Sunrise-Angestellte dürfen den Kunden das günstigste Abo nicht von sich aus offerieren. Und über Rechnungsfehler werden die Kunden nicht oder nicht sofort informiert.
Die Telecomfirma Sunrise ist wegen ihres mangelhaften Kundendiensts immer wieder kritisiert worden, wie zahlreiche Leserbriefe an den K-Tipp belegen. Sunrise gelobte Besserung und verweist jeweils auf der Website auf «Transparenz, Fairness und Kundenorientierung».
Sunrise-Angestellte, die im Kundendienst arbeiten, bezweifeln dies: «Bei Fehlern in der Rechnungsstellung dürfen wir dies den Kunden nicht einfach mitteilen. Wir werden angewiesen, nur zu reagieren, wenn der Betroffene das Problem von sich aus anspricht», sagt ein Sunrise-Mitarbeiter dem K-Tipp.
Interne E-Mails, die Sunrise an die Angestellten verschickte, bestätigen diese Aussage. Hier drei Beispiele:
Rechnung für Gratis-Anrufe
Wer für bestimmte Optionen seines Abos bezahlt, hat Anspruch auf Gratis-Telefonate ins Festnetz und ins Mobilnetz von Sunrise. Vielen Kunden wurden jedoch sowohl die Option wie die Anrufe in Rechnung gestellt.
Sunrise orientiert die Mitarbeiter im Kundendienst wie folgt: «Bei den Optionen ‹Flat to Sunrise mobile› und ‹Flat to Fixnet› ist ein ‹Billing Bug› aufgetreten. Die Option ist installiert, und der Kunde zahlt auch dafür. Die Anrufe aufs Festnetz und aufs Sunrise-Mobilnetz werden aber dennoch verrechnet. Bei Kundenreklamationen ist eine Gutschrift über die angefallenen Mehrkosten erlaubt (mehr nicht).»
Rechnung trotz Gutschein
Bei der Film-Miete wurden zum Teil versehentlich Videos in Rechnung gestellt, obschon die Kunden einen Gutschein einlösten.
Sunrise wies die Mitarbeiter an: «Bei Reklamationen darf der irrtümlich berechnete Betrag gutgeschrieben werden.»
Gutschrift nur nach Reklamation
Sunrise-Kunden, die ihre Rechnung per Internet bezahlten, hatten Anspruch auf eine Gutschrift von jeweils 1 Franken. Anfang Jahr strich Sunrise diesen Rabatt für die elektronische Bezahlung. Den Kunden wurde mitgeteilt, die Gutschrift erfolge letztmals im April 2015.
Aufgrund eines Fehlers bei der Rechnungsstellung geschah dies einen Monat zu früh. Den Angestellten im Kundendienst wurde dazu mitgeteilt: «Reklamiert der Kunde, kann eine einmalige Gutschrift erstellt werden.»
Sunrise-Sprecher Stefan Kern tut sich schwer mit einer Erklärung: «Diese E-Mails werden jeweils sofort als erste Reaktion geschaltet, wenn Fehler festgestellt wurden. So können die Kundenberater am Telefon auf Nachfrage die Kunden informieren.» Parallel arbeite man daran, das Problem zu beheben.
Eine detaillierte Mitteilung an die Callcenter-Mitarbeitenden, wie sie vorgehen sollen, erachtet Sunrise aber als «nicht notwendig».
Das Telecomunternehmen kann nicht in allen Fällen belegen, dass ungerechtfertigte Rechnungen storniert wurden. Zur Rabatt-Gutschrift für die elektronische Rechnung im März sagt Kern: «Wir können nicht mehr nachvollziehen, ob wir diese Gutschrift im Folgemonat allen Betroffenen gewährt haben.»
Tipp: Wer irrtümlicherweise eine zu hohe Rechnung bezahlt oder eine Gutschrift nicht erhalten hat, kann seinen Anspruch gegenüber der Telecomfirma von der nächsten Rechnung abziehen.
Nur teurere Abos erlaubt
Die Sunrise-Praxis ist nicht nur bei der Rechnungsstellung, sondern auch bei der Beratung der Kunden fragwürdig.
Ein Sunrise-Angestellter schreibt dem K-Tipp: «Wir rufen regelmässig Kunden an, um sie zum Wechsel auf ein anderes Abo zu bewegen. Dabei ist es verboten, dem Kunden ein günstigeres Abo vorzuschlagen als das bisherige.»
Im internen «Regelwerk» heisst es: «Nur das vorgeschlagene Upselling ist erlaubt, Downsellings sind untersagt!» Das heisst: Für den Kunden darf es nach der «Beratung» nur teurer werden. Ein Kundendienstmitarbeiter sagt: «Die günstigsten Abos ‹Freedom Start› erscheinen gar nicht in der Übersicht, selbst wenn der Kunde damit am besten fahren würde. Verkaufe ich das Abo trotzdem, tadelt mich der Chef. Zudem wirkt es sich auf den Lohn negativ aus.»
Sunrise-Sprecher Stefan Kern: «Bei günstigeren Abos gibt es weniger Inklusivleistung. Deshalb laufen Kunden Gefahr, hohe Rechnungen zu erhalten.»
Geister-SMS von Sunrise
Sunrise berechnete SMS, die Handy-Besitzer gar nicht verschickt hatten.
K-Tipp Leser Eduard Rosenstein aus Zumikon ZH hat ein Handyabo von Sunrise. Im Preis sind 40 SMS inbegriffen. Darum bemerkte er nicht gleich, dass sein Handy ab dem 19. August ohne sein Zutun Kurznachrichten verschickt haben soll. «Laut Sunrise-Rechnung hatte mein Handy jeweils morgens und abends je drei SMS verschickt», erklärt Rosenstein.
Auffällig sei, dass das immer dann geschehen sei, wenn er sich auf der Website der Postfinance eingeloggt habe. Auf Rosenbergs Handy waren die in Rechnung gestellten SMS nicht zu sehen. Auch der Empfänger der Nachrichten – eine Tauchschule im Tessin – wusste nichts von solchen SMS.
Anfang September reklamierte Rosenstein bei Sunrise. Doch auch nach mehrmaligem Hin und Her bestand die Telecom-Firma auf Bezahlung der nicht verschickten SMS. Rosenstein: «Ich wurde hingehalten und musste mein Problem jedes Mal von neuem erklären. Einmal wurde der Hörer nach 45 Minuten Warten einfach aufgelegt.»
Da die Geister-SMS jeweils im Zusammenhang mit den Postfinance-Logins in Rechnung gestellt wurden, fragte Rosenstein dort ebenfalls nach. Die Antwort der Postfinance: Das Problem sei bekannt – und Sunrise bereits darüber informiert worden.
Fehleinstellung im Handynetz
Rosenstein gelangte ein weiteres Mal an Sunrise. Dort kam schliesslich ein Spezialist der Sache auf die Spur: Sunrise hatte eine Fehleinstellung in ihrem Handynetz. Im November wurden Rosenstein alle zu Unrecht erhobenen Kosten erlassen – nach fast drei Monaten.
Als der K-Tipp bei Sunrise nachfragte, entschuldigte man sich wegen der langen Wartezeit: «Aufgrund der Komplexität des Anliegens konnten wir die Anfrage des Kunden nicht innert der gewohnten Frist beantworten», sagt Sprecher Roger Schaller. Auch den 69 anderen Kunden, die das gleiche Problem hatten, seien die Kosten erlassen worden.
Tipp: Alle Telecom-Rechnungen genau prüfen – und bei Unklarheiten nur den unbestrittenen Betrag zahlen.