Rund 520 Franken pro Jahr: So viel Prämiengeld spart der 52-jährige Thomas Zanolari aus Gams SG bei seiner Krankenkasse Sanagate. Denn er hat bei der obligatorischen Grundversicherung das Telemedizin-Sparmodell Sanacall gewählt.
Rund 4250 Franken: Das ist die Summe, die Thomas Zanolari selber zahlen muss, weil er die Spielregeln von Sanacall missachtet hat. Die «Busse» ist rund achtmal höher als die Prämienersparnis.
Der Hintergrund: Viele Krankenkassen führen in der Grundversicherung das Telmed-Sparmodell (siehe Kasten). Wer sich so versichert, erhält eine Prämienreduktion von bis zu 20 Prozent.
Damit verbunden ist aber eine Verpflichtung: Telmed-Versicherte müssen vor jeder Arztkonsultation einen Beratungsdienst anrufen. Dort erhalten sie meistens eine Zusage für den Arztbesuch. Die zwei bekanntesten Dienste heissen Medgate und Medi24. Bei den Kassen heissen die entsprechenden Sparmodelle Sanacall, Telcare, Callmed, Sanatel, Premed-24, Casamed 24, Med Call, Telfirst oder ähnlich.
Telmed-Hotline nicht informiert
An einem Sonntag musste Zanolari notfallmässig mit einer schweren Infektion am Unterschenkel ins Spital. In solchen Fällen ist ein vorheriger Anruf bei der Hotline natürlich nicht möglich. Aber die Sanagate schreibt in ihrem Reglement vor: Bei Notfallbehandlungen müssten Patienten «innert 5 Arbeitstagen das Zentrum für Telemedizin orientieren oder orientieren lassen». Zanolari hatte das nicht gemacht.
Vom Spital bekam er nach seinem zehntägigen Aufenthalt eine Verordnung für spezialärztliche Nachkontrollen, Stützstrümpfe und Physiotherapie. Das kostete ihn insgesamt rund 4250 Franken. Weil diese Massnahmen vom Spital verschrieben wurden, rief Zanolari nicht bei Medgate an. Er sagt: «Medgate hätte ohnehin nichts anderes tun können, als die Nachbehandlung abzusegnen.»
Bundesgericht gibt Sanagate recht
Sanagate – eine Tochtergesellschaft der CSS – sieht das anders: Die Kosten für den Spitalaufenthalt übernimmt die Kasse «entgegenkommenderweise», obwohl auch hier ein Reglementsverstoss vorliege. Die Nachbehandlungen hingegen will sie nicht vergüten. Der Kunde habe vorher die Hotline nicht kontaktiert, und die Kasse sei gehalten, das Reglement «konsequent umzusetzen». Und im Reglement stehe klar: Verletzt die versicherte Person ihre reglementarischen Pflichten, «erstattet die Sanagate keine Kosten für vom Zentrum für Telemedizin nicht empfohlene Behandlungen». «Die Sanagate ist gnadenlos streng», ärgert sich Thomas Zanolari.
Er wird den negativen Entscheid nicht gerichtlich anfechten. Denn in der Zwischenzeit hat das Bundesgericht einen anderen Sanagate-Kunden mit Modell Sanacall abblitzen lassen. Der 52-jährige Dejan Racic aus Aarau hatte vor einem Arztbesuch und dem anschliessenden geplanten Spitalaufenthalt nicht telefoniert und muss nun 3330 Franken selber zahlen.
Für das Bundesgericht fusst das Telemedizin-Modell auf der gleichen Basis wie das Hausarzt-Modell. Bei diesem bestimme der Arzt als vorgeschriebene erste Anlaufstelle den weiteren Verlauf der Behandlung, und beim Telmed-Modell gebe das medizinische Zentrum am Telefon «den Behandlungspfad vor». Die Verweigerungsklausel im Reglement sei «klar und unmissverständlich».
Fazit: Wer mit dem Telmed-Modell sparen will, sollte die Regeln nicht vergessen und vor jedem Arztbesuch telefonieren. Oder dieses Sparmodell bei einer kundenfreundlichen Krankenkasse abschliessen, die nicht so «gnadenlos» ist wie die Sanagate.
Verstösse gegen das Sparmodell: Bei vielen Kassen gibt es zuerst eine Verwarnung
Nur wenige Versicherer «bestrafen» Verstösse gegen das Telemedizin-Reglement so hart wie die Sanagate. Die Praxis der Kassen im Überblick:
- Bei der Krankenkasse Sympany heisst das Sparmodell Callmed 24. Eine Leistungsverweigerung für «Nicht-Telefonierer» ist im Reglement gar nicht vorgesehen. Solche Kunden würden beim ersten Regelverstoss gemahnt. Nach dem zweiten Verstoss würden so Versicherte per Ende Jahr aus dem Sparmodell ausgeschlossen. Das heisst: Sie sind ab dem Folgejahr wieder in der «normalen» Grundversicherung mit entsprechend höherer Prämie.
- Vergleichbare Regeln gelten bei Atupri, Compact One, KPT, Sanitas und Swica.
- Die Groupe Mutuel kennt ebenfalls keine Leistungsverweigerung, macht aber Ausschlüsse aus dem Sparmodell nach wiederholten Regelverstössen schon ab dem Folgemonat.
- Die ÖKK sieht gemäss Reglement eine Kürzung der Leistung vor, schickt aber vorher einen Verwarnungsbrief. Auch Umteilungen in die «normale» Grundversicherung sind möglich.
- Die Helsana und ihre Tochtergesellschaften Avanex, Progrès und Sansan haben zwei Telmed-Modelle. Bei Premed-24 muss der Kunde einfach anrufen, kann dann aber machen, was er will. Hier gibt es keine Leistungsverweigerung, aber Umteilungen. Beim Modell BeneFit Plus Telemedizin hingegen müssen Versicherte gemäss Reglement zwingend den vom Beratungsdienst «allenfalls vorgegebenen Behandlungsablauf» einhalten. Hier sind Leistungskürzungen reglementarisch vorgesehen. Gemäss Helsana passiert das «relativ selten».
- Das Gleiche gilt bei der Visana und ihren zwei Sparmodellen Med Call und Tel Doc. Allerdings sagt die Visana, sie habe noch nie eine Leistungsverweigerung gemacht.
- Die EGK kennt Leistungsverweigerungen, und es habe solche Fälle auch bereits gegeben.
- Bei der CSS gelten die gleich strengen Regeln wie bei ihrer Tochtergesellschaft Sanagate – wie sie im Artikel oben beschrieben sind. Einziger Unterschied: Bei der CSS gibt es zuerst eine schriftliche Verwarnung.
- Die Concordia schliesslich hat gar kein Telemedizin-Sparmodell. Es sei nicht erwiesen, «dass mit so einem Modell massgeblich Kosten eingespart werden können». Auch die Assura hat kein Telmed-Modell.
Wichtig: Hier ist nur vom Telemedizin-Sparmodell die Rede. Es gibt aber noch andere Sparmodelle in der Grundversicherung – wie zum Beispiel das Hausarzt-Modell. Auch dort ist «Systemtreue» wichtig, wie es die Versicherer formulieren. Und auch dort kann es – je nach Versicherer – vorkommen, dass die Krankenkasse bei Regelverstössen nicht zahlt. Auch das ist vom Bundesgericht abgesegnet.