Ein BMW-Fahrer soll im Dezember 2015 auf der Autobahn A4 in Goldau SZ mit etwa 140 statt 120 Stundenkilometern gefahren sein und zwei Autos rechts überholt haben. Die Staatsanwaltschaft Innerschwyz verurteilte ihn deshalb zu einer Geldstrafe.
Fahrmanöver mit Dashcam gefilmt
Einziges Beweismittel war die Kamera-Aufzeichnung eines Fahrlehrers. Er hatte in seinem Wagen auf dem Armaturenbrett eine kleine Videokamera installiert – eine Dashcam. Damit filmte er das Fahrmanöver des Beschuldigten.
Doch sind Dashcam-Aufnahmen als Beweismittel zulässig? Das Gesetz sagt dazu nichts, und es gibt erst wenige Gerichtsentscheide. Der BMW-Fahrer wehrte sich zunächst vergeblich beim Einzelrichter des Bezirksgerichts Schwyz. Auf seine Berufung kam das Kantonsgericht Schwyz am 20. Juni 2017 zu einem anderen Resultat – und sprach den Mann frei.
Stefan Maeder, Assistenzprofessor für Strafrecht an der Universität Luzern, hat sich eingehend mit dem Schwyzer Urteil befasst. Er hält den Entscheid für richtig. Laut Maeder dürfen Private – wie der Fahrlehrer – zwar ermitteln. Doch nicht schrankenlos: Man müsse sich dabei ans geltende Recht halten.
Die massgeblichen Vorschriften finden sich im Straf-, Datenschutz- und Persönlichkeitsrecht. Sofern diese Rechte nicht verletzt werden, dürften die Strafbehörden den Beweis verwenden. Wer ständig mit einer Dashcam filmt, verletzt laut Maeder jedoch regelmässig solche Vorschriften.
Persönlichkeitsrechte werden verletzt
Die Kameras zeichnen in der Regel Video und Ton auf. Man kann sich deshalb wegen unbefugten Aufnehmens fremder Gespräche strafbar machen. Zum Beispiel dann, wenn man andere Fahrzeuginsassen nicht auf die Aufnahme hinweist.
Wer Autokennzeichen und Personen filmt, bearbeitet zudem Personendaten im Sinne des Datenschutzgesetzes. Das muss für die gefilmten Personen erkennbar sein. Das sei aber in der Regel nicht so, sagt Maeder. Weder sei die Dashcam für andere Verkehrsteilnehmer ersichtlich, noch werde auf sie hingewiesen. Das versteckte Filmen mit einer Dashcam bedeutet deshalb laut Maeder ein unverhältnismässiges Sammeln von Personendaten auf Vorrat. Das verletze die Persönlichkeitsrechte der gefilmten Personen schwer.
Laut Kantonsgericht gab es kein überwiegendes Interesse, welches das Filmen des BWM-Fahrers gerechtfertigt hätte. Der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte Adrian Lobsiger teilt diese Auffassung: Für den Einsatz von Dashcams gebe es normalerweise keine ausreichende Rechtfertigung.
Widerrechtlich gesammelte Beweise sind laut Bundesgericht nur ausnahmsweise verwertbar. Nämlich dann, wenn die Strafbehörden das Beweismittel rechtmässig hätten beschaffen können und eine Interessenabwägung für die Verwertung spricht. Das war laut Kantonsgericht Schwyz aber nicht der Fall, «da ein flächendeckendes, anlassloses und ständiges Filmen durch die Polizei unzulässig» sei.
In einem anderen Fall liess das Obergericht Zug Dashcam-Aufnahmen hingegen als Beweismittel zu (Urteil vom 11. Mai 2017). Ein Porschefahrer hatte den Anzeigeerstatter auf der Autobahn bedrängt und schloss mit einem Abstand von zwei bis drei Metern von hinten auf. Bei einer Ausfahrt überfuhr er eine doppelte Sicherheitslinie.
Beweissicherung höher gewichtet
Laut den Zuger Oberrichtern war der Anzeigeerstatter berechtigt, die Kamera weiterlaufen zu lassen, nachdem er bedrängt worden war. Sie stuften sein Interesse an der Beweissicherung höher ein als das Interesse des Porschefahreres, sich unbeobachtet und unkontrolliert im Strassenverkehr zu bewegen.