Swisscom muss zahlen
Jahrelang haben Swisscom und Co. bei Dialer-Opfern abkassiert - zu Unrecht, wie aus dem ersten Schweizer Gerichtsurteil zu diesem Dauerärger hervorgeht.
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K-Tipp 15/2004
22.09.2004
Gery Schwager - gschwager@ktipp.ch
Der Schaden belief sich nicht selten auf mehrere tausend Franken. Und die Opfer hatten zumeist keine Ahnung, wie es dazu gekommen war. Grund: Beim Surfen im Internet hatten sie sich versteckte Wählprogramme (Dialer) auf den Computer heruntergeladen, ohne dies zu bemerken.
Die Dialer leiteten die Verbindung ins Internet heimlich auf teure Nummern mit Vorwahl 0900, 0901 und 0906 um - und sorgten so bei den ahnungslosen Surfern für horrende Gebühren auf der nächsten Telefonrechnu...
Der Schaden belief sich nicht selten auf mehrere tausend Franken. Und die Opfer hatten zumeist keine Ahnung, wie es dazu gekommen war. Grund: Beim Surfen im Internet hatten sie sich versteckte Wählprogramme (Dialer) auf den Computer heruntergeladen, ohne dies zu bemerken.
Die Dialer leiteten die Verbindung ins Internet heimlich auf teure Nummern mit Vorwahl 0900, 0901 und 0906 um - und sorgten so bei den ahnungslosen Surfern für horrende Gebühren auf der nächsten Telefonrechnung. Erst Anfang April dieses Jahres wurde die Verwendung von 0900er-Nummern durch Dialer untersagt.
Entschädigung für Dialer-Opfer
Für Benno Flück (Name geändert) aus Sargans SG kam dieses Verbot zu spät.
Er tappte nämlich vor rund zwei Jahren in die Dialer-Falle. Die Swisscom verrechnete ihm für entsprechende Verbindungen knapp 1800 Franken.
Flück nahm das nicht hin. Weder er noch seine Mitbewohnerin habe diesen Dialer absichtlich heruntergeladen, teilte er der Swisscom mit. Doch die Firma hielt an ihrer Forderung fest und zog die Sache schliesslich vor Gericht.
Der Schuss ging hinten hinaus. Mit Entscheid vom 14. Juni dieses Jahres weist das Kreisgericht Werdenberg-Sargans SG die Klage nämlich rundweg ab und brummt der Swisscom neben den Gerichtskosten noch eine Entschädigung an Benno Flück von 1430 Franken auf.
Aus dem Urteil geht hervor: Gebühren für Dialer-Verbindungen dürfen nur dann einkassiert werden, wenn feststeht, dass der Kunde den teuren Dienst willentlich und in Kenntnis der Kosten angewählt hat. Dies nachzuweisen ist Sache der Telefongesellschaft.
Und es reicht nicht aus, wenn diese sich dazu einzig auf den Verbindungsnachweis stützt - zumal «den Methoden, wie ein 090x-Dialer automatisch und damit ohne bewusstes Handeln des Benutzers heruntergeladen, installiert und angewählt werden kann, keine Grenzen gesetzt sind», wie das Gericht unter Berufung auf einen beigezogenen Experten argumentiert.
Ferner halten die Richter fest, dass 0900er-Nummern missbrauchsanfällig seien. Indem die Swisscom den Zugang zu diesen Diensten ermöglichte, habe sie ein Risiko geschaffen. Zudem ziehe sie selber wirtschaftliche Vorteile aus dem Geschäft mit den kostspieligen Nummern. «Daher ist es angemessen, sie die Risiken solchen Missbrauchs tragen zu lassen.»
Das sind deutliche Worte. Bei der Swisscom heisst es dazu, man respektiere den Entscheid des Kreisgerichts Werdenberg-Sargans, teile jedoch dessen Ausführungen «weitgehend nicht». Auch habe das Amtsgericht Willisau LU Mitte Juli in einem vergleichbaren Fall andere Schlüsse gezogen.
Telefonriesen verdienen kräftig mit
Aufs Ganze will der Telefonriese trotzdem nicht mehr gehen: Laut Sprecher Sepp Huber hat sich die Swisscom «in Anbetracht des seit dem 1. April geltenden Dialer-Verbots» entschieden, die noch offenen Dialer-Fälle «grundsätzlich kulant zu behandeln und auf die Durchsetzung der Forderung auf dem Rechtswege zu verzichten».
Nach einem solchen Versprechen erkundigt man sich bei Sunrise noch immer vergeblich. Und von der Swisscom sind das zumindest ganz neue Töne. Früher mussten sich Dialer-Opfer meist resolut in die Schranken weisen lassen: Um einen Dialer aus dem Internet herunterzuladen, sei «ein bewusstes Anklicken notwendig», und die erhöhte Taxierung werde angezeigt, pflegte die Swisscom zu behaupten.
Ferner machte sie wie auch andere Telefongesellschaften geltend, man übernehme ja bloss das Inkasso für den Inhaber der entsprechenden 0900er-Nummer. Klagen gegen die Gebühren seien bei diesem vorzubringen. Dass Swisscom und Co. an Verbindungen auf die teuren Nummern kräftig mitverdienen - konkret etwa 10 bis 20 Prozent der Erträge in die eigenen Kassen leiten -, erfuhren die Dialer-Opfer hingegen nicht.