Kosmetikstudios und Schönheitspraxen bewerben sogenannte Fettwegspritzen als Wundermittel gegen Fettpölsterchen: «Lästige, unschöne Fettdepots an Beinen, Bauch oder Hüften? We got you!» oder «Entdecke die revolutionäre Behandlung», lauten Werbesprüche dazu.
Die Fettwegspritze Aqualyx bewirkt, dass sich das Fett an der Einstichstelle am Kinn, am Bauch oder an den Oberschenkeln abbaut. Die Kosten einer Behandlung am Kinn belaufen sich auf 300 bis 500 Franken. Die Studios und Schönheitspraxen empfehlen meist zwei bis drei Behandlungen.
Oliver Scheufler ist Facharzt für ästhetische Chirurgie in der Aare-Klinik Bern. Er wendet die Spritze oft an. «Eine ausführliche Abklärung mit dem Kunden vor der Behandlung ist unerlässlich», sagt er. Denn die Behandlung berge Risiken.Schwangere und Leute mit einer Blutgerinnungsstörung oder einer Sojaallergie sollten sich nicht Fett wegspritzen lassen. Bei ihnen könne es zu Nebenwirkungen wie grossen Blutergüssen oder zu Atemnot kommen, sagt der Arzt.
Bei einem schnellen Abbau grösserer Mengen Fett droht ausserdem gemäss Scheufler eine Überlastung der Leber. Auch könne es zu schmerzhaften Entzündungen und Zystenbildungen kommen. Und bei einer falschen Injektion ausserhalb des Fettgewebes drohten Nervenschäden.
Aufgrund dieser Risiken gilt laut den Gesundheitsämtern der Kantone: Nur ein Arzt darf eine solche Spritze verabreichen. Das bezieht sich auch auf Kosmetikstudios. Kosmetikerinnen dürfen also kein Fettwegmittel spritzen. Auf den Internetseiten der Studios ist oft nicht ersichtlich, wer die Behandlung durchführt.
Vorschriften werden missachtet
Ende April führte der K-Tipp in zehn Kosmetikstudios und Schönheitspraxen in Basel, Bern, Biel, Luterbach SO, St. Gallen und Zürich eine Stichprobe durch. Dafür gab sich eine Testperson als Kundin aus und fragte nach einer Beratung und einer Behandlung mit einer Fettwegspritze am Kinn.
Neben der Frage, ob die Behandlung von einem Arzt durchgeführt wird, galt es Folgendes zu klären: Werden Kunden über Wirkung und Risiken der Spritze aufgeklärt? Ist die Beratung gratis? Und: Werden der Gesundheitszustand der Kundin und die Ursache für das Doppelkinn abgeklärt?
Ergebnis: In sechs der zehn Studios hätte kein Arzt, sondern eine Kosmetikerin die Injektion verabreicht. Das gilt etwa für S-Beautyline Studio in Biel BE und Glow-Beauty Studio in Basel. In diesen Studios wurde die Kundin auch nicht nach ihrem Gesundheitszustand gefragt. Die Kosmetikerinnen klärten zudem nicht ab, ob es sich beim Doppelkinn um Fett oder nur um lose Haut handelte. Im letzteren Fall bringt eine Fettwegspritze nichts. Im Studio informierte man die Kundin lediglich über den Preis für die Behandlung und einen möglichen Termin.
Nur drei Studios klärten umfassend über Wirkung und Risiken der Spritze auf: Beauty2Go in Basel, Beauty Experience Lejla in Luterbach und Beauty-Klinik in St. Gallen. Die Kosmetikerinnen in den übrigen Studios nannten erst auf Nachfrage Nebenwirkungen wie Schwellungen und blaue Flecken. Auf das Risiko eines Nervenschadens wies kein Studio hin.
10 Minuten Beratung für 99 Franken
Einige Praxen wollen schon für eine Beratung viel Geld. Bei Fineskin in Zürich etwa kostet eine Beratung von 10 Minuten 99 Franken. Die Praxis Dr. Papageorgiou in Bern verlangte für 20 Minuten 50 Franken. Dort musste der Arzt während der Beratung zuerst den Namen des Wirkstoffs der Fettwegspritze im Internet suchen. Danach wollte er der Kundin eine Ganzkörperfettabsaugung für 9000 Franken verkaufen. Und in der Praxis Beauty2Go in Basel wollte der Arzt der Kundin nach 5 Minuten Beratung in das Kinn spritzen.
Die erwähnten Studios bestreiten, dass die Spritze nicht von Ärzten gesetzt wird. Kunden seien mit Beratung und Behandlung mit Fettwegspritzen stets zufrieden gewesen.
Kantonsärzte prüfen Studios nicht
Auf Anfrage des K-Tipp sagen die Kantonsärzte, dass sie Arztpraxen, aber keine Kosmetikstudios kontrollieren würden. Letzteres geschehe nur im Fall einer Beschwerde. Weder im Kanton Basel noch in Bern, St. Gallen oder Zürich wurde bisher ein Kosmetikstudio wegen Mängeln geschlossen.
Die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich rät auf Anfrage, dass man sich vor einer Behandlung in jedem Fall von einem Facharzt beraten lassen solle.
Zudem empfiehlt es sich, über Nebenwirkungen wie etwa Rötungen, Blutergüsse, Knotenbildungen oder Nervenschäden Informationen einzuholen. Weiter gilt es zu klären, ob es sich bei der betroffenen Stelle um überschüssige Haut handelt.
Schwangere und Leute mit einer Blutgerinnungsstörung oder einer Sojaallergie sollten generell auf Fettwegspritzen verzichten.
Zum Kauf einer verbotenen Spritze geraten
Diesen März warnte die Behörde Swissmedic vor der Fettweg-Spritze «Lemon Bottle», da die Spritzen keine Zulassung in der Schweiz haben. Die Spritze ist als Arzneimittel eingestuft, und Arzneimittel müssen von Swissmedic zugelassen werden. Nicht zugelassene Arzneimittel wie Lemon Bottle dürfen daher weder verkauft noch angewendet werden.
Die K-Tipp- Stichprobe zeigte: Keines der zehn besuchten Studios und Praxen bot die Spritze Ende April an. Im Studio Coco Beauty in Zürich riet man der Testkundin aber, die Lemon-Bottle-Spritze im Internet zu bestellen und sich selber zu spritzen.