Reformen der Unternehmenssteuer haben einen schweren Stand. Massgeblich dafür verantwortlich ist der frühere FDP-Bundesrat und Finanzminister Hans-Rudolf Merz. Vor der Abstimmung über die Unternehmenssteuerreform II im Jahr 2008 behauptete der FDP-Bundesrat, dass die Ausfälle durch die neue Unternehmensbesteuerung bloss 86 Millionen Franken pro Jahr betragen würden.
Die Stimmbürger nahmen die Steuervorlage mit 50,5 Prozent an. Doch drei Jahre später musste der Bundesrat einräumen, dass der Einnahmeverlust deutlich höher ist – nämlich satte 500 Millionen Franken im Jahr. Der ehemalige SP-Präsident Peter Bodenmann sprach von einem «offensichtlichen Volksbetrug».
Luzern senkte um 45 Prozent, Graubünden um 35 Prozent
Kein Wunder, lehnte das Volk die nächste Steuersenkungsvorlage im Februar 2017 mit 59,1 Prozent ab. Daraufhin gleiste der Bundesrat im Eilzugstempo eine neue Reform auf, die sogenannte Steuervorlage 17. Dagegen ergriffen verschiedene Parteien und Gruppierungen das Referendum (siehe Unten). Ein Kernpunkt der neuen Vorlage ist die Abschaffung der international geächteten Steuerprivilegien für Grosskonzerne. Doch auch diesmal enthält die Vorlage zugleich eine Steuersenkung für alle Firmen.
Die Unternehmensgewinnsteuern sind bereits in den letzten 20 Jahren massiv gesunken. Eine saldo-Auswertung von Daten der Eidgenössischen Steuerverwaltung zeigt: 2007 betrug der Durchschnitt der kantonalen Gewinnsteuersätze 21 Prozent. Der Kanton Basel-Stadt etwa besteuerte den Reingewinn der Unternehmen mit 25 Prozent, Graubünden mit 29 Prozent, Luzern mit 18,9 Prozent und Schwyz mit 20 Prozent.
Dieses Jahr beträgt der Gewinnsteuersatz im Durchschnitt nur noch 18 Prozent. Graubünden senkte den Satz auf 16 Prozent, Luzern auf 12 und Schwyz auf 15 Prozent. Mit gut 21 Prozent fast stabil blieb er in den beiden bevölkerungsreichsten Kantonen Bern und Zürich.
Die Senkung des Steuersatzes bedeutet: Die Unternehmen zahlten zum Beispiel im Kanton Luzern 35 Prozent weniger Steuern, im Kanton Graubünden gar 45 Prozent.
Mit der neuen Steuervorlage 17 würden die Steuersätze gemäss den Plänen der Kantone nochmals um fast ein Fünftel auf durchschnittlich 14 Prozent sinken (siehe Karte im PDF). Damit wären die kantonalen Gewinnsteuersätze seit 2007 um total ein Drittel reduziert worden. Zum Vergleich: Die Einkommenssteuern für natürliche Personen mit 50 000 Franken Bruttoeinkommen sind seit 2005 nur um ein Viertel gesunken.
Doch was bedeutet das für die Steuereinnahmen? «Jede Steuerreform liess die Einnahmen aus Firmensteuern mittelfristig ansteigen», schreibt Economiesuisse und verweist auf Berechnungen der Eidgenössischen Steuerverwaltung. Sie kommen bei der neusten Vorlage auf Mehreinnahmen von 1,4 Milliarden Franken. Diese Zahl basiert auf der Annahme, dass neue Firmen kommen, eingesparte Steuergelder investiert und Arbeitsplätze geschaffen werden.
Wunschträume der Finanzminister
«Die Idee von steigenden Steuererträgen als Folge tieferer Steuersätze ist der Wunschtraum jedes Finanzdirektors», sagt der Lausanner Wirtschaftsprofessor Marius Brülhart, «aber das geschieht äusserst selten.» Das passiere höchstens in kleinen Vorreiterkantonen wie Zug, wo sich neue, internationale und sehr steuerempfindliche Konzerne angesiedelt hätten.
Vergleicht man die gesamten kantonalen Unternehmenssteuereinnahmen zwischen 2007 und 2016, so stiegen sie zwar von 7,2 auf 7,7 Milliarden Franken (siehe Tabelle im PDF). 15 Kantone verzeichneten Mehreinnahmen. Ohne die vier bevölkerungsreichen Kantone Zürich, Bern, Waadt und Genf wäre die Gesamtbilanz für alle Kantone jedoch negativ. Und diese Kantone haben ihre Gewinnsätze kaum gesenkt. Brülhart kommt zum Schluss: «Die Berechnungen der ESTV sind zwar handwerklich solide, aber das hervorgehobene Szenario mit Mehreinnahmen von 1,4 Milliarden Franken ist höchstwahrscheinlich zu hoch.» Damit bestehe die Gefahr, dass die Reform zu bleibenden Steuerausfällen führe – vor allem, wenn die Kantone den Wettlauf um tiefere Unternehmenssteuern noch länger mitmachten.
Umstrittener Kuhhandel
Unternehmen sollen nach dem Willen des Parlaments jedes Jahr über zwei Milliarden Franken weniger Steuern zahlen. Andererseits steigen für Angestellte die Lohnabzüge für die AHV. Verschiedene Parteien und Gruppierungen wie die Grünen, Gewerkschaften sowie die Jungparteien der SP, GLP, BDP und SVP haben das Referendum ergriffen. Sie wollen, dass der Kuhhandel vor das Volk kommt. Ablauf der Referendumsfrist ist am 17. Januar 2019. Kommen 50 000 Unterschriften zustande, kann die Bevölkerung am 19. Mai 2019 über das Gesetz entscheiden.
Unterschriftenbögen kann man herunterladen unter www.saldo.ch oder bestellen unter Tel. 044 253 83 30.