Am 13. Februar kommt die Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung» zur Abstimmung. Ihr Hauptziel ist ein Verbot für «jede Art von Werbung für Tabakprodukte, die Kinder und Jugendliche erreicht». Reklame für Zigaretten und weitere Produkte wie etwa Snus (siehe Kasten) wäre also nur noch erlaubt, wenn sie ausschliesslich Erwachsenen zugänglich ist.
Zahnloses Gesetz erarbeitet
National- und Ständerat hätten es in der Hand gehabt, den Rückzug der Volksinitiative zu erwirken. Sie arbeiteten sieben Jahre an einem neuen Tabakgesetz. Doch sie schafften keinen grossen Wurf: Gemäss dem Gesetz wäre Tabakwerbung neu im Kino, auf Plakaten, in öffentlichen Verkehrsmitteln und an Sportveranstaltungen verboten. In der Presse und im Internet jedoch bliebe sie weitgehend erlaubt.
Bundesrat Alain Berset sagte bei der Parlamentsdebatte im September 2021, das Gesetz bringe «keine nennenswerten Fortschritte im Jugendschutz». Es tritt in Kraft, wenn die Initiative am 13. Februar abgelehnt wird. Bei einem Ja muss es angepasst werden.
Erstaunlich ist es nicht, dass das Parlament kein umfassendes Werbeverbot beschloss. Die Tabaklobby ist in der Schweiz sehr stark. Drei der weltweit grössten Tabakkonzerne haben hier ihren Hauptsitz oder zumindest wichtige Zentralen: Japan Tobacco International in Genf und Dagmersellen LU, British American Tobacco in Lausanne und Boncourt JU, Philip Morris in Lausanne und Neuenburg. Die Schweizer Ableger der drei Riesen bilden zusammen den Lobbyverband Swiss Cigarette. Dieser wiederum unterstützt die «Allianz der Wirtschaft für eine massvolle Präventionspolitik», der auch der Verband der Werbebranche (KS/CS) angehört.
Der einflussreiche Verband Schweizer Medien engagiert sich ebenfalls gegen die Initiative. Er ist auch sonst aktiv im Bundeshaus und organisiert mit dem Werbeverband KS/CS während laufender Sessionen sogenannte «Lunchveranstaltungen». Sie sollen «für die grundsätzlichen Belange der Medien und ihrer Finanzierung durch die Werbung» sensibilisieren.
Viele Parlamentarier pflegen enge Beziehungen zu Firmen, Verbänden und Organisationen aus der Tabak- und Werbebranche. Einige Beispiele:
- Nationalrat Gregor Rutz (SVP, ZH) ist Präsident der Vereinigung des Schweizerischen Tabakwarenhandels. Und er präsidiert die IG Freiheit, die sich gegen «den Erlass unnötiger Gesetze, Verbote und Vorschriften» stemmt. Weitere Mitglieder der IG sind zum Beispiel Mitte-Präsident Gerhard Pfister, Ex-FDP-Präsidentin Petra Gössi und SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi.
- Nationalrätin Regine Sauter (FDP, ZH) sitzt im Geschäftsführerausschuss des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse. Im Vorstand sitzen zahlreiche Parlamentarier und Wirtschaftsleute – darunter auch Brenda Ponsignon von British American Tobacco Switzerland.
- Nationalrätin Therese Schläpfer (SVP, ZH) ist Vorstandsmitglied des Vereins Vision Konsum, der sich nach eigenen Angaben unter anderem dafür einsetzt, dass «Konsumenten eigenverantwortlich entscheiden können, was und wie sie etwas geniessen wollen». Zu den Vereinsmitgliedern gehört gemäss Lobbywatch.ch auch der Tabakkonzern Japan Tobacco.
- Nationalrat Jacques Bourgeois (FDP, FR) ermöglicht es mit einer seiner Zutrittskarten Francis Egger, im Bundeshaus zu wirken. Egger ist Vizedirektor des Bauernverbands und Generalsekretär des Dachverbands der Tabakpflanzer Swisstabac.
Die Tabaklobby ist in der Schweiz im internationalen Vergleich sehr erfolgreich. In einer Rangliste mit 80 Staaten liegt sie auf dem miserablen 79. Platz. Nur in der Dominikanischen Republik hat die Tabakindustrie grösseren Einfluss auf die Gesetzgebung.
«Offen für Inputs der Tabakindustrie»
Herausgeber der Rangliste ist das renommierte Global Center for Good Governance in Tobacco Control in Bangkok (THA). Es schreibt zur Schweiz, Regierung und Parlament seien «offen für die Inputs der Tabakindustrie». Diese profitiere in hohem Mass von laschen Regeln zur Tabakkontrolle.
Snus: «Nikotinkicks in neue Sphären»
Snus sind nikotinhaltige Beutel, die man zwischen Lippe und Zahnfleisch klemmt. Sie machen ähnlich abhängig wie Zigaretten. Trotzdem darf Snus in der Schweiz an Kiosken und im Internet an Jugendliche verkauft werden. Und man darf dafür werben. So verspricht etwa die Snus Club AG auf ihrer Website «Nikotinkicks in neue Sphären». Sie schreibt, die Kunden seien «sicher immer wieder auf der Suche nach Zeugs, das noch mehr reinhaut». Und fragt: «Traust du dich?»
Markus Meury von Sucht Schweiz kritisiert: «Kinder werden bewusst in die Abhängigkeit getrieben.» Unmittelbare Folgen einer Nikotinüberdosis seien etwa Überreiztheit, Schlaflosigkeit, Übelkeit und Erbrechen.
Snus enthält oft mehr als 30 Milligramm Nikotin pro Beutel. Eine Zigarette hat maximal 13 Milligramm. Bei einem Ja zur Volksinitiative am 13. Februar und nach der entsprechenden Gesetzesanpassung würden strengere Werbeverbote auch bei Snus gelten.