Wer im Sommer den neuen «Swisspass» kauft, sieht nicht mehr, bis wann das Halbtax oder Generalabo gültig ist. Denn die Gültigkeit ist nicht mehr fix. Das Abo verlängert sich laut Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) automatisch – ausser man kündigt es. So zwingen die SBB die Reisenden zum nahtlosen Erneuern. Und wer die rechtzeitige Kündigung verpasst, ist ein weiteres Jahr Abokunde.
Zudem wird das Halbtax teurer: Bisher kostete es für drei Jahre 450, für zwei Jahre 330 Franken und für ein Jahr 175 Franken. Die vergünstigten Zwei- und Dreijahres-Abos werden abgeschafft. Ab August 2016 wird der Halbtax-Swisspass fix 185 Franken jährlich kosten. Bis dahin gibt es eine «Einsteiger-aktion» für 165 Franken. Wer den Swisspass verliert, zahlt 30 Franken für eine neue Karte.
Bonuscard kostet neu 60 Franken im Jahr
Die kostenlose Kreditkarte «Bonuscard» zum GA und zum Halbtax gibt es nicht mehr (K-Tipp 9/2015). Wer sie behalten will, zahlt pro Jahr eine Gebühr von 60 Franken.
Sowohl das General- als auch das Halbtaxabonnement kann man nur noch auf unbestimmte Dauer kaufen:
- Die Mindestdauer fürs GA beträgt 4 Monate. Danach ist es mit einer Frist von einem Monat auf Ende des nächsten Abo-Monats kündbar.
- Das Halbtax kann nur einmal im Jahr gekündigt werden – auf das Ende
der Jahreslaufzeit. Wer diesen Zeitpunkt verpasst, muss für ein weiteres Jahr zahlen.
Rechtsprofessor Pascal Pichonnaz von der Universität Freiburg sagt dazu: «Die SBB wollten mit den neuen Vertragsbedingungen offenbar Druck auf die Kunden ausüben, damit diese ihr Halbtax-Abo einfach weiterlaufen lassen.» Und: Es sei unklar, ob und wann die Kunden vor der automatischen Verlängerung gewarnt würden. Eine solche Warnung sei aber wichtig. Andernfalls, so die Ansicht des Freiburger Rechtsexperten, wäre die automatische Abo-Verlängerungsklausel im Kleingedruckten wohl missbräuchlich.
AGB-Spezialist Arnold Rusch ist Privatdozent an der Universität Zürich. Auch er ist der Ansicht, dass die SBB die Kundinnen und Kunden frühzeitig auf die Notwendigkeit der Abo-Kündigung hinweisen müssten. Auf der Homepage der SBB ist zu lesen, dass die Kunden mit der Rechnung auf den Kündigungstermin aufmerksam gemacht würden. Arnold Rusch: «Allerdings steht in den AGB nichts davon.»
Die SBB sehen kein Problem: «Der Kunde bzw. die Kundin wird rechtzeitig informiert, auf welchen Termin das Halbtax gekündigt werden kann», verspricht Sprecher Reto Schärli. Die Kündigung sei per Internet oder bei jeder Verkaufsstelle möglich.
GA und Halbtax: Im Ausland brauchts eine zusätzliche Rabattkarte
Auf dem neuen elektronischen Swisspass fehlt das Ablaufdatum. Die Kontrolleure prüfen die Gültigkeit des Abos mit einem Lesegerät. Doch die ausländischen Kontrolleure haben keine solchen Geräte. Das bedeutet für Reisende, die dank GA oder Halbtax ein um 25 Prozent ermässigtes Ticket nach Deutschland oder Österreich gekauft haben, dass sie zusätzlich eine Rabattkarte in Papierform brauchen. Diese erhalten sie gratis – beim Kauf des Swisspass oder an einem Billett-Schalter in der Schweiz. Es gibt keine Möglichkeit, die Rabattkarte im Ausland zu beziehen.
Nicht kundenfreundlich: Das Kleingedruckte der SBB
Die SBB veröffentlichten vor kurzem die neuen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zu Halbtax und Generalabo.
Der K-Tipp hat sie mit Rechtsexperten durchgesehen. Fazit: Viele ärgerliche, unklare und problematische Klauseln. Einige Beispiele:
Ärgerliche Klauseln:
Kunden müssen den SBB neu eine Adressänderung innert 15 Tagen melden.
Wenn jemand nicht rechtzeitig zahlt, wird das Abo innert eines Monats gesperrt.
Der Strecken-Geltungsbereich von GA und Halbtax kann zudem jederzeit einseitig durch die SBB geändert werden.
Unklare Klauseln:
Bei Verlust oder Diebstahl des Swisspass wird er nur gegen eine Gebühr ersetzt.
In den AGB steht nicht, wie hoch diese Gebühr ist. Laut Homepage sind es 30 Franken.
Im Inkassofall können zusätzliche Bearbeitungsgebühren anfallen.
Es ist überhaupt nicht klar, wofür und in welcher Höhe diese Gebühren geschuldet sind. Also ist diese Bestimmung unwirksam.
l Problematische Klauseln:
Kunden geraten sofort – also ohne Mahnung – in Verzug, wenn sie nicht rechtzeitig zahlen. Für eine Mahnung verlangen die SBB 15 Franken. Im Inkassofall können laut AGB zusätzlich ein Zins von 5 Prozent ab Fälligkeit und Bearbeitungsgebühren anfallen.
Normalerweise gerät ein Kunde in Verzug, wenn der Gläubiger ihn mahnt. Erst dann ist ein Verzugszins geschuldet. Der SBB-Vertrag ändert hier die gesetzliche Regelung zum Nachteil der Konsumentinnen und Konsumenten. Laut Rechtsprofessor Pascal Pichonnaz von der Uni Freiburg ist es problematisch, dass Kunden mit dieser Bestimmung auch in Verzug geraten können, wenn sie das Abonnement gar nicht mehr wollen und nicht rechtzeitig gekündigt haben.
Die SBB können Daten für Marketingzwecke bearbeiten und an Dritte weitergeben.
Gemäss Gesetz kann jedermann die Bearbeitung seiner Daten verbieten. Laut Datenschutzgesetz ist die Einwilligung der betroffenen Person erst gültig, wenn sie nach angemessener Information freiwillig erfolgt. Von Freiwilligkeit kann nicht die Rede sein, wenn die Betroffenen kein GA oder Halbtax erhalten, ohne diese Klausel zu unterschreiben.
Dem K-Tipp sagte SBB-Sprecher Reto Schärli, Reisende könnten den SBB jederzeit schriftlich mitteilen, dass sie die Bearbeitung ihrer Daten zu Marketingzwecken verbieten.
Wer sein Halbtax nicht nahtlos erneuert, verliert einen allfälligen Rabattanspruch.
Pascal Pichonnaz hat auch bei dieser Klausel Bedenken. «Ein gekündigter Vertrag kann keine Wirkung auf die Zukunft haben.» Weil die Klausel ungültig sei, wirke sie eigentlich nur als «Abschreck-Klausel», die die Kunden vom Pausieren abhalten wolle. Bisher erneuerten jeweils 40 Prozent der Kunden ihr Halbtax-Abo nicht nahtlos, so die SBB. Schärli gibt zu: «Der öffentliche Verkehr verdient mehr Geld durch Kunden, die es nahtlos erneuern.»
Sehr problematische Klauseln:
Der Kunde verpflichtet sich zur Zahlung «sämtlicher Forderungen».
Damit erteilen Kunden den SBB einen Freipass. Diese Klausel ist rechtlich unwirksam.
Unterschiedliche Kündigungsfristen für SBB und Kunden: Die Bundesbahnen selbst behalten sich in den AGB das Recht vor, das GA oder Halbtax «in begründeten Fällen» jederzeit zu kündigen.
Beim Halbtax bedeutet das: Kunden können einmal im Jahr kündigen, die SBB jederzeit. Dieses Ungleichgewicht ist laut Pascal Pichonnaz «problematisch». Ohne Gerichtsurteil sei es zwar schwierig zu sagen, dass diese Bestimmung missbräuchlich und damit gesetzeswidrig sei. «Sie liegt aber sicher in einer Grauzone.»
Wenn die SBB den Swisspass kündigen, gibt es keine Rückerstattung für die nicht benutzten Monate. Eine Pro-rata-Erstattung erfolgt nur bei ärztlich bestätigter Reiseunfähigkeit oder wenn der Abonnent stirbt.
Die SBB können dem Swisspass-Besitzer also nicht nur jederzeit kündigen, sie müssen das erhaltene Geld nicht einmal anteilsmässig rückerstatten. Pascal Pichonnaz kritisiert zudem, dass «ein Wegzug ins Ausland nicht als Rückerstattungsgrund zählt». Laut Bundesgericht müsse eine ausserterminliche Kündigung aus wichtigem Grund möglich sein und ein Umzug ins Ausland könne durchaus ein solcher Grund sein.
Laut AGB muss der Kunde kündigen, wenn er mit einer Änderung der Tarife oder geänderten AGB nicht einverstanden ist.
Das widerspricht dem Gesetz: Wenn die SBB eine Vertragsänderung anstreben und der Kunde nicht einverstanden ist, müssen die SBB kündigen. Bis zu diesem Zeitpunkt gilt der alte Vertrag.
Die SBB nahmen zu den Vorwürfen des K-Tipp so Stellung:
«Aus unserer Sicht enthalten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen keine Inhalte, die der Kunde so nicht erwarten muss», sagt Reto Schärli. Und: «Die AGB schaffen in strittigen Fällen Klarheit und stellen in diesen Fällen sicher, dass die Einnahmen für das ÖV-System der Schweiz gesichert werden.»