Unerwünschte Anrufe kommen nicht nur von Krankenkassen, Telecom-Unternehmen oder Verlagen. Neuerdings versucht auch die Sozialdemokratische Partei, telefonisch Wähler zu rekrutieren. Zuletzt im Kanton Bern. Da setzte die SP fast die Hälfte ihres Wahlkampfbudgets von 350 000 Franken für eine Telefonkampagne ein.
Erstmals hatte die SP vor den Nationalratswahlen von 2015 zum Mittel der Telefonkampagne gegriffen – damals setzte sie nach eigenen Angaben die Hälfte des Wahlkampfbudgets von 1,35 Millionen Franken dafür ein, 100 000 Personen anzurufen. Etliche Kantonalparteien taten es der Mutterpartei gleich, und sie sprechen von «guten Erfahrungen». «Die Wahlresultate und steigende Mitgliederzahlen zeigen, dass es sich lohnt, mit den Menschen direkt ins Gespräch zu kommen», sagt Ursula Marti, Präsidentin der Berner SP.
Die Berner SP verliert Mitglieder
Doch wirklich messen lässt sich der Erfolg nicht. Zwar hat die SP im Berner Parlament fünf Sitze gewonnen. Damit hat sie aber die Verluste von 2010 und 2014 noch lange nicht wettgemacht. Und niemand weiss, ob die SP die fünf Sitze wegen oder trotz der Kampagne gewonnen hat. Laut Website der Berner SP betrug die Mitgliederzahl vor zwei Jahren 7500. Heute sind es noch 6500. Das ist nicht eine Zunahme, sondern eine Abnahme um 1000 Mitglieder.
Mit ihrer Telefonwerbung verärgert die SP auch viele mögliche Sympathisanten. Einerseits weil ihre Mitglieder die Wähler mitunter während der Essenszeiten anrufen. Und weil sie den Sterneintrag im Telefonbuch und in Internet-Verzeichnissen missachten. Das Gesetz verbietet nämlich «Werbemitteilungen an Kunden mit Vermerk im Telefonbuch». Für Normalbürger heisst das: keine Werbeanrufe von Krankenkassen und Hilfswerken. Und natürlich auch keine Werbeanrufe von Parteien.
Die SP stellt sich allerdings auf den Standpunkt, dass es sich nicht um Werbeanrufe handle. Präsidentin Ursula Marti: «Es handelt sich um politische Information. Unseres Erachtens entsprechen die Anrufe dem Informationsbedürfnis einer breiten Öffentlichkeit.»
Andere Parteien sind eher zurückhaltend
Die SP ist mit ihrer Gesetzesinterpretation nicht allein. Das Staatssekretariat für Wirtschaft schreibt dem K-Tipp: «Die Kontaktaufnahme zwecks nicht-kommerzieller Information zum Beispiel aus politischen, weltanschaulichen oder religiösen Gründen ist nicht als Werbung im Sinne des Gesetzes zu qualifizieren.» Und auch das Bundesamt für Kommunikation sagt: «Das Gesetz gilt nicht für politische Werbung. Deshalb schützt der Sterneintrag nicht vor politischer Werbung.»
Die anderen Parteien arbeiten – wenn überhaupt – nur zurückhaltend mit Telefonkampagnen. Der Solothurner CVP-Nationalrat Stefan Müller-Altermatt bezeichnete die Anrufe sogar als «Telefonterror».
Doch Ruhe werden die Wahlberechtigten auch in Zukunft nicht haben. SVP-Präsident Albert Rösti liess verlauten, seine Partei werde künftig sogar Hausbesuche machen.