
«Funktionsunterwäsche auf der Haut, darüber eine Isolationsschicht aus Fleece oder Faserpelz, aussen schliesslich eine Funktionsjacke», fasst Fachhändler Urs Bucher von Spatz Camping in Zürich das klassische Dreischichten-Prinzip zusammen. Die Anzahl Schichten kann je nach Temperaturen reduziert oder erweitert werden, im Winter zum Beispiel mit einem weiteren Fleece und einer Daunenjacke.
Allenfalls braucht es nebst der Grundausrüstung gewisse Specials: die gepolsterte Bikehose etwa bei Velofahrern für den Sitzkomfort - oder Knieschoner für Skater. Die Kombinationsmöglichkeiten stossen, wie Fabienne Gilliéron vom Sportbekleidungshersteller Odlo erklärt, aber an gewisse Grenzen: «Eine einzige Funktionsausrüstung für alle Sportarten ist ein Ding der Unmöglichkeit. Denn die jeweiligen Bedürfnisse sind zu unterschiedlich.» Eine dicke Membranjacke mag für die Berge ideal sein, fürs Joggen oder Langlaufen taugt sie wegen des zu geringen Feuchtigkeitstransports kaum.
Die funktionellen Sportkleider haben auch Schwachstellen: Einmal mit Weichspüler gewaschen - und die spezifischen Eigenschaften des Gewebes sind hin. Weiteres Problem: Die Kunstfasern speichern den Schweiss in Hohlräumen, und dort herrscht meist ein ausgezeichnetes Klima für Bakterien. Das kann - rascher als bei Baumwolle - zu einem üblen Geruch führen. Odlo und andere Hersteller glauben jetzt, nach zehnjährigem Forschen, mit antibakteriell wirkenden und geruchshemmenden Silber-Ionen die Lösung gefunden zu haben.
Sportbekleidung wird also, wie das letzte Beispiel zeigt, immer raffinierter. Trotzdem sollten Konsumenten vorsichtig bleiben: Hinter vielen Werbesprüchen stecken leere Versprechungen. Kaum eine Jacke wird heute ohne regendichte Reissverschlüsse angepriesen. Aber nur selten sind diese wirklich dicht, wie Tests in der Fachzeitschrift «Outdoor» beweisen.
«Gut» war nur die Hälfte der getesteten Sportwäsche
Bei einem Thermowäsche-Test (K-Tipp 1/04, siehe Kasten S. 44) erhielten fünf von zehn Produkten ein «gut». Zwei Leibchen isolieren lausig und versagen beim Abtransport der Feuchtigkeit.
Auch die Stiftung Warentest prüfte Sportunterwäsche: Nur 5 von 16 Produkten waren wirklich gut. Vielleicht sollte man beherzigen, was Testexperte Wolfgang Hestermann zumindest für heisse Sommertage empfiehlt: «So wenig Kleider wie möglich, damit der Schweiss auf der nackten Haut verdunsten und so den Körper optimal kühlen kann.»
Beträchtlich sind bei den Sportkleidern die Preisunterschiede (siehe Kasten Seite 44). Nicht immer ist die unterschiedliche Qualität dafür verantwortlich. Wie so oft bei hippen Modeartikeln muss für das Image einer Marke zusätzlich Geld hingeblättert werden.
Bei Modellen von Arcteryx oder Patagonia drückt dieser Lifestyle-Faktor schwer aufs Portemonnaie. Die Kleider werden nicht weil man schwitzt getragen, sondern weil es schick ist: «Immer mehr Leute schätzen die funktionellen Sportkleider im Alltag zu Hause, bei der Arbeit oder in der Stadt», beobachtet Heidi Eiselin von Eiselin-Sport in Luzern. Das darf dann ruhig auch etwas mehr kosten, als wenn die Kleider ausschliesslich sportlichen Zwecken dienen müssten.
Rund 700 Millionen Franken geben die Schweizer jährlich für Sportbekleidung aus, einen Fünftel davon für spezifische Outdoor-Bekleidung. Sicher ist: Wer mit Bedacht wählt und nicht ohne Vergleichen auf eine Marke setzt, kriegt oft für die Hälfte des Preises mindestens so gute Produkte.
Sparen lässt sich auch, erinnert Frischknecht, durch die Wahl des günstigsten Zeitpunkts für den Kauf. «Nicht vor oder während der Saison einkaufen, sondern im Sonderverkauf oder nach Saisonende», rät der Spitzensportler. In Sport-Outlets (in Münchwilen TG, Murgenthal AG, Rümlang ZH, Schönenwerd SO, Wettingen AG oder im Helly Hansen Factory Outlet in Wallisellen ZH) können Preisbewusste das ganze Jahr über fündig werden (detaillierte Infos: SPEZIAL «Schnäppchen», 1/04).
Tests belegen: Manchmal ist das günstigste Produkt das beste
Tests beweisen: Ein hoher Preis ist keine Garantie für Qualität. Oft schneiden günstige Produkte am besten ab.
- Thermowäsche
Das teuerste Shirt von Hersteller Falke, Ergonomic System, Fr. 79.-, erhielt im K-Tipp-Test (1/04) die schlechteste Note («ungenügend») von den zehn geprüften Produkten. Ein «gut» gabs unter anderem für zwei Leibchen, die nicht mal halb so viel kosten: K-Tec für Fr. 35.- und Big Bear für Fr. 29.90.
- Regenjacken
Bei einem Test mit Jacken unter Fr. 200.- (K-Tipp 7/03) schnitt das K-Way-Modell «Richwood» für Fr. 69.- gleich gut ab wie die Jacke «Your 6th Sense» von Sympatex für Fr. 199.-.
- Materialien
Was die Materialien betrifft: Den Massstab setzte lange das teure Goretex. Inzwischen gibt es viele ähnliche Gewebe wie Ceplex, Drilite, Event-Fabric, Rukka-Tex und Raintex - und sie sind deutlich günstiger.
- Preis-/Leistungs-Verhältnis
Im «Outdoor»-Katalog (Ausgabe 2003) finden sich viele Beispiele für das enorme Preisgefälle bei funktionellen Sportkleidern: Die günstigste Jeantex-Regenhose kostet umgerechnet Fr. 85.-, die teuerste von Arcteryx über Fr. 600.-. Die Preisspanne von Daunenjacken reicht von Fr. 170.- (Salewa) bis zu über Fr. 1000.- für den expeditionstauglichen Parka (Marmot 8000).
Für welches Produkt soll sich der preisbewusste Konsument entscheiden?
Die Zeitschrift «Outdoor» gibt Kauftipps für Artikel mit einem ausgezeichneten Preis-/LeistungsVerhältnis: Für 125 Franken wird die Regenhose Vaude Arrow empfohlen, die laut Test kaum schlechter sein soll als die von Arcteryx. Eine Fleece-Jacke von Lowe Alpine für Fr. 200.- wird so gut benotet wie das fünfmal teurere Edelmodell von North Face.
- Polyester-Faserpelzjacken
Saldo und «Kassensturz» haben von der Eidg. Materialprüfungsanstalt St. Gallen neun Polyester-Faserpelz-Modelle prüfen lassen: Was taugen sie nach zehnmaligem Waschen? Fast alle haben Knöllchen gebildet. Wichtigstes Kriterium war jedoch die Wärme-Isolation (Saldo 1/04). Testsieger wurde das günstige Modell von Salewa (Fr. 60.-).
- Softshell-Jacken
Keines Kommentars bedarf es, wenn das günstigste Modell am besten ist: Geprüft wurden vom Magazin «Outdoor» Softshell-Jacken (winddichter Stretch-Fleece mit einem gewissen Nässeschutz: Die beste, von Helly Hansen, kostete Fr. 200.-, die schlechteste, von Patagonia, Fr. 360.- (Ausgabe 6/03).