Zeitungen, Internetportale und Radiosender sollen künftig mehr Gelder aus der Staatskasse und dem Serafe-Gebührentopf erhalten. Heute erhalten die Medienhäuser pro Jahr 136 Millionen Franken – zur Verbilligung der Postporti und für ihre Radio- und TV-Sender. In Zukunft sollen es mindestens sieben Jahre lang maximal 287 Millionen sein – mehr als doppelt so viel. Das hat die Mehrheit des Parlaments im Juni entschieden. Medienministerin Simonetta Sommaruga begründete die staatlichen Fördergelder an die Verlage damit, dass den Zeitungen die Inserate wegbrechen: «Die Presse hat in den letzten zehn Jahren mehr als die Hälfte aller Werbeumsätze verloren.»
Ein Blick auf die Inseratestatistik der Wemf AG für Werbemedienforschung zeigt: Die gedruckten Zeitungen nahmen im Corona-Jahr 2020 aus Inseraten insgesamt 522 Millionen Franken ein. Im Jahr 2010 war es noch das Dreifache. Das bedeutet aber nicht, dass alle Verlage am Hungertuch nagen. Im Gegenteil: Gerade die grössten Schweizer Medienhäuser sind weiterhin hochprofitabel.
Denn die Stellen-, Auto- oder Wohnungsinserate, die früher in den Printmedien publiziert wurden, erscheinen heute weitgehend auf Internetportalen wie Autoscout24.ch, Homegate.ch, Jobs.ch, Ricardo.ch oder Immoscout24.ch. Damit verdienen vor allem die Grossverlage TX Group (früher Tamedia) und Ringier viel Geld. Die beiden Unternehmen teilen sich Jobs.ch; Homegate.ch ist im Besitz der TX Group, Ringier ist an Autoscout24 und an Immoscout beteiligt. Die TX Group verdiente mit ihren Plattformen 2020 laut Geschäftsbericht 252 Millionen Franken. Hinzu kamen 274 Millionen Franken aus Inseraten in Print- und Internetzeitungen. Das macht Werbeeinnahmen von insgesamt 526 Millionen Franken. Das ist ähnlich viel wie vor 20 Jahren: Im Jahr 2000 nahm Tamedia 538 Millionen mit Inseraten ein. Ohne die Ladenschliessungen während der Corona-Pandemie wären die Werbeeinnahmen der TX Group möglicherweise noch höher. Das zeigt das Jahr 2019: Damals nahm der Konzern mit Inseraten auf Plattformen und in Zeitungen 628 Millionen ein.
Ähnlich die Situation bei Ringier: 2020 generierte der Blick-Verleger mit digitalen Rubrikenplattformen 419 Millionen Franken. Einige Internetplattformen verdienten sogar an der Pandemie. Im Geschäftsbericht von Ringier heisst es: «Deindeal.ch und Geschenkidee.ch profitierten stark vom generellen Online-Shopping-Wachstum.» Zusammen mit Inseraten in Zeitungen erwirtschaftete Ringier im vergangenen Jahr knapp 500 Millionen Franken an Werbeeinnahmen. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 beliefen sich die Inserateeinnahmen erst auf 235 Millionen Franken.
Ein stattlicher Teil geht an die Aktionäre
In den vergangenen zehn Jahren erzielten die Medienhäuser Tamedia, Ringier, NZZ und AZ Medien laut ihren Geschäftsberichten Betriebsgewinne vor Steuern und Abschreibungen von insgesamt 3,8 Milliarden Franken. Am meisten Profit machte Tamedia mit 2,1 Milliarden Franken. Dahinter folgen Ringier mit 1 Milliarde, die NZZ (518 Millionen) und die AZ-Medien (249 Millionen). Die Gewinne sind nur bei der NZZ und den AZ-Medien rückläufig. Sogar im Krisenjahr 2020 erzielten die Verlage Gewinne, unter anderem dank Corona-Nothilfen (K-Tipp 7/2021).
Tamedia zahlt jeweils einen stattlichen Teil der Gewinne an die Aktionäre aus. Von 2011 bis 2020 flossen laut den Geschäftsberichten Dividenden in der Höhe von total 425 Millionen Franken an die Tamedia-Besitzer. Die Hälfte erhielten die vier grössten Aktionäre Severin Coninx, Rena Maya Coninx Supino, Hans Heinrich Coninx und Annette Coninx Kull. Die Nachkommen von Wilhelm Girardet, der 1893 den «Tages-Anzeiger» gründete, besitzen 50 Prozent der TX-Group-Aktien. Laut dem Wirtschaftsmagazin «Bilanz» besitzt die Familie Coninx ein Vermögen von 850 Millionen Franken, die Familie Ringier rund 950 Millionen. Auch diese beiden Familien würden von den neuen Subventionen profitieren. Denn am meisten Geld erhalten nach dem Willen des Parlaments die Verlage, die Tages- und Wochenzeitungen herausgeben.
Referendum gegen das Mediengesetz
Der Geldsegen aus der Bundeskasse stösst selbst in der Medienbranche auf Skepsis. Felix E. Müller, langjähriger Chefredaktor der «NZZ am Sonntag», befürchtet mehr Einflussnahme der Politiker auf die Medien. «Je mehr Millionen, desto grösser die gefühlte Berechtigung zu sagen, was im Journalismus noch geht und was nicht mehr», schrieb er Mitte Juni in der «NZZ am Sonntag».
«Nebelspalter»-Verleger Markus Somm hat sich einem Komitee um den früheren SVP-Präsidenten Toni Brunner und den parteilosen Schaffhauser Ständerat Thomas Minder angeschlossen, das Unterschriften sammelt für ein Referendum gegen das Mediengesetz. Sie sprechen von Subventionen für «Medien-Millionäre». Kommt es zustande, hat das Volk das letzte Wort.
Wegen Portoerhöhungen: Subventionen fliessen zur Post
Das Parlament beschloss im Juni weitere Portoverbilligungen für Zeitungen und Zeitschriften. Bisher zahlt der Bund der in seinem Besitz befindlichen Post AG pro Jahr 50 Millionen Franken, neu werden es 120 Millionen sein: 30 Millionen für die Reduktion der Porti der Publikationen von Verbänden und Stiftungen, 90 Millionen für die Tages- und Wochenzeitungen.
Kaum hatte das Parlament die zusätzlichen Millionen beschlossen, teilte die Post den Verlagen mit, dass die Porti ab 2022 vier Jahre lang jedes Jahr steigen werden. Die Preiserhöhung ist so konzipiert, dass sie vor allem die 950 Titel der Stiftungs- und Mitgliederpresse trifft. Dazu gehören zum Beispiel der «Schweizer Bauer», Parteizeitungen und die Magazine der Umweltschutzorganisation WWF und der Menschenrechtsorganisation Amnesty – oder auch der K-Tipp.
Amnesty rechnet damit, dass die Preiserhöhung der Post 2022 Mehrkosten von 3500 Franken pro Ausgabe ihres Magazins ausmachen wird. Der Versand einer Ausgabe des K-Tipp wird den Verlag Konsumenteninfo nächstes Jahr rund 4000 Franken mehr kosten. Ab 2025 ist die von der Post angekündigte Portoerhöhung etwa so gross wie die vom Parlament beschlossene Portoverbilligung. Mit anderen Worten: Von den Bundessubventionen profitiert die Post, nicht die Verlage.
Der K-Tipp hat zwei Mitglieder der nationalrätlichen Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen zur geplanten Portoerhöhung befragt. Der Bündner Nationalrat Martin Candinas (Mitte) sagt dazu: «Die Postzustelltarife sind nicht Sache der Kommission.» Der Zürcher SVP-Nationalrat Gregor Rutz ist überrascht: «Wenn man die Medien fördern will, macht eine Preiserhöhung keinen Sinn.»