K-Tipp-Leserin Claudine Pauchard bietet in ihrem Laden in Baar ZG Brautkleider für die «kurvige Frau» an. Dort wurde die damals 48-jährige Unternehmerin im April 2021 von einem Vertreter der Mycity Media AG aus Dietlikon ZH besucht. Dieser versicherte Claudine Pauchard, er könne ihren Laden in der Region bekanntermachen – etwa mit einem Eintrag im Mycity-Suchportal.
Dieses enthält neben allgemeinen Informationen zu allen Schweizer Gemeinden auch ein Verzeichnis von Unternehmen. Zudem verkaufte ihr der Mycity-Vertreter Werbung mit Bannern auf Internetseiten. Er versprach: Die Werbung werde auf der Nachrichtenseite Blick.ch aufpoppen, wenn jemand im Raum Baar die Website besuche.
«Das Angebot überzeugte mich», erinnert sich Pauchard. Sie unterschrieb einen Vertrag mit vier Jahren Laufzeit, der ihr neben einem Eintrag im Mycity-Portal vier Werbespots in einem Lokalradio im ersten Jahr sowie 200 000 Internet-Banner pro Jahr auf verschiedenen Websites versprach. Kosten: 2590 Franken pro Jahr, also total 10 360 Franken für die vierjährige Laufzeit.
Zehn Tage nach Vertragsunterzeichnung bereute Pauchard die Unterschrift unter dem Vertrag: «Ich wollte mit meinem Geschäft mehr national tätig sein. Das regional ausgerichtete Mycity-Werbepaket machte für mich keinen Sinn», sagt die Unternehmerin. Sie kündigte den Vertrag. Doch Mycity lehnte die Kündigung ab. Die Firma stützte sich auf eine Klausel im Kleingedruckten, die eine vorzeitige Kündigung des Vertrags ausschliesst.
Pauchard weigerte sich, die erste Tranche von 2590 Franken zu zahlen. Mycity klagte die Unternehmerin am Bezirksgericht Zürich ein – und bekam recht. Beim vereinbarten Werbevertrag handle es sich um einen Dauerwerkvertrag, der nur aus wichtigem Grund gekündigt werden könne. Ein solcher liege aber hier nicht vor, schreibt der Zürcher Richter Mitte Oktober 2022 im Urteil.
Experten zerpflücken das Mycity-Angebot
Der K-Tipp legte das Mycity-Werbepaket der auf Internetwerbung spezialisierten Zürcher Medienagentur Zipmedia GmbH und dem Schwyzer Online-Marketing-Experten Daniel Hünebeck zur Prüfung vor. Die beiden halten dazu fest:
- Mycity-Suchportal: Die Website mit dem Firmenverzeichnis ist praktisch unbekannt. Sie hat wohl nur sehr wenige Zugriffe pro Monat.
- Radio-Werbespots: Der 20-Sekunden-Beitrag wird an vier aufeinanderfolgenden Tagen im ersten Jahr des Vertrags gesendet. Die Expertenmeinung: «Das bringt nicht viel. Um eine Werbewirkung zu erzielen, müsste der Spot an verschiedenen Tagen, während der Hauptsendezeit und zu verschiedenen Zeiten, mehrmals gesendet werden.»
- Online-Banner: Die Verteilung von 200 000 Werbebannern über das ganze Jahr auf über 100 verschiedenen Websites erzeugt keine Werbewirkung. Die Banner sollten nur während vier bis fünf Wochen ausgespielt werden – und dies in einem Umkreis von höchstens 5 bis 10 Kilometern, nicht wie angeboten 25 Kilometern.
- Laufzeit: «Eine Werbekampagne dauert zwei bis sechs Wochen, sicher nicht vier Jahre. Kunden können einen Vertrag normalerweise auch immer kurzfristig kündigen», urteilen die Experten über die vierjährige Laufzeit ohne Kündigungsmöglichkeit.
- Fazit der Experten: Das Mycity-Paket hat keine Werbewirkung.
Mycity behautet auch, dass die Bannerwerbung auf über 100 «Premium»-Websites wie etwa Blick.ch, 20min.ch, Nzz.ch, Tagesanzeiger.ch, Sbb.ch, Comparis.ch und Tutti.ch stattfinde.
Doch der Bericht eines Mycity-Kunden, der dem K-Tipp vorliegt, zeigt ein anderes Bild: Von 500 000 Bannern wurden nur rund 400 auf Blick.ch sowie je 60 auf 20min.ch und auf Tutti.ch aufgeschaltet – pro Jahr. Ganze zwei landeten auf Tagesanzeiger.ch, eines auf Comparis.ch, keines auf Nzz.ch und Sbb.ch. Dagegen erschienen rund 50 000 Banner auf Botasot.info, einer kosovo-albanischen Tageszeitung.
Von den total 500 000 Bannern wurden gerade einmal 125 von Interessentinnen ange klickt. Das ergibt eine Klickrate von gerade mal 0,02 Prozent.
«Das ist extrem tief», sagt Marketingexperte Daniel Hünebeck. Sein ernüchterndes Fazit zu diesem Fall: «Da wird versucht, Bannerwerbung billig einzukaufen, ohne Wert auf qualitativ gute Auslieferung zu legen.»
In ihrer Stellungnahme schreibt Mycity, sie biete ein erschwingliches, auf eine längere Zeitperiode ausgerichtetes Standardpaket für kleine und mittlere Unternehmen an. Mycity könne aber weder eine Klickrate noch bestimmte Portale oder Websites garantieren.
Der Nutzen einer Anzeige auf einer weniger bekannten Website sei für Kunden nicht geringer. Denn massgeblich sei die vereinbarte Anzahl individueller Ausspielungen einer Anzeige in der Region des Kunden.