Regierung und Parlament haben ein grosses Herz für die Verlagsbranche: Knapp drei Monate nach Ausbruch der Pandemie beschloss der Bundesrat am 20. Mai 2020 für sie ein millionenschweres Hilfspaket. Es enthält 30 Millionen Franken Direkthilfe für private Radio- und Fernsehveranstalter. Zudem mussten die Steuerzahler bis Ende Jahr die Kosten fürs Porto der Tages- und Wochenzeitungen finanzieren. Kostenpunkt: rund 17,5 Millionen Franken. Weitere 10 Millionen zahlte die Bundeskasse an die Ausgaben für Meldungen der Nachrichtenagentur SDA.
Im Herbst wünschten die Verlage eine Verlängerung dieser Unterstützung. Der Bundesrat erfüllte den Wunsch mit 20 weiteren Millionen bis vorläufig Ende Juni.
TX Group: 130,6 Mio., CH Media: 42,8 Mio.
Jetzt zeigt sich: Die Branche hat ein gutes Jahr hinter sich. Die TX Group, zu der unter anderem die Medienhäuser Tamedia (Tages-Anzeiger, Der Bund, Berner und Basler Zeitung etc.) sowie 20 Minuten gehören, erzielte einen Betriebsgewinn vor Abschreibungen von 130,6 Millionen Franken. Bei CH Media (Aargauer und Luzerner Zeitung, St. Galler Tagblatt etc.) waren es 42,8 Millionen. Und beim Unternehmen NZZ 24,5 Millionen Franken.
Ringier (Blick) gibt die Zahlen für 2020 erst Ende April bekannt. Im Vorjahr belief sich der Gewinn vor Abschreibungen auf 114,1 Millionen. Auch bei andern Grossverlagen war diese Zahl in den Jahren vor der Pandemie durchwegs stattlich – bei der TX Group lag sie ab 2014 stets zwischen rund 200 und 245 Millionen pro Jahr (K-Tipp 10/2020).
Auch Corona-Inserate brachten viel Geld ein
Gesamthaft erhielt Ringier nach eigenen Angaben bis jetzt rund 3,5 Millionen Franken aus dem Corona-Hilfspaket des Bundes. Tamedia und 20 Minuten vermelden für vergangenes Jahr knapp 3,2 Millionen und CH Media netto 6,8 Millionen Franken. Überlebenswichtig war die Nothilfe des Bundes nicht: CH-Media-Geschäftsleiter Axel Wüstmann sagte zum Geschäftsjahr 2020 gegenüber dem Branchenportal Persoenlich.com, das Resultat wäre auch ohne die Bundeshilfe «sehr ähnlich» ausgefallen. Die NZZ-Gruppe schliesslich gab nur preis, «im Rahmen der indirekten Presseförderung den Betrag von 500 000 Franken» erhalten zu haben. Zum Total der Bundesunterstützung steht auch in ihrem Geschäftsbericht nichts.
Corona zahlte sich für die Branche noch anders aus: Zum «Hilfspaket» des Bundesrats kamen nämlich die Millionen, die das Bundesamt für Gesundheit für Corona-Inserate und -Spots ausgab: Bis jetzt beläuft sich die Rechnung für die Steuerzahler auf 16 Millionen Franken. Viele Verlage bezogen zudem wie Unternehmen anderer Branchen im vergangenen Jahr Kurzarbeitsentschädigungen aus der Arbeitslosenversicherung in Millionenhöhe.
Künftig winkt den Verlagen noch viel mehr Geld. Und zwar aus dem «Massnahmenpaket zugunsten der Medien», welches das Parlament kürzlich unabhängig von Corona schnürte. National- und Ständerat gingen mit ihren Beschlüssen weit über die Vorschläge des Bundesrats hinaus. Unter dem Strich werden die Verlage wohl ab 2023 mit 150 Millionen Franken pro Jahr unterstützt. Und dies, obwohl ihnen als Betreiber privater Radio- und TV-Stationen auch noch mehr als 80 Millionen pro Jahr aus dem «Serafe-Topf» zufliessen, in den alle Haushalte ihre jährliche Mediensteuer einzahlen müssen.
Im Parlament gab es kaum grundsätzliche Kritik. Der parteilose Schaffhauser Thomas Minder war im Ständerat einer der wenigen, die sich gegen die neuen Millionensubventionen an die Medien stemmten. Er verwies auf die stattlichen Gewinne der Grossverlage und kritisierte, dass man diesen Unternehmungen «allen Ernstes noch weitere Millionen geben» wolle – «für mich ein unglaubliches Tun».
Bemerkenswert ist auch, dass zwar viele Parlamentsmitglieder die wichtige Funktion der Medien zur Vermittlung und Einordnung von Informationen und zur Meinungsbildung in der direkten Demokratie betonten. Doch die Bedeutung der Unabhängigkeit der Medien vom Staat kam kaum zur Sprache. Eine Ausnahme machte FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen: «Wenn die Medienhäuser schon die vierte Gewalt im Staat sein wollen, ist die Frage berechtigt, ob sie die Hand, die sie füttert, am Ende effektiv noch beissen werden.» Er war ein einsamer Rufer in der Wüste.