Zwei Wochen lang roch es in der Testredaktion des K-Tipp wie in einer Bäckerei. Jeden Morgen kaufte die Redaktion bei den Grossverteilern Aldi, Coop, Lidl und Migros 16 Brote und legte diese auf eine Präzisionswaage. Erfreuliches Ergebnis: Die meisten der insgesamt 160 eingekauften Brote hatten ein höheres Gewicht als auf der Verpackung angegeben.
Die Stichprobe zeigt: Wer Brot bei Aldi oder Coop einkauft, hat gute Chancen, täglich 30 bis 50 Gramm mehr Brot zu erhalten als angeschrieben. Ob bei Zopf, Baguettes, Brot mit Körnern, Ruchbrot oder Bauernbrot: Von 80 gewogenen Aldi- und Coop-Broten waren bis auf eines alle deutlich schwerer als angegeben.
Anders das Resultat bei Lidl und Migros: In 25 von 80 Fällen wog das Brot weniger als deklariert. Bei Zopf und Brot mit Körnern geizten Lidl und Migros zwar nicht mit Teig. Doch das M-Budget-Ruchbrot der Migros hatte in acht von zehn Fällen Untergewicht. Und bei Lidl wies das «Buurebrot» eine ähnlich schlechte Gewichtsbilanz auf. Die Ergebnisse lassen vermuten, dass die beiden Händler Ruch- und Bauernbrot dauerhaft mit leichtem Untergewicht produzieren.
Einzelbrot darf beim Gewicht abweichen
Die Migros widerspricht und verweist gegenüber dem K-Tipp auf einen natürlichen Gewichtsschwund. Die Brote, die am Morgen in den Migros-Filialen lägen, würden am Vorabend und während der Nacht gebacken. «Verlassen die Brote den Backofen, halten sie das Sollgewicht ein», so die Migros. «Danach verliert das Produkt langsam und fortlaufend an Feuchtigkeit und dadurch minimal an Gewicht.»
Zudem müsse das angegebene Gewicht nur im Durchschnitt über eine gesamte Charge Brot eingehalten werden. Daran halte man sich Lidl argumentiert ähnlich. Man halte sich an die gesetzlichen Vorgaben. Es sei bedauerlich, dass der K-Tipp beim «Buurebrot» Untergewicht feststellte. Lidl sagt, man wolle beim Lieferanten, einer Schweizer Bäckerei, die Kontrolle verbessern, um Abweichungen künftig zu verhindern.
Konsumenten müssen damit leben, dass sie nicht immer so viel Brot bekommen wie auf der Verpackung oder im Regal angegeben. Grund dafür ist die für die Hersteller günstige Mengenabgabeverordnung: Bei den Angaben zum Gewicht handelt es sich lediglich um Mittelwerte einer ganzen Produktionsreihe.
Das bedeutet: Einzelne Brote dürfen deutlich vom angeschriebenen Gewicht abweichen, wenn andere Brote das mit mehr Gewicht ausgleichen. Das ist nicht konsumentenfreundlich. Deutsche Verbraucherzentralen fordern seit langem, das Durchschnittsprinzip durch das Mindestmengenprinzip zu ersetzen. Würde dieses gelten, müssten die Hersteller bei jedem Brot mindestens die angegebene Menge liefern.
In der Schweiz überwacht das Eidgenössische Institut für Metrologie das Gewicht von Broten. Im Jahr 2022 kontrollierte die Behörde rund 9000 Brote bei Bäckereien und Tankstellen. Ergebnis: 11,3 Prozent der Produkte waren untergewichtig.
Dabei gewährt das Gesetz den Produzenten grosszügige Ausnahmen. Je nach Brotgewicht dürfen die Produkte 4,5 bis 30 Gramm weniger wiegen als deklariert.
In der K-Tipp-Stichprobe hatte ein «Buurebrot» von Lidl am meisten Untergewicht. Es wog 28 Gamm weniger als die angegebenen 430 Gramm. Damit lag das Brot sogar unterhalb der gesetzlich tolerierten Minusabweichung für Einzelbrote. Brote mit Gewichten von 300 bis 500 Gramm dürfen 3 Prozent Untergewicht haben. Beim «Buurebrot» wären das also 12,9 Gramm gewesen.
Viel zu befürchten haben fehlbare Brotproduzenten und -verkäufer nicht. Findet das Institut für Metrologie in einer ersten Kontrolle eine Brotcharge mit Untergewicht, müssen die Hersteller je nach Zeitaufwand die Kosten für die Kontrolle selbst übernehmen. Erst wenn bei einer Nachkontrolle innert sechs Monaten ein weiterer Verstoss festgestellt wird, reicht der Eichmeister des Instituts bei der zuständigen kantonalen Staatsanwaltschaft eine Strafanzeige ein.
1,2 Kilo Teig ergeben 1 Kilo Brot
Bäckereien können Untergewicht bei ihren Broten ganz einfach verhindern, indem sie genügend Teig pro Brot verarbeiten. Damit ein Ruchbrot nach dem Backen 1 Kilo wiegt, braucht es rund 1,2 Kilo Teig.