Mehr Lohnabzüge, tiefere Altersrenten: Das kommt auf die Pensionskassenversicherten zu, wenn es nach dem Willen der Mehrheit des Parlaments geht (K-Tipp 9/2023). Doch das letzte Wort werden nun die direkt Betroffenen haben. Denn Gewerkschaften, SP und die K-Tipp-Leser sammelten in nur zwei Monaten über 130'000 Unterschriften – weit mehr als die 50'000 Unterschriften, die fürs Zustandekommen des Referendums nötig gewesen wären. Die Unterschriften werden Ende Juni eingereicht. Die Abstimmung wird voraussichtlich im März 2024 stattfinden.
Das zeigt: Der Unmut in der Bevölkerung über die höheren Kosten und die tieferen Leistungen der zweiten Säule ist gross. Denn für eine Änderung zulasten der Versicherten gibt es keinen Grund.
Pensionskassen schwimmen im Geld
Ende 2021 waren die Reserven der Pensionskassen so hoch wie nie seit Einführung des Obligatoriums im Jahr 1985. Die Kassen verfügten zusätzlich zu den Altersguthaben der Versicherten über 248 Milliarden Franken – das ist rund das Fünffache der AHV-Reserven.
Das schlechte Börsenjahr 2022 liess den Wert der Anlagen auf dem Papier zwar sinken – bis März 2023 war aber ein grosser Teil der Buchverluste wieder aufgeholt. Der durchschnittliche Deckungsgrad der Pensionskassen belief sich Ende März gemäss Zahlen der Bank Pictet auf 112,5 Prozent. 100 Prozent wären nötig, um alle Ansprüche der Versicherten auszuzahlen.
Versicherte erhalten immer tiefere Renten
Gut zu wissen: In der zweiten Säule spart jeder für sich selbst – anders als in der AHV, bei der aus den laufenden Beiträgen der unter 65-Jährigen die Renten der Pensionierten finanziert werden. Die Leistungen der Pensionskassen setzen sich im Alter aus den Lohnabzügen der Angestellten, den Beiträgen der Arbeitgeber und dem Zinsertrag aus rund 40 Jahren zusammen.
Das heute sehr hohe Vermögen der Pensionskassen entstand im Wesentlichen aus zwei Gründen: Die Kassen erzielten mit den Guthaben ihrer Kunden Jahr für Jahr mehr Ertrag, als sie diesen in Form von Zinsen gutschrieben. Zudem zahlten sie im Lauf der letzten Jahre immer tiefere Renten. Laut Gesetz müssten sie das Altersguthaben mit dem Umwandlungssatz von 6,8 Prozent in eine Rente umrechnen. Faktisch rechnen sie heute aber teilweise mit weniger als 5 Prozent – zum Beispiel die Swiss Life. Folge: Die Rente von betroffenen Kunden sinkt um über 25 Prozent.
Wie ist es möglich, dass die meisten Pensionskassen tiefere Umwandlungssätzen anwenden, als das Gesetz vorschreibt? Diese Frage stellten sich viele Leser, als sie den K-Tipp-Artikel zu der vom Parlament beschlossenen Gesetzesrevision lasen. «Meine Pensionskasse rechnet mit einem Umwandlungssatz von 5,6 Prozent. Ist das tatsächlich zulässig oder habe ich etwas falsch verstanden?», fragt zum Beispiel ein Thurgauer Leser nach einem Blick auf seinen Pensionskassenausweis.
Die Frage ist berechtigt, die Antwort enttäuschend: Es ist tatsächlich zulässig, für das Altersguthaben weniger Rente als gesetzlich vorgeschrieben zu bezahlen – allerdings nur dann, wenn jemand freiwillig mehr einzahlt als gesetzlich vorgeschrieben. Denn nur beim obligatorisch versicherten Lohn zwischen 25'725 und 88'200 Franken muss mit einem Umwandlungssatz von 6,8 Prozent gerechnet werden. Zahlt jemand freiwillig mehr ein, weil er mehr verdient oder sein Arbeitgeber mehr als das Obligatorium versichert, dürfen die Kassen den Umwandlungssatz kürzen.
Überobligatorischer Teil ist nicht geregelt
Freiwillige Einzahlungen in die zweite Säule führen bei fast allen Kassen zu einem schlechteren Preis-Leistungs-Verhältnis, weil der freiwillige, sogenannt überobligatorische Teil gesetzlich nicht geregelt ist.
Die Kassen können die Renten nach Belieben berechnen. Im Extremfall sind die Renten trotz freiwilliger Zusatzbeiträge nicht höher, als wenn jemand nur das Obligatorium eingezahlt hätte. Das gilt für alle, die im Alter eine Rente beziehen.
Wer sich hingegen bei der Pensionierung das Kapital auszahlen lässt, erhält das gesamte angesparte Altersguthaben. Genau das war die ursprüngliche Idee der zweiten Säule: Jeder spart für sich – und erhält im Alter alle eingezahlten Beiträge inklusive Zins.