Dieser Entscheid der Wettbewerbskommission (Weko) kann sich für Haushalte auszahlen: Kurz vor den Sommerferien entschied sie, dass Gasversorger ihr Netz verschiedenen Lieferanten zur Durchleitung von Erdgas zur Verfügung stellen müssen – sonst missbrauchen sie ihre marktbeherrschende Stellung. Und das ist verboten. Folge: Die Kunden können ihr Gas jetzt bei einem Lieferanten ihrer Wahl bestellen – und somit den günstigsten auswählen. Pikant: Der Bundesrat schlägt ein Gesetz vor, das vorab nur industriellen Gasverbrauchern die freie Wahl des Lieferanten gewähren will (siehe Kasten).
Weko-Entscheid mit Signalwirkung
Der Weko-Entscheid betrifft einen Luzerner Fall, hat aber Signalwirkung für die ganze Schweiz. Weko-Vizedirektorin Carole Söhner-Bührer geht davon aus, dass neben den direkt vom Entscheid betroffenen Versorgern jetzt «weitere Gasnetzbetreiber den Lieferantenwechsel für Haushaltskunden auf Gesuch hin abwickeln werden».
Im Luzerner Fall mussten die Netzbetreiber Energie Wasser Luzern und Erdgas Zentralschweiz eine Strafe von rund 2,6 Millionen Franken zahlen. Sie hatten der Enerprice Service AG aus Root LU die Gasdurchleitung zur Versorgung von Kunden in Luzern verweigert.
Heute wird jedes fünfte Gebäude in der Schweiz mit Gas beheizt. Die meisten Hausbesitzer konnten bislang nicht wählen, bei wem sie das Gas kaufen. Sie mussten es beim örtlichen Netzbetreiber bestellen. Folge dieser lokalen Versorgungsmonopole sind hohe Preise. Das zeigen von Enerprice erhobene Tarife.
Demnach zahlte vergangenes Jahr ein Einfamilienhausbesitzer in Rorschach SG für seinen Gasverbrauch von 20 000 Kilowattstunden (kWh) rund 1700 Franken. Im gut 25 Kilometer entfernten Dornbirn in Österreich kostete das nur 843 Franken. Ein Hausbesitzer in Pratteln BL wiederum zahlte rund 1500 Franken und damit gut 500 Franken mehr als ein Eigentümer in Lörrach (D). Und zwischen Lausanne VD und Thonon-les-Bains (F) belief sich der Preisunterschied auf fast 600 Franken.
Wird dank dem Weko-Entscheid für Schweizer Kunden das Gas günstiger? «Ich bin gespannt, wie es weitergeht», sagt Preisüberwacher Stefan Meierhans. Voraussetzung für sinkende Preise sei, dass sich «ein wirksamer Wettbewerb zwischen einer grösseren Anzahl Anbieter» entwickle.
Preise vergleichen ist zurzeit kaum möglich
Noch ist für Kleinverbraucher ein Wechsel des Lieferanten kompliziert. Es gibt zurzeit noch kaum Informationen, wie teuer das Produkt Erdgas bei den verschiedenen Lieferanten ist. Auf der Internetseite des Preisüberwachers zu den Gaspreisen (Gaspreise.preisueberwacher.ch) stehen zwar die Tarife der meisten Versorger in der Schweiz. Doch diese Tarife umfassen neben dem eigentlichen Energiepreis auch die Kosten für die Benutzung des Netzes und weitere Gebühren. Anders als beim Strom besteht beim Gas laut Meierhans keine Vorschrift, diese Kosten separat auszuweisen. Endkunden haben deshalb vorläufig keine brauchbare Möglichkeit, im Hinblick auf einen allfälligen Wechsel des Lieferanten die Preise zu vergleichen.
Wechsel kann sich für Kleinkunden lohnen
Für Luzern kennt Enerprice-Geschäftsleiter René Baggenstos die Zahlen: Stand Juni zahlte dort der Besitzer eines kleinen Mehrfamilienhauses – jährlicher Gasverbrauch: 50 000 kWh – bei Enerprice 0,9 Rappen pro kWh weniger fürs Gas als bei Energie Wasser Luzern. Das ergibt eine Einsparung von 450 Franken im Jahr. Dazu kommen zwar noch einmalige Kosten von knapp 1500 Franken für den Kauf und die Installation eines speziellen Zählers mit Fernauslesung.Dennoch zeigt das Beispiel: Ein Wechsel des Lieferanten kann sich auch für Kleinkunden lohnen.
Bundesrat: Nur jeder zehnte Bezüger soll vom freien Gasmarkt profitieren
Die Landesregierung will nicht, dass Schweizer Haushalte den Gaslieferanten frei wählen können. Gemäss dem Entwurf des Bundesrates für das neue Gasversorgungsgesetz sollen nur diejenigen Kunden die freie Wahl haben, die mindestens 100 000 Kilowattstunden Gas im Jahr verbrauchen. Dadurch wären 90 Prozent aller Gasbezüger vom freien Markt ausgeschlossen.
Ähnlich ist die Situation heute beim Strom: Haushalte können den Lieferanten nicht wählen und zahlen deshalb oft weit mehr als mittlere und grössere Unternehmen.
In der Vernehmlassung zum Gasgesetz stiess der Bundesrat auf starke Kritik. Der Preisüberwacher hält es für unverhältnismässig, ein derart umfassendes Regelwerk zu schaffen, «obschon nur 10 Prozent der Endverbraucher von der Teilliberalisierung profitieren würden». Mehrere Parteien, der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse, der Hauseigentümerverband Schweiz und weitere Akteure fordern die freie Lieferantenwahl für alle Gasverbraucher. Das würde den Endverbrauchern nach zehn Jahren Einsparungen von jährlich rund 60 Millionen Franken bescheren. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Forschungsbüros Frontier Economics und Infras.
Der Bundesrat wird den Gesetzesentwurf frühestens Ende Jahr ins Parlament schicken. Es ist offen, ob sich National- und Ständerat schliesslich für die freie Wahl des Lieferanten auch für Haushalte entscheiden. Die Chancen sind mit dem Entscheid der Wettbewerbskommission zur Liberalisierung des Gasmarkts aber gestiegen.