Rund 550 Schlachthöfe gibt es in der Schweiz. Sie lassen keine Besucher zu. Bis auf eine Ausnahme: Kontrolleure des Schweizer Tierschutzes besuchen im Auftrag von Tierschutz- oder Bio-Labels wie Bio Suisse, Demeter und IP Suisse diejenigen Schlachthöfe, die Fleisch mit solchen Labels liefern. Der Tierschutz führte von Januar 2018 bis Oktober 2020 insgesamt 40 Kontrollen in 19 Betrieben durch.
Mängel in zwei von drei Betrieben
Die Ergebnisse liegen dem K-Tipp exklusiv vor: Zwei Drittel der Betriebe wiesen Mängel beim Tierschutz auf. In 13 der 19 Betriebe klappte die Betäubung der Schlachttiere nicht zuverlässig. In 12 zeigten sich Mängel beim Zutrieb der Tiere. Es gab bei Mängeln keine Unterschiede zwischen Label-Tieren und Tieren aus konventioneller Zucht.
Am schlechtesten schnitten die Schlachthöfe in Cazis GR, Clarens VD, Thun BE und Langnau BE ab. Letztgenannter Schlachthof gehört zu den grössten im Land. Sein Besitzer, die Ernst Sutter AG in Gossau SG, beliefert unter anderem Coop, Lidl und die Migros.
Der Tierschutz kritisiert:
Tiere verbluten bei vollem Bewusstsein
Schlachter im Schlachthof Cazis betäuben auch schwere Kühe und Hochlandrinder per Bolzenschussgerät. Das Gerät ist jedoch zu schwach, um tief genug ins Hirn zu dringen. Die Folge: «Viele Rinder atmen nach der Betäubung noch», erklärt Kontrolleurin Milena Burri. Die Schlachter hätten zudem die Hals-schlagadern der Tiere oft zu spät aufgeschnitten. Burri: «Im schlimmsten Fall sind sie beim Schnitt wieder wach und spüren, wie sie verbluten.»
Tiere werden unzuverlässig betäubt
Der Schlachthof Langnau betäubt Schweine mit einer veralteten, unzuverlässigen CO2-Anlage. Dabei kommen jeweils zwei Tiere in einen Käfig. Laut Cesare Sciarra, Chef des Tierschutz-Kontrolldienstes, strömt dann sehr langsam CO2 ein: «Das Gas beisst die Schweine in Augen und Lunge. Sie geraten in Panik, bevor sie betäubt umfallen.»
Der Schlachthof Langnau sagt, er erfülle alle gesetzlichen Vorschriften, äussert sich aber nicht zur CO2-Anlage. Der Betrieb in Cazis erklärt, seit November setze man ein grösseres Bolzenschussgerät ein.
Tiere erhalten Stromstösse
Mitarbeiter der Schlachthöfe lassen Falltore auf die Rücken von Rindern und Schafen sausen, um sie vorwärts zu treiben. Sie benützen dazu auch systematisch Elektrotreiber. Und sie drehen Schwänze von Rindern, reissen Schafe an der Wolle. All diese Praktiken sind verboten. Laut dem Tierschutz sind oft bauliche Mängel Grund für die Misshandlung der Tiere: Die Gänge vieler Schlachthöfe sind zu eng, viele Böden rutschig. Die Tiere finden keinen Tritt und fallen hin.
Der Tierschutz wirft den drei Schlachthöfen in Cazis, Clarens und Thun Untätigkeit vor. In Cazis heisst es, man schule das Personal verstärkt. Der Chef des Schlachthofs Thun bestreitet jegliches Fehlverhalten. Die Ernst Sutter AG erklärt, man arbeite in Langnau «intensiv« daran, die Empfehlungen umzusetzen.
Übrigens: Der Tierschutz deckte die Missstände auf, obwohl er die meisten Besuche im Voraus angekündigt hatte.
Die zuständigen Kantonstierärzte wollten sich gegenüber dem K-Tipp zu den einzelnen Schlachthöfen nicht äussern.