Tiermehl für Bio-Gemüse
Was viele nicht wissen: Selbst Bio-Bauern dürfen ihre Gemüse mit Tiermehl aus Schlachtabfällen düngen. Viele tun es - und verärgern damit die Vegetarier.
Inhalt
saldo 2/2006
01.02.2006
Angelica Schorre
Seit Juli 2004 ist der Einsatz von Tiermehl in der Landwirtschaft wieder erlaubt. Das freut Bio-Landwirte, denn die organische Düngerpalette ist mit Knochen-, Horn-, Feder- und Blutmehl wieder breiter geworden. Tiermehle sind gute Stickstofflieferanten und stehen auch auf der Liste für empfohlene Hilfsstoffe des Forschungsinstituts für biologischen Landbau. Aber ist die Verwendung von Tiermehlen im Bio-Landbau noch bio?, fragen sich Vegetarier, die beim Gemüseeinkauf Label-Produkte von Knosp...
Seit Juli 2004 ist der Einsatz von Tiermehl in der Landwirtschaft wieder erlaubt. Das freut Bio-Landwirte, denn die organische Düngerpalette ist mit Knochen-, Horn-, Feder- und Blutmehl wieder breiter geworden. Tiermehle sind gute Stickstofflieferanten und stehen auch auf der Liste für empfohlene Hilfsstoffe des Forschungsinstituts für biologischen Landbau. Aber ist die Verwendung von Tiermehlen im Bio-Landbau noch bio?, fragen sich Vegetarier, die beim Gemüseeinkauf Label-Produkte von Knospe, Coop Naturaplan oder Migros Bio bevorzugen. Dies in der Annahme, dass Schlachtabfälle nicht den Weg ins Bio-Rüebli finden.
«Unsere Bio-Produkte sind nicht extra für Vegetarier gemacht», sagt Jacqueline Forster von Bio Suisse, der Vereinigung Schweizerischer Bio-Landbau-Organisationen. «Der Einsatz von Tiermehlen widerspricht nicht der Bio-Philosophie. Ich bin sicher, dass ein Vegetarier im Endprodukt nichts vom Tiermehl merkt.» Auch Vertreter von Migros und Coop sehen im Einsatz von Tiermehldünger keine Gefährdung des Prädikats «bio». Im Gegenteil: Im Sinne einer ökologischen Kreislaufwirtschaft sei es angebracht, tierische Nebenprodukte wieder in den Stoffkreislauf einfliessen zu lassen.
Vegetarier sind zu Kompromissen gezwungen
Pragmatisch ist auch Josianne Walpen von der Stiftung für Konsumentenschutz: «Ich kann verstehen, dass diese Vorstellung bei Vegetariern grosses Befremden auslöst. Überlegenswert ist, dass die Tiere nicht für den Dünger geschlachtet werden, sondern dass es sich um ein Nebenprodukt handelt, das so eine nützliche Verwendung findet.» Eine Deklaration «mit Tiermehl gedüngt» hält sie für übertrieben.
Resignation herrscht auf der Seite der Vegetarier. «Da man heute kaum Gemüse und Früchte erhält, die ohne Tierkörperbestandteile oder tierische Fäkalien gedüngt werden, gehen die meisten von uns einen Kompromiss ein», sagt Renato Pichler von der Schweizerischen Vereinigung für Vegetarismus. Weil so viel Gülle, Schlachtabfälle und Mist anfalle, sei der Druck auf die Bauern gross, diese auf den Feldern zu verteilen. «Niemand hat ein Interesse daran, zu erforschen, wie es ohne gehen könnte», so Pichler.
Alternative: Nach Demeter-Richtlinien hergestellte Produkte
Was bleibt den Vegetariern? Sie können zum Beispiel die biologisch-dynamischen Produkte von Landwirten kaufen, die nach Demeter-Richtlinien arbeiten (www.deme ter. ch). Etwa die von Bauer Niklaus Bolliger aus Hessigkofen (SO). Er verwendet zwar Hornspäne, Blutmehl will er aber nicht auf sein Feld ausbringen. «Auch wenn es hygienisch unbedenklich ist. Aber Blut enthält nicht nur Stickstoff, sondern noch andere Kräfte und Informationen.» Hier spricht er anthroposophisches Gedankengut an, an dem sich Demeter orientiert.
Ähnlich argumentiert Benno Otter, Leiter der Gärtnerei am Goetheanum in Dornach (BL): «Blut kommt vom Innersten des Tieres, ist für Pflanzenkulturen etwas Fremdes.» Eigentlich müsste es vor dem Gebrauch kompostiert werden. «Aber Blutmehl zu kompostieren ist gar nicht nötig. Denn wer kompostiert, hat bereits genügend Stickstoffdünger.»
Nur das Knochenmehl kommt aus der Schweiz
Seit dem BSE-Skandal dürfen nicht mehr sämtliche Tierkadaver zu Tiermehl verarbeitet werden. Zugelassen sind nur noch Abfälle von Tieren, die in den Fleischhandel kommen. «Diese Abfälle werden bei 130 Grad und 3 bar Druck 20 Minuten lang sterilisiert», sagt Lukas Perler, Leiter der Fachberatung beim Bundesamt für Veterinärwesen (BVET). «Alle Risikoorgane wie Gehirn und Rückenmark müssen verbrannt werden.» Er findet diese Verwendung der Tiere «eine vernünftige Sache». Perler schätzt, dass in der Schweiz Tiermehle «im tiefen Tonnenbereich» zur Düngung ausgebracht werden. Nur für die Herstellung von Knochenmehl gibt es in der Schweiz eine Anlage, die Kadaver verarbeiten kann. Die anderen Mehle werden importiert. Hans-Jürg Hauert von der Hauert HBG Dünger AG in Grossaffoltern BE: «Hornmehl und Hornspäne beziehen wir von einem zertifizierten indischen Hersteller, Federmehl aus dem benachbarten EU-Raum. Blutmehl setzt unsere Firma seit der BSE-Krise nicht mehr ein.»