Rinder wachsen dank Wachstumshormonen schneller und legen rascher an Gewicht zu. Solche Hormone sind aber in der Schweiz verboten. Grund: Ihre Auswirkungen auf den Menschen sind nicht geklärt.
Im Gegensatz zu Wachstumshormonen ist der Einsatz von Sexualhormonen bei Nutztieren in der Schweiz zulässig. Laut
dem Schweizer Braunviehzuchtverband sind Fruchtbarkeitsprobleme die häufigste Ursache für die vorzeitige Schlachtung von Milchkühen. Bauern greifen deshalb zu Hormon-Medikamenten, um Kühe schneller und erfolgreicher zu schwängern.
Samuel Kohler, Dozent für Tiergesundheit an der schweizerischen Hochschule für Landwirtschaft, kritisiert den Einsatz der Sexualhormone: «Es gibt eine stattliche Anzahl von Betrieben, welche die Eisprungspritze systematisch bei jeder Besamung anwenden.» Die Spritze hilft, den Eisprung auszulösen. Sie enthält das Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH) – und ist die am häufigsten angewandte Hormonbehandlung bei Kühen.
Mäster setzen Hormonspritzen auch bei Schweinen systematisch ein. Das zeigt eine neue Studie aus Deutschland. Berichte in landwirtschaftlichen Fachpublikationen bestätigen, dass solche Sexualhormone auch in der Schweiz eingesetzt werden.
Bundesamt gibt keine Auskunft
Hauptgrund für diesen Hormoneinsatz sei die Kostensenkung: Paarungsbereitschaft, Eisprung, Wehen und Geburt sollen möglichst gleichzeitig stattfinden. Das ist praktisch: Zeitlich synchronisierte Abläufe im Stall sparen Zeit, Arbeitskräfte und Geld.
Laut dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen sind bei der Aufzucht von Rindern, Schweinen, Pferden, Schafen, Ziegen und Kaninchen nicht weniger als 13 Präparate mit GnRH und Prostaglandin zugelassen. Die Menge der eingesetzten Hormone bleibt jedoch unter Verschluss. Denn das Bundesamt wie auch die Aufsichtsbehörde Swissmedic nennen keine Zahlen.
Die Gesellschaft der Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte äussert sich ebenso wenig – obwohl Hormone «nur nach Verschreibung durch einen Tierarzt abgegeben und angewendet werden dürfen». Und die Zollverwaltung sagt, sie führe keine spezielle Statistik über die Einfuhr von Hormonpräparaten für Tiere.
Risiko für Tier und Mensch
Der Einsatz von Hormonen wird von der Wissenschaft kritisch beurteilt: «Hormonaktive Stoffe können den Stoffwechsel und die Entwicklung von Tier und Mensch entscheidend beeinflussen», hält das Zentrum für angewandte Ökotoxikologie in Dübendorf ZH fest.
Am besten bekannt seien «Wirkungen auf die Sexualentwicklung und Fortpflanzung von Tieren – wie zum Beispiel eine Veränderung im Sexualverhalten und eine Verringerung der Fruchtbarkeit». Das Bundesamt für Gesundheit schreibt dazu: «Die abnehmende Spermienqualität bei Männern oder die Zunahme von Brustkrebserkrankungen bei Frauen könnten durchaus mit der Wirkung von hormonaktiven Stoffen erklärt werden.» Hormone von Nutztieren gelangen mit der Gülle aufs Feld und belasten so die Gewässer. Via Trinkwasser können sie wieder in die Körper von Mensch und Tier gelangen.