Verunfallte Angestellte haben Unfalltaggelder zugut – und zwar so lange, bis die Behandlung abgeschlossen ist. Anders bei Krankheit. Hier sind Arbeitsunfähige nicht obligatorisch versichert. Sie haben laut dem Gesetz nur Anspruch auf einige wenige Wochen Lohn. Im ersten Jahr in einem Betrieb sind es mindestens drei Wochen. Ab dem zweiten Jahr je nach Kanton einige Wochen mehr. Nach 20 Jahren sind es in den meisten Kantonen sechs Monate.
Zum Glück haben die meisten Arbeitgeber für ihre Angestellten freiwillig eine Krankentaggeldversicherung abgeschlossen. Sie zahlt in der Regel 80 Prozent des Lohns für maximal 730 Tage – unabhängig von der Dauer des Arbeitsverhältnisses.
Drogistin blieb nach Krankheit ohne Lohn
Das Problem: Nicht alle Versicherungsgesellschaften zahlen allen erkrankten Angestellten die volle Leistung. Das musste Karin Schöchlin (Name geändert) aus dem Kanton Aargau erfahren. Sie absolvierte eine Lehre als Drogistin. Nach dem Lehrabschluss stellte sie der Betrieb befristet bis Ende Jahr an. In dieser Zeit erkrankte die 20-Jährige schwer und musste hospitalisiert werden. Ende Jahr lief der Arbeitsvertrag aus. Im neuen Jahr war die Drogistin noch 46 Tage krank – und ohne Einkommen. Denn Lohn erhielt sie nicht mehr. Sie hatte aber auch keinen Anspruch auf Krankentaggelder.
Der Grund: Die Drogerie hatte die Krankengeldversicherung bei der Mobiliar abgeschlossen. Diese zahlte der kranken Drogistin zunächst die Taggelder aus – aber nur bis zum Ablauf des Arbeitsvertrags.
«Klauseln sind ungültig»
Bevor der Vertrag mit der Drogerie endete, fragte die Mutter von Karin Schöchlin bei der Mobiliar an, ob ihre Tochter in die Einzelversicherung wechseln müsse, um im neuen Jahr weiterhin Taggelder zu erhalten. Die Versicherung teilte ihr dann mit, ihre Tochter habe nach Ende des befristeten Vertrags keinen Anspruch auf Taggelder mehr. Das sei in den Versicherungsbedingungen mit dem Betrieb so festgehalten. Auch könnten befristet Angestellte nicht in die Einzelversicherung übertreten.
Das akzeptierte die Mutter nicht. Ihre Rechtsschutzversicherung finanzierte ihr einen Anwalt. Dieser erhob vor dem Regionalgericht in Bern Klage gegen die Mobiliar. Er forderte für die junge Drogistin 46 Taggelder von insgesamt 4089 Franken. Der Anwalt argumentierte, die Klauseln der Mobiliar seien höchst ungewöhnlich und daher ungültig. Sein Hauptvorwurf: Die Regelung stelle befristete Angestellte schlechter als alle anderen Angestellten, obwohl der Arbeitgeber für alle die gleichen Prämien bezahle. Unbefristet Angestellte erhalten bei der Mobiliar in der Regel maximal 730 Taggelder – auch über das Ende des Arbeitsvertrags hinaus, falls sie dann nicht arbeitsfähig sind.
Das Gericht wies die Klage ab und gab der Mobiliar recht: Bei der Krankentaggeldversicherung seien die Parteien frei, den Vertrag zu regeln, wie sie wollen. Das Gesetz schreibe bloss vor, dass die Angestellten bei Vertragsende von der Kollektivversicherung des Arbeitgebers in eine Einzelversicherung wechseln dürfen. Das gelte aber nur, wenn sich Angestellte vor Ende des Arbeitsvertrags beim Arbeitsvermittlungszentrum angemeldet hätten. Schöchlin sei am Ende des Vertrags noch nicht dort registriert gewesen.
Schöchlins Anwalt zog den Fall vor das Obergericht des Kantons Bern: Es dürfe nicht sein, dass man Krankentaggelder nur erhalte, wenn man sich bei der Arbeitsvermittlung angemeldet habe. Das Verfahren ist hängig.
Andere Versicherer bieten mehr Schutz
Ein Vergleich des K-Tipp bei den zwölf grössten Krankentaggeldversicherern zeigt: Die Versicherungsbedingungen der Mobiliar sind schlechter als branchenüblich. Die einzelnen Regelungen:
- Groupe Mutuel, Swica und Visana: Zahlen befristet Angestellten das Krankentaggeld auch nach Vertragsende weiter, wenn sie noch immer krank sind.
- Allianz, Axa und Zürich: Auch hier erhalten kranke befristet Angestellte nach Ende des Arbeitsvertrags noch Taggelder. Aber nur, sofern der Arbeitsvertrag für mehr als drei Monate abgeschlossen wurde.
- Basler Versicherung: Sie zahlt den befristet Angestellten das Taggeld nach Ende des Arbeitsvertrags weiter. Bei Verträgen von weniger als einem Jahr berechnet sie das Taggeld vom Lohn während der ganzen Vertragsdauer, geteilt durch 365. Sprich: je kürzer der Vertrag, desto tiefer das Taggeld.
- Generali, Helsana, Helvetia und Vaudoise: Sie zahlen wie die Mobiliar befristet Angestellten nach Ablauf des Vertrages kein Taggeld. Es sei denn, die Arbeitgeber hätten mit der Versicherung eine besondere Regelung getroffen.
Tipp: Arbeitgeber sollten ihre Taggeldversicherung unbedingt auf die Leistungen hin überprüfen. Die Prämien sind für alle Angestellten gleich – also sollten auch die Taggelder für alle gleich sein. Und diese sollten unbedingt bis Ende der Arbeitsunfähigkeit bezahlt werden müssen, nicht nur bis zum Ablauf des Arbeitsvertrags. Sonst riskieren erkrankte Mitarbeiter, nach dem Stellenverlust ohne Einkommen dazustehen. Denn sie haben keinen Anspruch auf Arbeitslosentaggelder, weil sie als Kranke nicht vermittelbar sind.
Übertritt in die Einzelversicherung möglich
Angestelle mit einem befristeten Vertrag sollten die Versicherungsleistungen im Krankheitsfall abklären. Sonst riskieren sie nach der Aufgabe der Stelle eine Einkommenslücke. Laut Bundesamt für Statistik waren über die vergangenen Jahre jeweils rund 300 000 befristet angestellt – Lehrlinge nicht mitgezählt.
Angestellte mit befristetem Vertrag, die krank sind, sollten sich vorsorglich bereits vor Ende des Arbeitsvertrags beim Regionalen Arbeitsvermittlungsamt RAV anmelden und bei der Taggeldversicherung den Übertritt in die Einzelversicherung beantragen. Dieses Recht haben sie, selbst wenn das Kleingedruckte etwas anderes sagt.