Sunrise: Leere Drohung als Druckmittel
Sunrise droht Kunden in der zweiten Mahnung mit Sperrung des Anschlusses - obwohl die Telefongesellschaft im Festnetz dazu gar nicht in der Lage ist.
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K-Tipp 12/2004
16.06.2004
Gery Schwager - gschwager@ktipp.ch
Knapp 350 Franken sollte Rafael Di Nero (Name geändert) wegen des Missgeschicks seines Sohnes bezahlen: Der herzkranke Nicolas hatte sich im Februar versehentlich ein Wählprogramm (Dialer) auf den Computer heruntergeladen, das die Verbindung ins Internet unbemerkt auf eine teure 0900er-Nummer umleitete.
Seit Anfang April ist die Verwendung von Dialern zusammen mit 0900er-Nummern verboten. Aber schon zum Zeitpunkt von Nicolas' Malheur war sie nur gestattet, wenn dem Surfer unter ...
Knapp 350 Franken sollte Rafael Di Nero (Name geändert) wegen des Missgeschicks seines Sohnes bezahlen: Der herzkranke Nicolas hatte sich im Februar versehentlich ein Wählprogramm (Dialer) auf den Computer heruntergeladen, das die Verbindung ins Internet unbemerkt auf eine teure 0900er-Nummer umleitete.
Seit Anfang April ist die Verwendung von Dialern zusammen mit 0900er-Nummern verboten. Aber schon zum Zeitpunkt von Nicolas' Malheur war sie nur gestattet, wenn dem Surfer unter anderem der teure Tarif und die auflaufenden Verbindungskosten auf dem Bildschirm deutlich angezeigt wurden.
Beides war nach Nicolas' Angaben nicht der Fall. Sein Vater weigerte sich deshalb, die Rechnung zu begleichen. Doch Sunrise beharrte auf der Forderung und verwies auf die rechtlich umstrittene Argumentation, allfällige Beschwerden und Rückforderungen seien an den Inhaber der 0900er-Nummer zu richten.
Gegen Ende Mai erhielt Di Nero von Sunrise die zweite Mahnung. Darin hiess es unter anderem: «Bleibt der Betrag nach sieben Tagen immer noch offen, so kann dies zu einer Sperrung Ihres Anschlusses führen.» Vergleichbare Formulierungen wählte Sunrise auch in anderen Fällen, die dem K-Tipp bekannt sind.
Auf Rafael Di Nero wirkte diese Drohung wie ein Hammerschlag. Denn für seinen Sohn kann ein rund um die Uhr funktionierendes Telefon wegen des Herzleidens lebenswichtig sein.
Alle Hausanschlüsse gehören Swisscom
Was Di Nero nicht ahnen konnte: Sunrise ist gar nicht in der Lage, einen Festnetz-anschluss stillzulegen. Das kann nur die Swisscom, der nach wie vor sämtliche Telefon-Hausanschlüsse gehören. Und Swisscom-Sprecher Sepp Huber hält fest: «Wir sperren keine Anschlüsse wegen bestrittener 0900er-Verbindungen - schon gar nicht, wenn diese über andere Telefongesellschaften abgerechnet werden.»
Die schärfste Sanktion, welche die Swisscom-Konkurrenz durchziehen kann, besteht darin, Verbindungen über das jeweils eigene Netz zu verunmöglichen. Betroffene Kunden können dann zwar nicht mehr mit ihrer bisherigen Gesellschaft telefonieren. Doch es steht ihnen frei, über die entsprechende Vorwahl auf eine andere Anbieterin auszuweichen. Der Anschluss wird also nicht abgeschaltet.
Anrufen ja, aber nicht mehr über Sunrise
Und so will Sunrise die Aussage im erwähnten Mahnschreiben auch verstanden wissen: Es werde einzig dafür gesorgt, dass «von Personen mit Zahlungsrückständen keine Dienste mehr über das Sunrise-Netz konsumiert werden können», sagt Sprecherin Monika Walser. Anrufe auf Notfallnummern indes blieben weiterhin möglich.
Warum aber schreibt Sunrise das denn nicht klar und deutlich? Walser: «Wir sind der Auffassung, dass die grosse Mehrheit der Adressaten den Begriff "sperren" richtig interpretiert.» Doch werde man «die besagten Formulierungen überprüfen».
Rafael Di Nero stimmt das nicht versöhnlich. Seine Verärgerung ist nach den gemachten Erfahrungen so gross, dass er den Vertrag mit Sunrise gekündigt hat.