Die jüngste Elektrizitätsstatistik des Bundes ist drei Monate alt. Den Medien war sie höchstens eine Randnotiz wert. Dabei enthält sie äusserst bemerkenswerte Zahlen zu den Finanzen der Schweizer Elektrizitätswirtschaft. Auf die darin erfassten Unternehmen entfallen rund 90 Prozent der gesamten Schweizer Stromerzeugung.
Diese Unternehmen verzeichneten 2013 einen Reingewinn von gut 2,5 Milliarden Franken. Das sind 1,1 Milliarden mehr als im Vorjahr. Der Gesamtgewinn aus den Jahren 2009 bis 2013 betrug über 11,5 Milliarden Franken – das ergibt 2,3 Milliarden pro Jahr. Die Zahlen für 2014 liegen noch nicht vor.
Imposant auch die Ziffer zum verteilbaren Gewinn: Er enthält neben dem Reingewinn den Gewinnvortrag vom Vorjahr – und war 2013 mit gut 6,2 Milliarden Franken so hoch wie noch nie. Da wundert es nicht, dass die Stromversorger auch fette Reserven anhäufen konnten: 2013 lagen diese bei 20,8 Milliarden Franken und damit rund 43 Prozent höher als fünf Jahre zuvor.
Zu behaupten, die Schweizer Stromwirtschaft müsse bitterlich darben, wäre also unangemessen. Doch das hindert die Branche nicht daran, seit Monaten für Subventionen zu lobbyieren (K-Tipp 10/14). Ihr Hauptargument: Wasserkraftwerke rentierten nicht mehr, weil die Preise für Strom auf dem europäischen Markt massiv gefallen seien und die Produktionskosten der Schweizer Kraftwerke nicht mehr decken würden.
Wasserkraft: Angaben zur Rentabilität fehlen
Unterschlagen wird dabei: Rund die Hälfte der Stromproduktion aus Wasserkraft wird nach Schätzungen des Bundes gar nicht am Markt verkauft. Sie geht vielmehr zu vollen Kosten direkt an Haushalte und Kleinkunden, die an ihr örtliches Elektrizitätswerk gebunden sind. Den Stromversorgern beschert das keine Verluste. Hinzu kommt: Beglaubigte Rentabilitätsangaben zur Wasserkraft gibt es nicht, wie die Zeitschrift «Saldo» diesen Frühling aufgezeigt hat (Ausgabe 7/15). Entsprechend bleibt auch im Dunkeln, ob, wie viele und welche Wasserkraftwerke tatsächlich unrentabel produzieren.
Klar ist dagegen, dass das Geschäftsmodell der Pumpspeicherwerke durch den Preiszerfall auf dem europäischen Strommarkt massiv unter Druck geraten ist. Diese Kraftwerke pumpen nachts mit überschüssigem, billigem Atom- und Kohlestrom Wasser ins hochgelegene Speicherbecken, um damit tagsüber bei stärkster Nachfrage am Mittag Spitzenstrom zu erzeugen. Lange Zeit konnten sie ihren Spitzenstrom hochprofitabel im Handel absetzen. Doch damit ist es vorbei, seit grosse Mengen an Wind-, Sonnen-, Gas- und Kohlestrom auch zur Mittagszeit in Europa für Überschüsse sorgen und die Marktpreise drücken.
Für Energiekonzerne wie Axpo und Alpiq ist das unschön. Sie sind nicht nur (Mit-)Besitzer verschiedener Atomkraftwerke, sondern auch treibende Kräfte hinter den beiden im Bau befindlichen, rund vier Milliarden Franken teuren Pumpspeicherwerken Limmern GL (Axpo) und Nant de Drance VS (Alpiq). Diese Anlagen sollen Ende 2015 bzw. 2018 in Betrieb gehen – und drohen sich als gewaltige Fehlinvestitionen zu entpuppen.
Das sorgt auch in vielen Kantonen für Verdruss. Nicht weniger als 17 Stände sind direkt oder über Kantonswerke an den zwei Pumpspeicheranlagen und/oder an Axpo respektive Alpiq namhaft beteiligt. Wohl deshalb leistete der Ständerat in der letzten Herbstsession dem Ruf nach Subventionen für die Wasserkraft so willig Folge.
Zwar hatte schon der Nationalrat im Dezember 2014 die Stromwirtschaft mit rund 600 Millionen Franken beglückt. Diese Summe soll für Investitionen in neue Grosswasserkraftwerke dienen und so die Energiewende unterstützen. Pumpspeicherwerke aber schloss der Nationalrat explizit von den Investitionsbeiträgen aus.
Der Ständerat war damit unzufrieden. Er ergänzte den Nationalratsbeschluss durch weitere 600 Millionen Franken, die – befristet wohl auf die Jahre 2018 bis 2022 – als Finanzhilfe an bestehende Grosswasserkraftwerke «in einer wirtschaftlichen Notlage» fliessen sollen. Und zwar auch an Pumpspeicherwerke. «Das bedeutet, dass auch Nant de Drance und Limmern prinzipiell unterstützt werden können», sagt Marianne Zünd vom Bundesamt für Energie.
Konsumenten sollen Kosten tragen
Um die Subventionen zu finanzieren, wollen die Räte in den Topf der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) langen. Er dient zur Förderung erneuerbarer Energien. Und er wird gefüllt über eine Abgabe auf dem Strompreis, deren Maximalsatz das Parlament von 1,5 auf 2,3 Rappen pro Kilowattstunde anheben will.
Für die Subventionen an die Grosswasserkraft sollen also die Stromkunden aufkommen. Zudem steht weniger Geld für den Ausbau von Sonnen- und Windenergie zur Verfügung.
Die Schweizerische Energie-Stiftung findet dazu deutliche Worte: «Bestehende Grosswasserkraftwerke auf Kosten der erneuerbaren Energien zu fördern, ist unseriös.» Denn, so Projektleiter Felix Nipkow: «Die KEV wurde installiert, um neue Kilowattstunden zu fördern, nicht, um vergangene Kraftwerksinvestitionen von Alpiq und Axpo zu unterstützen.»
Ständeräte als Stromlobbyisten
Subventionen in Millionenhöhe für bestehende Grosswasserkraftwerke? Aber ja, fand der Ständerat in der letzten Herbstsession und stimmte dem Geldsegen deutlich zu. Erstaunlich ist das nicht, denn die Interessen der Elektrizitätswirtschaft waren im 46-köpfigen Rat bestens vertreten.
- Dem Ständerat gehörten 15 Politiker aus CVP, FDP, SVP und BDP an, die mit der Branche direkt verbandelt sind – meist über eine Mitgliedschaft im Verwaltungsrat von Kraftwerken oder Stromversorgern.
- 11 Ständeräte aus CVP, FDP und SVP waren Mitglied in der Lobbyorganisation «Aktion für vernünftige Energiepolitik Schweiz» (Aves). Sie setzt sich nach eigenen Angaben «in erster Linie für unseren bewährten Strommix, den sinnvollen Einsatz von Wasserkraft und Kernenergie» ein. Bereits im Frühling hatte die Aves für Subventionen an die Grosswasserkraft plädiert.
- Vier von fünf Schweizer Wasserkraftwerken gehören der öffentlichen Hand – ein Grossteil den Kantonen bzw. den kantonalen Elektrizitätswerken, die auch massgeblich an den grössten Stromkonzernen Axpo, Alpiq, BKW und Repower beteiligt sind. Darum haben viele Ständeräte als Kantonsvertreter für die Anliegen der Stromwirtschaft ein offenes Ohr.
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