Fast jedes Jahr kennt die Entwicklung der Krankenkassenprämien nur eine Richtung – nach oben. Für 2024 ist der Anstieg mit durchschnittlich 8,7 Prozent besonders stark. Gesundheitsminister Alain Berset erklärte dies Ende September vor den Medien so: «Das Durchschnittsalter erhöht sich laufend. Dadurch kommen immer mehr Menschen in ein Alter, in dem man mehr Gesundheitsleistungen braucht.» Doch stimmt das wirklich?
Die Zahlen der Krankenversicherungsstatistik des Bundesamtes für Gesundheit zeigen: Die von den Krankenkassen pro Kopf der Bevölkerung bezahlten Leistungen nahmen in den zehn Jahren von 2013 bis 2022 zwar in allen Altersklassen zu. Sie stiegen aber in den Altersgruppen der 71- bis 85-jährigen und der über 85-jährigen Versicherten prozentual weniger stark als in den Gruppen der 11- bis 40-Jährigen. Zugleich stieg die Zahl der Versicherten in den höheren Altersklassen stärker als bei den Jüngeren.
Unter dem Strich heisst das: Die Gesellschaft wird immer älter – aber pro Kopf verursachten ältere Menschen in den vergangenen zehn Jahren prozentual weniger Kostenwachstum als junge.
Das ändert allerdings nichts daran, dass die Kosten in absoluten Zahlen im Alter deutlich höher sind. Die Krankenkassen zahlten letztes Jahr pro Kopf bei den 71- bis 85-Jährigen etwa 6,5 Mal und bei den über 85-Jährigen 11 Mal so viel wie bei den 11- bis 25-Jährigen.
Viel Sparpotenzial bei Älteren
Das erstaunt nicht, denn ältere Menschen leiden häufiger an chronischen Krankheiten wie zum Beispiel Diabetes und Demenz. Sie benötigen mehr medizinische Hilfe und Pflegeleistungen.
Darum wäre es sinnvoll, das Gesundheitssystem stärker auf die Situation älterer Menschen auszurichten. Zum Beispiel sollte man die Möglichkeiten zur ambulanten Betreuung erweitern («Saldo» 16/2016).
Der Gesundheitsökonom Willy Oggier wies kürzlich in der NZZ darauf hin, dass ein Drittel der Patienten in den Pflegeheimen weniger als eine Stunde Betreuung pro Tag brauche. Man könnte sie zu Hause statt in einem teuren Pflegeheim betreuen.
Viel stärker fällt aber ins Gewicht: Im letzten Lebensjahr eines Versicherten steigen dessen Krankheitskosten massiv – und zwar weitgehend unabhängig davon, wie alt oder jung er ist. Die Kosten klettern dann im Durchschnitt auf das Fünf- bis Zehnfache des vorherigen Niveaus. Grund: teure Krebsbehandlungen, lange Spitalaufenthalte und intensivere Pflege.
Das ergab unter anderem das Forschungsprogramm «Lebensende» des Schweizerischen Nationalfonds aus dem Jahr 2017. Mehrere Kassen bestätigten den Zusammenhang gegenüber dem K-Tipp.
Kosten steigen nicht, sie fallen später an
Für das Kostenwachstum ist es vor diesem Hintergrund nicht entscheidend, ob die Bevölkerung immer älter wird. Denn mit der Alterung verschiebt sich die grösste Gruppe jener Menschen, die sich im letzten Lebensjahr befinden, einzig in ein höheres Alter. Die verursachten Kosten erhöhen sich dadurch nicht, sie fallen einfach später an.
Bereits 2006 kam der Gesundheitsökonom Stefan Felder in einer Studie an der Universität Magdeburg (D) zum Schluss: «Da jeder nur einmal stirbt, ist es für die Höhe der Ausgaben unerheblich, wenn er nicht – wie zu Beginn des letzten Jahrhunderts – im Durchschnitt im 46., sondern wie heute im 78. Lebensjahr stirbt.» Die Alterung der Gesellschaft wirke sich weniger stark auf die gesamte Entwicklung der Krankheitskosten aus, als man gemeinhin glaube.
Alterung verursacht kleinen Teil der Kosten
Laut einer Untersuchung des Krankenkassenverbands Santésuisse von 2021 ist nur etwa ein Fünftel des Kostenanstiegs zwischen 2012 und 2019 mit der Alterung der Gesellschaft zu erklären. Zu einem ähnlichen Befund kam das Schweizerische Gesundheitsobservatorium Obsan 2012, nachdem es das Kostenwachstum von 1998 bis 2010 analysiert hatte.
Fazit: Der Anstieg der Krankheitskosten ist kein Naturgesetz. Denn er lässt sich nur zu einem kleinen Teil darauf zurückführen, dass die Bevölkerung immer älter wird. Den Hauptteil verursachen andere Faktoren wie häufigere Konsultationen von Spezialärzten, steigende Medikamentenpreise, falsche Anreize, etwa zu stationären Spitalbehandlungen, und einiges mehr. Dagegen könnten Behörden und Politik sehr wohl etwas unternehmen – wenn sie denn wollten.
Krankenkasse wechseln und Prämien sparen
Steigt die Krankenkassenprämie stark, lohnt es sich, einen Kassenwechsel zu prüfen. Darauf muss man achten:
- Prämien der Kassen vergleichen – am besten mit dem Prämienrechner des Bundes: Priminfo.ch.
- Die Grundversicherung kündigen. Die Kündigung muss spätestens am 30. November bei der Kasse eintreffen. Für die Anmeldung bei der neuen Kasse hat man Zeit bis Ende Dezember.
- Allenfalls die Franchise erhöhen und/oder ein Sparmodell wählen. Beides kann die Prämie stark reduzieren, wie sich auf Priminfo.ch ausrechnen lässt.
- Detaillierte Tipps zum Kassenwechsel finden Sie im K-Tipp 16/2023 und im K-Tipp-Ratgeber So sind Sie richtig versichert.