Beim Flugverkehr kommt es immer wieder zu grossen Verspätungen, kurzfristigen Annullierungen und überbuchten Flügen. In solchen Fällen müssen die Airlines die Flugtickets zurückerstatten oder einen Ersatzflug anbieten. Zudem haben Passagiere häufig Anrecht auf eine zusätzliche Entschädigung.
Das schreibt die EU-Fluggastrechtverordnung vor. Sie gilt für alle Flüge, die in der Schweiz oder der EU starten – unabhängig von der Airline. Und für alle Flüge, die in der Schweiz landen, sofern das Ticket bei einer Schweizer oder EU-Airline gebucht wurde.
Die pauschale Entschädigung beträgt je nach Verspätung und Flugdistanz zwischen 250 und 600 Euro pro Person. Wer einen höheren belegbaren finanziellen Schaden erleidet, kann zusätzlichen Schadenersatz fordern.
Dem K-Tipp liegen mehrere Fälle vor
Doch Fluggesellschaften weigern sich oft, die Entschädigungen zu zahlen, wie viele Fälle aus der K-Tipp-Rechtsberatung zeigen. Aktuelle Beispiele: Mitte Juli wollte Chantal Gisler aus Othmarsingen AG zusammen mit ihrer Mitbewohnerin von Warschau nach Zürich fliegen. Doch der Flieger der Swiss hob nicht ab. Grund: ein technischer Defekt im Tanksystem. Es dauerte fast acht Stunden, bis die Maschine starten konnte. Zu Hause forderten Gisler und ihre Mitbewohnerin von Swiss die pauschale Entschädigung von je 250 Euro. Doch Swiss weigert sich zu zahlen – auch nach mehrfacher Intervention des K-Tipp.
Anfang Juli wollte Familie Lehmann aus Kriegstetten SO mit Easyjet von Basel nach London-Gatwick fliegen. Der Flieger sollte um 7 Uhr starten. Doch Easyjet annullierte den Flug kurzfristig wegen technischer Probleme. Weil alle Flüge am selben Tag ausgebucht waren, reiste die Familie per Zug nach London. Easyjet wollte zwar den Flug zurückerstatten, verweigerte aber die pauschale Entschädigung. Erst als sich der K-Tipp einschaltete, zeigte sich Easyjet bereit, die Entschädigung zu leisten.
Das sind keine Einzelfälle: Beim Bundesamt für Zivilluftfahrt gingen letztes Jahr 7167 Passagierbeschwerden ein – doppelt so viele wie 2017. Rund 3700 betrafen Annullierungen, gut 2800 Verspätungen. Der Rest betraf Überbuchungen und andere Gründe wie Gepäckprobleme. Laut einem Sprecher gingen Beschwerden gegen alle von der Schweiz abfliegenden Airlines ein.Wie viele Beschwerden genau gegen die einzelnen Fluggesellschaften eingegangen sind, wollte der Sprecher nicht sagen.
Höchste Busse betrug 5000 Franken
Trotz dieser Beschwerdeflut erliess die Behörde letztes Jahr nur 99 rechtskräftige Bussen. Die höchste Busse betrug 5000 Franken. Für Fluggesellschaften sind solche Beträge ein Klacks. Das Bundesamt schreibt dem K-Tipp: «Die Fluggesellschaften haben auch während des Verwaltungsstrafverfahrens die Möglichkeit, Zahlungen an die Flugpassagiere zu leisten.» In solchen Fällen gebe es keine Busse. Die Höhe der ausgesprochenen Bussen erachtet das Amt als «angemessen». Welche Airlines eine Busse erhielten, hält die Luftfahrtbehörde unter Verschluss.
Airline will nicht zahlen: So wehren Sie sich
Verweigert eine Airline eine Entschädigung, haben Passagiere drei Möglichkeiten:
Die Forderung an eine Inkassofirma wie Fairplane, Airhelp oder Flightright delegieren (K-Tipp 3/2016). Diese Unternehmen verlangen bei Erfolg in der Regel rund 20 bis 40 Prozent der ausbezahlten Entschädigung als Honorar.
Beschwerde beim Bundesamt für Zivilluftfahrt einreichen. Das Bundesamt eröffnet dann ein Verfahren gegen die Airline. In vielen Fällen bezahlen die Fluggesellschaften laut dem Amt dann die Entschädigung.
Klage einreichen: Das Schlichtungsgesuch an die Schlichtungsbehörde des Wohnsitzes kann man selber ausfüllen und einreichen. Das Verfahren kostet je nach Kanton bis zu einigen Hundert Franken. Der Kläger muss die Kosten vorschiessen und kann sie bei Gutheissung der Klage von der Airline zurückverlangen.
Eine Vorlage für die Klage können Sie hier herunterladen: www.ktipp.ch/schlichtung.
Detaillierte Informationen zu den Passagierrechten gibt es im K-Tipp-Merkblatt Das Wichtigste zum Reiserecht. Zu finden auf Ktipp.ch } Service } Merkblätter } im Suchfeld «Reiserecht» eingeben.